Am Mittwoch wird der Jugendhilfeausschuss des Gemeinderates Konstanz öffentlich über einen „Projektbericht Niedrigschwellige Erstberatung für queere junge Menschen“ beraten. Hierzu hat der CSD Konstanz e.V. jetzt Stellung bezogen.
Darum geht es
Am Mittwoch findet um 17:00 Uhr im Ratssaal, Kanzleistraße 15, 78462 Konstanz eine öffentliche Sitzung des Jugendhilfeausschusses statt. Der fragliche Tagesordnungspunkt soll zu Beginn der Sitzung behandelt werden. Die Sitzungsvorlage zu diesem Tagesordnungspunkt finden Sie hier.
Die Ausgangslage ist laut Sitzungsunterlagen schwierig: „Es steht außer Frage und ist auch durch Studien belegt, dass LSBTTIQ-Jugendliche besonders häufig von Diskriminierung oder Gewalt betroffen sind und aufgrund der eigenen Identitätsfindungsprozesse vulnerabler sind als andere Jugendliche. Ca. 85% der lesbischen und schwulen Jugendlichen, so eine Studie, sind sich bis zum Alter von 15 Jahren bereits ihrer Gefühle bewusst, 60% sogar bereits bis zum Alter von 13 Jahren. […] Sowohl gleichgeschlechtliche sexuelle Orientierung, Transidentität oder auch nur geschlechtsuntypisches Verhalten werden häufig lächerlich gemacht oder abgewertet, und zwar nicht nur von anderen Jugendlichen, sondern auch von der eigenen Familie und in den Bildungseinrichtungen. Etwa die Hälfte aller LSBTTIQ-Jugendlichen berichtet in Befragungen von Vorurteilen und Diskriminierungen in der eigenen Familie, zwei Drittel sogar von negativen Erfahrungen in der Schule. All dies kann zu vielen psychosozialen Problemen führen. Bei diesen Jugendlichen sind erhöht: Lernprobleme, Konzentrationsstörungen, Verhaltensstörungen, Alkohol- und Drogenmissbrauch, psychosomatische Störungen wie Ess- und Schlafstörungen, Angst und Schuldgefühle, mangelnde Selbstakzeptanz, Vermeiden sozialer Situationen bis hin zu Depressionen und Suizidalität.“
Im Wesentlichen geht es daher jetzt darum, „jungen Heranwachsenden altersgerechte Anlaufstellen zu eröffnen, die erste Unterstützung in Fragen der sexuellen und geschlechtlichen Identität bieten“. Die Zielgruppe sind minderjährige Jugendliche im Alter von 12 bis 18 Jahren. Es wird konstatiert, „dass es offensichtlich an qualifizierten Beratungsstellen für LSBTTIQ-Jugendliche (und auch Familien/Eltern) vor Ort und im Landkreis mangelt“ [LSBTTIQ steht für lesbisch, schwul, bisexuell, transsexuell, transgender, intersexuell und queer.] Auch der „Bedarf an Fortbildung/Bewusstseinsbildung in diesem Bereich ist jedoch nach wie vor sehr hoch“. Außerdem fehlen Treffpunkte und Safer Spaces für minderjährige Jugendliche.
Der Projektbericht schlägt vor, langfristig ein „zugängliches und lokal verfügbares psychosoziales Beratungsangebot für queere Jugendliche“ in Konstanz und Umgebung einzurichten. […] Hierfür wird auch die queere Community stärker mit einbezogen, um zielgruppengerechte Bedarfe abzufragen und zukünftige Angebote so zu gestalten, dass sie von der Zielgruppe angenommen werden.“
Die Stellungnahme des CSD Konstanz e.V.
An die Mitglieder des Gemeinderates Konstanz, Jugendhilfeausschuss
Queere Jugendliche sowie Ihre potenziellen Ansprechpersonen und Anlaufstellen brauchen Ihren Rückhalt! Im Moment sind diese in der Stadt Konstanz und im Landkreis Konstanz im Umgang mit Ihren Themen auf sich allein gestellt, obwohl es Möglichkeiten wie Fortbildungen, Qualifikationen für Fachkräfte und Vernetzungsmöglichkeiten etc. gibt.
Queere Jugendliche sind erwiesenermaßen eine vulnerable Gruppe! Die Verantwortung für qualifizierte Beratung queerer junger Menschen wird durch die Verantwortung Aller gegenüber den heranwachsenden Generationen in der Stadt Konstanz und im Landkreis Konstanz getragen.
Auf die Belange queerer Jugendlicher in der Stadt Konstanz und im Landkreis Konstanz muss mit konkreten Maßnahmen eingegangen werden.
Hierzu verweisen wir auf:
– den Projektbericht Niederschwellige Erstberatung für queere junge Menschen 2023,
– die Umfrage der Chancengleichheitsstelle bei potenziellen Anlaufstellen queere Jugendliche,
– Anfragen und Forderungen aus der Zivilgesellschaft, hier beispielhaft angeführt queere Kulturschaffende und queere Jugendorganisationen, welche mit ihrem ehrenamtlichen Engagement bestehende Bedarfe erkannt haben und aufzufangen versuchen,
– das aktuelle Positionspapier der Arbeitsgemeinschaft für Kinder- und Jugendhilfe (AGJ): „Mehr queer! Sexuelle und geschlechtliche Vielfalt im Jugendalter. Queer-sensibles pädagogisches Handeln in der Jugendarbeit“, das Sie hier finden,
– den Wochenbericht des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW): „Geringere Chancen auf ein gesundes Leben für LGBTQI*-Menschen“, siehe hier,
– die Podiumsdiskussion zum Thema „Queere Bildungsarbeit und Beratungsstellen im ländlichen Raum“ (online nach-hörbar) vom diesjährigen Queergestreift Filmfestival, die hier dokumentiert ist,
Wir wünschen uns von der Stadt Konstanz und damit ausstrahlend für den gesamten Landkreis ein klares Bekenntnis zur Situation junger, queerer Menschen und konkrete Maßnahmen für die spezifischen Belange der queeren Jugend.
Zeitlich begrenze Projekte müssen verstetigt und professionalisiert werden.
Den Bestandsaufnahmen bestehender Angebote und Defizite müssen konkrete Maßnahmen folgen!
CSD Konstanz e.V.
Der Vorstand
Text: CSD Konstanz e.V., Bild: Harald Borges, Stadt Konstanz
Schreiben Sie einen Kommentar