250214 Klimastreik Fahrradbrücke © Pit Wuhrer

„Das Klima nicht den Rechten überlassen!“

250214 Klimastreik Fahrradbrücke © Pit Wuhrer

Es war mal wieder eine ansehnliche Aktion, die Fridays for Future am Freitag zum internationalen Klimastreiktag auf die Beine stellte: Rund 500 Menschen zogen durch Konstanz, um an ein Thema zu erinnern, das im aktuellen Wahlkampf keine Rolle spielt. Dabei spielt die von vielen Parteien ignorierte Klimakatastrophe eine immer größere Rolle, auch bei der Migration.

Im vergangenen Jahr hat die globale Durchschnittstemperatur erstmals die 1,5-Grad-Schwelle überschritten. Der Januar 2025 ist der wärmste, der je gemessen wurde. Und in Konstanz hat sich die Durchschnittstemperatur in den vergangenen 62 Jahren – bei der letzten Seegfrörne 1963 – gleich um 2,5 Grad erhöht. Jetzt ist es hier im Durchschnitt so warm wie damals in Italien. 

Diese Infos stellte Richard Bartscher an den Anfang seiner Rede zum Klimastreiktag im Herosépark. Um ihn herum standen mehrere hundert Demonstrant:innen, deutlich mehr als bei den vergangenen Klimastreiks. Viele von ihnen, die zum Teil aus dem ganzen Landkreis angereist waren, hatten sich warm eingepackt: In der Nacht war Schnee gefallen – mittlerweile eine Seltenheit in Konstanz. 

Und doch ist die Lage an der Klimafront „hart und ernst“, wie Bartscher ausführte: „Im Moment haben wir alle Hände voll zu tun, um die Demokratie wieder auf die Beine zu bringen“, sagte er, rund eine Million seien letzte Woche gegen eine Partei auf die Straße gegangen, die sich ‚Partei der Mitte‘ nennt.“ Die Migration dominiere den Wahlkampf, bei den großen Partei rede niemand vom Klima, dabei sei doch offenkundig: „Die beste Maßnahme gegen Flüchtlingsströme ist Klimaschutz.“

Aktienkurse und Zuwanderung

Recht hat er. In den kommenden Jahren und Jahrzehnte werden Millionen zwangsweise migrieren, weil unser Wirtschaftssystem die Umwelt zerstört; im globalen Süden ist der Prozess längst im Gange. Und recht hatten auch alle, die danach mit ihren Plakaten auf der üblichen Demostrecke durch Konstanz zogen. „Klimaschutz statt Kohleschmutz“, „Menschenrechte nicht vergessen“, „Lässt du immer deine Kinder bezahlen?“, „Milliardäre besteuern, Klima retten!“

Angekommen auf der Marktstätte sprachen dann eine Vertreterin der Gruppe Greenpeace Bodensee und zwei Aktivistinnen vom Amnesty International. „Menschenrechte und Klimaschutz sind keine getrennten Themen, sondern Dimensionen, die fast alle Lebensbereiche durchdringen – von A wie Aktienkurse bis Z wie Zuwanderung“, sagten sie: „Doch wie eng sie miteinander verbogen sind, ist vielen nicht bewusst. Schauen wir in den Osten, in die Ukraine.“ 

Dann zählten sie auf: die U-Bahnschächte als Schutz vor dem Bombenhagel, die brennenden Krankenhäuser, die zerbombten Schulen, die verseuchten Flüsse, die verminten Felder, die in Brand gestreckten Wälder, der Giftschlamm im Dnjepr. „Doch kaum jemand spricht darüber, dass Putins Krieg auch einen Ökozid bedeutet.“

Kriminalisierter Klimaschutz

Im Westen wiederum wolle „der US-Präsident in seinem Wahn nicht nur Grönland schlucken, sondern auch Schutzgebiete plündern und weiter auf fossile Zerstörung setzen. ‚Drill, Baby, Drill‘, ruft er. Und meint damit: verbrennen, verheizen, verheben – unumkehrbar. Wenn dann Wälder in Flammen stehen, gibt er queeren Menschen die Schuld.“ 

Doch auch hierzulande erlebe die Bevölkerung immer häufiger extreme Wetterereignisse: Überschwemmungen, Dürre, Hitze. Wenn das so weitergehe, „wird die Landwirtschaft am Bodensee bald mit der Trinkwasserversorgung konkurrieren, weil es zu selten regnet und die Hitze den Boden austrocknet“.

Aber immerhin: „Wir haben hier in Konstanz einen direkt gewählten CDU-Abgeordneten, der als klimapolitikaffin gilt. Er gilt aber auch als großer Frankreichkenner und spricht kaum ein Wort Französisch.“ Andreas Jung, so die beiden Vertreterinnen von Amnesty International „hat die menschenverachtende Asylwende mitgetragen, auch wenn die in der schwersten Sitzungswoche seiner Karriere stattfand. Seine Parteikollegen haben in den letzten Jahren nicht nur Migrant:innen kriminalisiert, sondern auch Umweltaktivist:innen wie die Letzte Generation.“

Lauter als die Kettensägen

Daran sehe man – „bei allem Respekt für Jung“ – dass „autoritäre Regime, skrupellose Politiker:innen und rücksichtslose Industrien nicht nur die Umwelt zerstören, sie zerstören auch die Menschen, die sie verteidigen. Sie vergiften Flüsse und verhaften diejenigen, die es anprangern. Sie roden Wälder und bringen indigene Stimmen zum Schweigen.“

Der Schlussappell fand dann viel Beifall: „Doch wir sind viele. Überall auf der Welt stehen Menschen auf und sagen, nicht mit uns! Wir werden nicht schweigen! Wir werden nicht wegsehen! Denn die Zukunft gehört nicht den Kriegstreibenden, nicht den Umweltzerstörenden, nicht den Unterdrückenden! Sie gehört uns.“

Die Rede der Amnesty-Aktiven endete mit einem Versprechen („Wir kämpfen weiter für eine Welt, in der Klimagerechtigkeit unverhandelbar ist, in der Klima, Menschenrechte und Frieden untrennbar sind. Unsere Stimmen werden lauter sein als ihre Kettensägen, lauter als ihre Lügen, lauter als ihre Panzer“) – und mit einem trotzigen Spruch der äquatorianischen Indigenen: „Wir sind die Flut, der Wind und das Licht, das sie nicht aufhalten können.“

Vorher aber müssen Fridays for Future und mit ihnen die gesamte Klimaschutzbewegung wieder stärker werden. Angesichts der vorherrschenden Kombination aus politischer Ignoranz, allgemeinem Desinteresse und übergroßen Ängsten wird das nicht einfach werden.

Text und Fotos: Pit Wuhrer

250214 Klimastreik Schottenstrasse © Pit Wuhrer
250214 Klimastreik Greenpeace Gruppe © Pit Wuhrer
250214 Klimastreik Poster Markstätte © Pit Wuhrer
250214 Klimastreik Marktstätte2 © Pit Wuhrer

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