Zum 500-Jahre-Jubiläum des Bauernkriegs hat Casimir Bumiller ein informatives Buch mit Lokalkolorit über den Bauernkrieg im Hegau vorgelegt. Mit überragender Quellenkenntnis rekonstruiert er die Geschichte von der Hilzinger Kirchweih am 2. Oktober 1524 bis zur blutigen Niederschlagung des Aufstands und der Rache der Sieger im Juli 1525.
Das Werk schreibt eine frühere Pionierarbeit des Autors zum Thema fort, die 1998 im ersten Band der Hilzinger Ortschronik („Hilzingen – Geschichte und Geschichten“) erschien – und als einer von vielen Beiträgen in diesem Sammelwerk unterging und kaum rezipiert wurde. Bumiller arbeitet die Hegauer revolutionäre Erhebung als eigenständige, von den gleichzeitigen Aufständen im Schwarzwald, in Württemberg und in Oberschwaben zunächst unabhängige Bewegung heraus. Mit ihrem Bezug auf das jeweilige „alte Recht“ bleiben all diese Bewegungen anfangs isoliert und auf die jeweilige Herrschaft beschränkt.
Erst im weiteren Verlauf kommt es zu einem überregionalen Schulterschluss unter der ideologischen Klammer einer „Christlichen Bruderschaft“, die nun mit „göttlichem Recht“ gegen eine feudale Ordnung rebelliert, die mit Gottes Wort unvereinbar scheint. Doch wie soll diese neue Republik gestaltet werden? Neben zukunftsweisenden demokratischen Prinzipien (Freiheit, Gleichheit, Brüderlichkeit, Kommunalismus) enthielt die radikal-evangelische Ideologie der Bauern auch Elemente theokratisch-totalitärer Herrschaftsausübung bis hin zu Terror und Mord.
Erst Europa, dann der Hegau
Entlang von Bumillers Rekonstruktion der Ereignisse (dazu auch ein früherer seemoz-Beitrag) lernen wir die bäuerlichen Organisationsformen ebenso kennen wie die internen Auseinandersetzungen zwischen Radikalen und Gemäßigten. Wobei das Bemühen der Letzteren um einen Ausgleich mit den Herren von diesen immer wieder durchkreuzt wird, indem der Adel durchweg auf die militärische Karte setzt und Verhandlungen nur als Hinhaltetaktik benutzt.
Der Ereignisgeschichte voran stellt Bumiller eine Analyse der Rahmenbedingungen, unter denen sich die „Revolution des Gemeinen Mannes“ entwickelte. Auf globaler Ebene rekonstruiert er sowohl die politische Lage im Reich und in Europa als auch die Anfänge des Frühkapitalismus und die soziale Lage der Bauern. Das aufkommende Zeitalter der Renaissance in Kunst und Wissenschaft ermöglichte eine Überwindung des mittelalterlichen Weltbilds. Schließlich untersucht Bumiller den Zusammenhang zwischen der Reformation und dem Bauernkrieg, dazu unter dem Stichwort „Aufruhr in den Köpfen“ die damals kursierenden Weltuntergangs- und Endzeiterwartungen.
Im nächsten Schritt kommt der Hegau ins Visier. Bumiller behandelt nun auf regionaler Ebene die Rolle der Habsburger und der Kirche, macht uns mit der Krise des niederen Adels und den örtlichen Herrschaftsverhältnissen bekannt und wirft einen Blick auf das Verhältnis der Hegauer zur benachbarten Schweiz. Ein kurzer Epilog zu den Nachwehen der niedergeschlagenen Revolution rundet das Buch ab.
Das Buch im Oktavformat macht mit Hardcover-Einband, Fadenbindung und Vierfarbdruck einen hochwertigen Eindruck. Zahlreiche Illustrationen lockern den Text auf. Gewünscht hätte ich mir neben dem ausführlichen Verzeichnis von Literatur und benutzen Quellen auch ein solches für die Abbildungen – bei manchem Holzstich hätte ich doch gern gewusst, woher er stammt, und bei manchem Porträt, wo es heute hängt. Auch Namens- und Ortsregister sollten bei einem solchen Werk nicht fehlen.
Ungeachtet dieser kleinen Mängel ist Bumillers Werk eine regionalgeschichtliche Pionierarbeit auf hohem Niveau – und zugleich auch für interessierte Laien gut verständlich und spannend geschrieben. Diese Kombination trifft man leider viel zu selten.
Casimir Bumiller, „Der Bauernkrieg im Hegau“, 224 Seiten, ist 2024 im Gmeiner-Verlag erschienen und kostet 24 Euro.
Buchvorstellung mit Lesung und Diskussion am 2. Oktober, 19 Uhr, im Museum im Schlosspark Hilzingen.
Text und Foto: Ralph-Raymond Braun
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