Borges, Mechthild, Geige © Nebelhorn, Aufgenommen 3.8.1985

Bildung muss für alle erschwinglich sein

Borges, Mechthild, Geige © Nebelhorn, Aufgenommen 3.8.1985

Musiklehrer*innen, freischaffende ebenso wie die an Musikschulen oder anderen Einrichtungen tätige, sollen künftig für ihren Unterricht, sofern er nicht der Berufsausbildung dient, 19% Umsatzsteuer zahlen. Damit würden etwa die Klavierstunden für Kinder erheblich teurer und für manche Eltern unerschwinglich. Gegen diese Regierungspläne regt sich jetzt Widerstand.

Hier der von der Sängerin Saskia Saegeler unterzeichnete Petitionstext, redaktionell bearbeitet:

Der aktuelle Regierungsentwurf zum Jahressteuergesetz 2024 sieht eine Änderung des § 4 Nr. 21 a) bb) UstG mit weitreichenden Folgen vor. Das bisherige Bescheinigungsverfahren zur Befreiung von der Umsatzsteuer soll wegfallen und die Entscheidung darüber, ob Musikunterricht hochschul-/berufsvorbereitende „Bildungsleistung“ oder lediglich „Freizeitbeschäftigung“ (und damit umsatzsteuerpflichtig) ist, würde ab 2025 den Finanzämtern obliegen.

Unterricht erheblich teurer

Das bedeutet, dass sämtliche freiberuflich Unterrichtenden (auch Honorarkräfte an öffentlichen und gemeinnützigen Institutionen) die Inhalte und Motive ihres Unterrichts rechtfertigen müssten und möglicherweise in vielen Fällen von fachfremden Menschen falsch eingestuft werden würden. Jegliche Unterrichtsleistung würde daraufhin geprüft werden, ob sie tatsächlich berufsaus-, bzw. fortbildend (dabei ohne Gewinnerzielungsabsicht) ist.

Falls nicht, wäre sie als Freizeitgestaltung mit 19% USt zu besteuern. Dies würde existenzielle Folgen für freiberufliche Musikpädagog*innen und eine erhebliche Verteuerung von Instrumental-, Gesangsunterricht und musikalischer Früherziehung nach sich ziehen und den Zugang zu musikalischer (Aus-)Bildung enorm erschweren. Auch die Musik- & Bewegungspädagogik, qualifizierte Chorleiter*innen, sämtliche privaten Musikschulen, die Tanzpädagogik und viele weitere Bereiche der kulturellen Bildung wären betroffen.

Musik ist Bildung

Als Musikerin und Musikpädagogin sorge ich mich nicht nur um die Existenz meines Berufsstands und um die vielfältige Lebendigkeit des musikalischen Schatzes unserer Kultur, sondern auch um gerechte Bildungs- und Entwicklungsmöglichkeiten von Kindern, Jugendlichen und Erwachsenen.

Die Musikkultur in unserem Land würde darunter drastisch leiden, die Freude an der Musik und die in einer Vielzahl an Studien nachgewiesenen positiven Auswirkungen des Musizierens auf die Persönlichkeitsentwicklung, soziale, konzentrative, kreative und kognitive Fähigkeiten, werden weit weniger Kindern, Jugendlichen und Erwachsenen zugänglich sein!

Qualifizierter Musikunterricht ist in vielerlei Hinsicht immer eine Bildungsleistung! Kulturelle Bildung dient dem Gemeinwohl und ist im Sinne des Rechts auf Bildung unter allen Umständen umfassend zu schützen, zu fördern und muss für die Gesamtbevölkerung erschwinglich sein.

Berufsstand in Not

Gleichzeitig müssen Menschen, die diese Bildungsleistung ermöglichen, selbstverständlich ausreichend Gewinn erzielen, um davon leben zu können. In keinem Fall dürfen hierbei selbstständig Lehrende, die unsere Bildungslandschaft zu einem großen Teil tragen und deren Vielfalt gewährleisten, in irgendeiner Weise gesetzlich benachteiligt werden.

Laut EU-Richtlinie ist Bildung umfassend von der Umsatzsteuer zu befreien (Artikel 132 der MwStSystRL). Das schließt die Erziehung von Kindern & Jugendlichen, Schul- und Hochschulunterricht, Aus- und Fortbildung, berufliche Umschulung sowie alle mit den oben genannten eng verbundenen Leistungen mit ein – also jeden Unterricht, der sich auf Inhalte von Schul- und Hochschulunterricht bezieht. Die Einschätzung, was Bildungsleistung ausmacht, kann dabei niemals von einer Finanzverwaltung getroffen werden. Dies bedarf immer der qualifizierten Beurteilung durch mit Bildungsfragen betrauten Landesbehörden.

Die Petition

35 Verbände und Initiativen (darunter der Deutsche Tonkünstlerverband, der Deutsche Musikrat, der Bundesverband Deutscher Gesangspädagogen, der Bundesverband der Freien Musikschulen uvm.) fordern daher in einem Positionspapier, dass qualifizierter Musikunterricht grundsätzlich umsatzsteuerfrei bleiben muss.

Diese Umsatzsteuerfreiheit muss selbstverständlich auch für alle anderen kulturellen Bildungsbereiche, wie künstlerischer Tanzunterricht, Weiterbildung und generell alle Bildungsleistungen, die der Entwicklung kommunikativer Kompetenzen zugutekommen, gelten.

Sie können die Petition hier unterzeichnen.

Text: Petition, Bild: Nebelhorn, aufgenommen im August 1985

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