Unter dem sperrigen Titel „Zero Flächenverbrauch – Innen /vs/ Aussenentwicklung eine Herausforderung“ [sic!] luden NABU und BUND sowie die Bürgergemeinschaft Allmannsdorf-Staad (BAS) in den Speichersaal des Konzils. Wohl 150 Zuhörer:innen hörten dort Vorträge des Stadtplaners Kees Christiaanse und des Architekten Stefan Forster, die sich anschließend den Fragen des Publikums stellten.
Zu Beginn umriss Javid Zimmermann, Geschäftsführer des BUND, die Problematik. Pro Tag (!) werden in Deutschland 60 ha Fläche versiegelt, was etwa 80 Fußballfeldern entspricht. Zwar hat sich die grün-schwarze Koalition in Baden-Württemberg zum Ziel gesetzt, den Flächenverbrauch im Ländle bis 2035 auf Netto-Null zu reduzieren, doch fehlt es an konkreten Schritten, Gesetzen, Verordnungen, um dieses Ziel realisieren.
Im Gegenteil: Der Flächenverbrauch nimmt stetig zu, und dies besonders in Konstanz, wo mit dem „Handlungsprogramm Wohnen“ mehr als die dreifache Fläche versiegelt werden soll wie im Landesdurchschnitt. Der Volksantrag „Ländle leben lassen“ [URL www.laendle-leben-lassen.de] will solcherart Flächenfraß mit gesetzlichen Vorgaben entgegenwirken.
Geschosswohnungen statt Einfamilienhäuser
Von Kees Christiaanse, renommierter Stadtplaner und emeritierter Professor an der ETH Zürich, konnte man eigentlich kein Konzept für „Flächenverbrauch Null“ erwarten, war Christiaanses Büro doch Gewinner des Wettbewerbs um den Rahmenplan Hafner, und dies ist nun mal ein Projekt auf der grünen Wiese. Sein vom Blatt abgelesener, auf der Leinwand illustrierter Vortrag mit 13 Thesen über zeitgemäßen Städtebau wäre eine gute Diskussionsgrundlage für ein Seminar des Studiengangs Stadtplanung gewesen.
Für die Nicht-Experten im Publikum war er indes zu gehaltvoll und inhaltsschwer, sodass wohl nur einzelne Bruchstücke hängen blieben. Etwa, dass Einfamilienhäuser nun definitiv out sind, stattdessen Dichte (also Geschosswohnungsbau) angesagt sei; dazu flexibles Bauen, das spätere Nutzungsänderungen erlaube; auch wiederverwendbare Baustoffe und, nicht zu vergessen, Grün- und Wasserkorridore.
Zusammengefasst: Man kann auch auf der grünen Wiese gut bauen, wenn man es richtig macht.
Hauptsache ökologisch
Dieser Meinung war 2019 auch der Konstanzer Gemeinderat, als er fraktionsübergreifend einstimmig dem Rahmenplan Hafner zustimmte. Auch wer die von der BAS kritisierten Bauvorhaben auf den Christiani-Wiesen und dem Acker am Rande der Jungerhalde befürwortet, konnte sich bestätigt finden, soll es doch dort modellhaft etwas kompakter, nachhaltiger und mit weniger Stellplätzen zugehen. So Winfried Kropp, Pressesprecher des Mieterbunds, der in einem emotionalen Redebeitrag der BAS vorwarf, sie behindere hier genau das flächensparende Bauen, das sie auf der anderen Seite fordere.
BAS-Vorsitzender Sven Martin konterte die Philippika mit den Hinweis, ökologisches Bauen auf der grünen Wiese, exemplarisch am Tannenhof, sei in den 1990ern ein großer Fortschritt gewesen, doch heute sei man eben weiter und müsse solche Projekte im Bestand verwirklichen.
Wohnungsbau als Daseinsfürsorge
Hier kommt nun Stefan Forster als zweiter Referent ins Spiel. Spezialität seines Architekturbüros ist nämlich die Nachverdichtung im Bestand. Oder vielmehr die Innenentwicklung, wie’s die Baubranche heute lieber nennt, seit „Nachverdichtung“ eher negativ besetzt ist. Für Forster bedeutet Innenentwicklung nicht, noch den letzten lauschigen Innenhof im Paradies zu überbauen. Er setzt stattdessen aufs Aufstocken und den Austausch von Gebäuden.
Besonders die in den Nachkriegsjahren schnell und billig hochgezogenen Geschossbauten seien oft nicht erhaltenswert, sondern gehörten abgerissen und durch neue, kompakte und vor allem höhere Häuser ersetzt. Wenn es nach ihm geht: „Mindestens sieben Geschosse.“ Provokant seine Skepsis gegenüber Bürgerbeteiligung („Wir Architekten sind die Fachleute!“), bekannt das übliche Wettern gegen Bürokratie, interessant sein Plädoyer für Lowtech-Gebäude; geradezu sozialistisch gar sein Statement, man dürfe den Wohnungsbau nicht den Investoren überlassen, er sei vielmehr Aufgabe der öffentlichen Hand. Daseinsfürsorge eben, die sich nicht rechnen muss.
Dies sei auch der Konstanzer Lokalpolitik hinter die Ohren geschrieben: Sündenfälle wie Laubenhof und Siemens-Areal, die man bereitwillig dem Markt überlassen hat, dürfen sich nicht wiederholen.
Text: Ralph R. Braun, Bilder: seemoz
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