Engel Posaune Bearbeitet © Pixabay

Aus der Kirche auf den Fußballplatz

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Damals pfui, heute hui? So manchem heutigen Klassiker ist es so ergangen, zumal wenn er seiner Zeit so weit voraus war wie Ludwig van Beethoven. Eines seiner Werke, dem seine Zeitgenoss*innen teils mit ausgemachter Skepsis begegneten, ist seine Messe op. 86, die am Sonntag in Konstanz zusammen mit einigen Stücken Repräsentationsmusik von Händel aufgeführt wird.

Dass Publikum und Musikkritik sehr oft der musikalischen Entwicklung hinterherhinken und so mancher avantgardistische Komponist an der Engstirnigkeit seiner Mitmenschen hätte verzweifeln können, wenn er nicht so sehr von sich selbst überzeugt gewesen wäre, ist eine Binsenweisheit. Ein gutes Beispiel dafür ist Beethoven, dessen Messe in C-Dur op. 86 dem Auftraggeber bei der Uraufführung am 13. September 1807 ganz und gar nicht gefiel: „Die Messe von Beethoven ist unerträglich, lächerlich und scheußlich, ich bin nicht davon überzeugt, dass sie anständig aufzuführen wäre: ich bin wütend und es tut mich schämen.“

Hinsinken in den Staub

Zugegeben, der Autor dieser Zeilen, Nikolaus II. Esterházy de Galantha (der 1827 die Mainau kaufen sollte), war musikalisch verwöhnt: Bis 1790 hatte Josef Haydn 30 Jahre lang seiner ungarischen Fürstenfamilie den musikalischen Nachschub besorgt, und dessen handverlesener Nachfolger Johann Nepomuk Hummel war ein gefeierter Klaviervirtuose und Komponist. Aber offensichtlich war der Fürst in ästhetischen Fragen einer jener, die hofften, dass die guten alten Zeiten mit ihrer Musik niemals vergehen möchten.

Beethoven 1815, Gemalt von Willibrord Joseph Mähler (1778–1860) © Wikipedia, gemeinfrei

Auf der anderen Seite stand Ernst Theodor Wilhelm Hoffmann. Er benannte sich aus Verehrung für Mozart 1804 in Ernst Theodor „Amadeus“ Hoffmann um und wurde unter dem Namen E.T.A. Hoffmann berühmt – unter anderem auch als scharfsichtiger Musikschriftsteller. Er hatte von Beethoven eher eine Messe im Stil Haydns erwartet, „innere Zerknirschung bis zur Selbstverachtung und Schmach, Hinsinken in den Staub vor dem vernichtenden Blitzstrahl des dem Sünder zürnenden Herrn der Welten, bald kräftige Erhebung zu dem Unendlichen, […] Vorgefühl der verheissenen Seligkeit.“ Er hörte in Beethovens Messe zu seiner Überraschung statt Schauer und Entsetzen „den Ausdruck eines kindlich heitern Gemüths, das, auf seine Reinheit bauend, gläubig der Gnade Gottes vertraut und zu ihm fleht, wie zu dem Vater, der das Beste seiner Kinder will und ihre Bitten erhört.“

Der Jahrhundertkomponist

Ganz anders erging es dem Sachsen Händel mit seinem Publikum, als er 1727 Musik für die Krönung Georgs II. schrieb. Er war so berühmt und beliebt, dass das House of Lords extra zum Zweck seiner Einbürgerung den „Handel’s Naturalisation Act“ beschlossen hatte, weil der größte englische Komponist aller Zeiten (der er bis heute geblieben ist) einfach Brite werden musste. Seine Musik war derart populär, dass viele Menschen es gar nicht abwarten konnten, als bekannt wurde, dass Händel vier Hymnen auf biblische Texte für die Krönungsfeierlichkeiten am 11. Oktober komponierte. So schrieb „Parker’s Penny Post“ am 4. Oktober: „Der Termin für die Probe wird geheimgehalten, damit die Masse [des Publukums] die Musiker nicht behindere.“

Bei diesem Anlass sollte natürlich geprotzt und nicht gekleckert werden. Beteiligt an der Krönungsmusik waren nach zeitgenössischen Angaben „40 Vokalisten und etwa 160 Geigen, Trompeten, Oboen, Kesselpauken und Bässe im entsprechenden Verhältnis, außerdem eine Orgel, die hinter dem Altar aufgebaut wurde.“ Insgesamt also wohl um die 250 Musiker, die selbst in Westminster Abbey einen ordentlichen Krach gemacht haben dürften.

Händels pompöse Musik wurde diesen Erwartungen mehr als gerecht, und seit rund 300 Jahren wird sie bei sämtlichen Krönungszeremonien gespielt, zuletzt 2023 für Charles III. Noch stolzer hätte den Meister aber vermutlich gemacht, dass ein Stück aus „Zadok the Priest“ zur Hymne der UEFA Champions League umgeschrieben wurde.

Seien wir ehrlich: Diese Werke Händels haben das beim besten Willen nicht besser verdient.

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Sinfonischer Chor Konstanz, Bodensee Philharmonie
Solistinnen & Solisten: Verena Gropper (Sopran), Ulrike Malotta (Mezzosopran), Peter Schmitz (Tenor), Oliver Haux (Bass)
Wolfgang Mettler (Leitung)

Georg Friedrich Händel (1685–1759): Coronation Anthems (Zadok the Priest, Let thy hand be strengthened, The King shall rejoice, My heart is inditing)

Ludwig van Beethoven (1770–1827): Messe in C-Dur (Kyrie, Gloria, Credo, Sanctus, Benedictus, Agnus Dei)

Sonntag, 17.11.24, Einlass: 16.15 Uhr, Beginn: 17.00 Uhr, St. Gebhardskirche, St.-Gebhard-Platz 12, 78467 Konstanz

Karten: BuchKultur Opitz, St.-Stephans-Platz 45, 78462, Konstanz, und online.

Quellen: Wikipedia; Ludwig van Beethoven, Die Werke im Spiegel seiner Zeit. Gesammelte Konzertberichte und Rezensionen bis 1830 […], Laaber 1996; Christopher Hogwood, Händel, Stuttgart/Weimar 1992; Programmheft des Veranstalters.

Text: Harald Borges, Bild oben: LoggaWiggler auf Pixabay (bearbeitet), Bild unten: Beethoven 1815, gemalt von Willibrord Joseph Mähler (1778–1860) © Wikipedia, gemeinfrei

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