In seiner Sitzung am vergangenen Donnerstag beschloss der Gemeinderat das Kunststück, die Grundsteuer für viele zu senken und doch weiterhin gleich viel Geld damit einzunehmen. Außerdem ging es um mehr Sicherheit – beziehungsweise Sicherheitsgefühl – zu dunkler Stunde und um die Heilung einer seit 90 Jahren schwärenden Wunde.
Der Gemeinderat beschloss einstimmig und ohne Debatte den neuen Grundsteuerhebesatz von 168 Prozent. Die Grundsteuer bleibt damit aufkommensneutral, die Stadt nimmt künftig nicht mehr ein als bisher – im letzten Jahr rund 18 Millionen Euro.
Für knapp zwei Drittel der Grundstücke wird die Steuerbelastung gleich bleiben oder sinken. Insbesondere werden fast alle Mietwohnungen entlastet. Der Grund ist einfach. Außer am Bodenwert hängt die Steuerlast an der Größe des Grundstücks – je größer, desto teurer. Im Geschossbau, und die allermeisten Mietwohnungen sind ja in Mehrfamilienhäusern, stehen auf dem Grundstück dann aber mehrere Etagen. Oft ist die Summe der Geschossflächen gar größer als das Grundstück. Und je dichter und höher das Grundstück bebaut ist, desto geringer ist die auf einen Quadratmeter Wohnfläche entfallende Steuerlast.
Mehr Grundsteuer als früher bezahlen müssen hingegen vor allem die Besitzer:innen großer, nur mit einem Ein- oder Zweifamilienhaus bebauter Grundstücke. In Extremfällen, wo auf einem baureifen Grundstück vielleicht nur ein Schopf oder gar nichts steht, steigt die Steuerbelastung um mehr als das Hundertfache.
In der Bürgerfragestunde beklagte der im Sierenmoos wohnende Bausachverständige Reiner Nagel, er und seine Nachbarn müsste nun mehr zahlen als früher, obwohl doch Baurecht und Denkmalschutz ihnen gar nicht erlauben würden, ihre Gartengrundstücke dichter zu bebauen. Schönes Wohnen wie im Sierenmoos hat seinen Preis.
Nächtens Zwischenhalte bei Busfahrten und Frauentaxis
Wohl zufällig zeitgleich beantragte zum einen die CDU, ab 21 Uhr sollten Fahrgäste der Stadtbusse auf Wunsch auch zwischen einzelnen Haltestellen aussteigen können; zum anderen wünschten die Grünen, die Stadt möge „Gutscheine für Frauen und weiblich gelesene Menschen für Taxifahrten in der Nacht bereitstellen.“ Begründet wurde beides damit, man könne so das Sicherheitsempfinden der Bevölkerung (CDU) beziehungsweise die Sicherheit der Frauen und „weiblich gelesenen Menschen“ (Grüne) verbessern.
Die Verwaltung befürwortete beide Anträge im Prinzip. Bat aber um mehr Zeit, um etwa die Bushalte mit den Fahrer:innen zu besprechen oder die Praxis anderer Kommunen in Sachen Nachttaxi darauf zu prüfen, was für Konstanz denn am geeignetsten sei. Wichtig war es einzelnen Rät:innen und dem OB zu betonen, dass Konstanz im Vergleich etwa mit Mannheim oder Freiburg eine sehr sichere Stadt sei.
Die Idee der zusätzlichen Bushalte fand bei den Gemeinderät:innen einhellige Zustimmung. Anders das Frauentaxi. Hier missfiel der FDP, der einzigen nur mit Männern besetzten Ratsfraktion, dass das Vorhaben ja Geld kosten würde und auch Männer sich nachts unsicher fühlen würden. Da wünsche man sich doch eine Gleichbehandlung – und stimmte deshalb gegen den Antrag.
Wollmatinger Autonomie – oder gar Ausgliederung?
Während die Zuschauerplätze im Ratssaal gemeinhin nur spärlich besetzt sind, kamen diesmal so viele Besucher:innen, dass einige sogar stehen mussten. Gekommen war gefühlt halb Wollmatingen, um Wiedergutmachung für ein böses Unrecht zu verlangen, nämlich für die von den Nationalsozialisten ihrem früher selbstständigen Dorf zugefügte Zwangseingemeindung nach Konstanz.
Die CDU-Fraktion, getrieben wohl vor allem von ihrem früheren Mitglied „Mister Wollmatingen“ Daniel Groß, machte sich zum Sprecher der Unterdrückten und beantragte, man möge für Wollmatingen in den Grenzen von 1934 umgehend einen Bezirksbeirat einrichten und bis zu den nächsten Wahlen gar eine Ortsverwaltung samt Budget und vom Volk zu wählenden Ortschaftsrat aufbauen, so wie es etwa die Dettinger:innen haben.
Um dem Ansinnen Nachdruck zu verleihen, überreichte der auch als Fasnachter bekannte Wollmatinger Horst Oehri dem Oberbürgermeister eine Petition mit 814 Unterschriften. Man wolle mehr Mitsprache in Sachen, die den Stadtteil beträfen, so etwa beim Hafner.
Vertagung ist ja ein bewährtes Mittel, um die Gemüter zu beruhigen und etwas Druck aus dem Kessel zu nehmen. Und so hatte der OB im Einvernehmen mit der CDU schon im Vorfeld der Sitzung beschlossen, diesen Punkt von der Tagesordnung abzusetzen und zunächst im Haupt-, Finanz- und Klimaausschuss zu beraten. Es sei ein großes Thema, und da seien ja auch Allmannsdorf, Petershausen und und und … „Eine Sonderbehandlung nur eines Stadtteils scheint aus Sicht der Verwaltung nicht empfehlenswert.“
Zudem die Kosten. Schon für das Erarbeiten eines Konzepts zur Einführung von Bezirksbeiräten wäre mit einem Personalaufwand von circa 30 bis 50 Personenarbeitstagen zu rechnen, eventuell würden noch weitere Kosten für eine externe Rechtsberatung anfallen.
Der Wollmatinger Haufen musste also unverrichteter Dinge wieder abziehen. Doch nicht ohne zuvor in der Bürgerfragestunde vorgetragen zu haben, der Eingemeindungsvertrag habe Wollmatingen damals das Fortbestehen seines Gemeindebüros, des Standesamts und des Schlachthauses zugesichert – alles Leistungen, die über die Jahre still und leise abgebaut worden wären. Man fühle sich bei Themen wie der Neugestaltung des Ortskerns, der Verkehrsführung und der Nachverdichtung zu wenig gehört.
Das ist jetzt alles kein Scherz, sondern hat sich wahrhaft so zugetragen. Wer’s nicht glauben mag, der komme zur Fortsetzung der Posse am 14. November in den Haupt-, Finanz- und Klimaausschuss.
Text und Foto (Horst Oehri und OB Uli Burchardt bei der Unterschriftenübergabe am 24. Oktober 2024): Ralph-Raymond Braun
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