Bodmanhaus Gottlieben Literaturhaus Thurgau 01 2024 08 29 © Harald Borges

Auch von Literatur kann man nicht genug kriegen …

Bodmanhaus Gottlieben Literaturhaus Thurgau 01 2024 08 29 © Harald Borges
Literaturhaus Thurgau im Bodmanhaus Gottlieben © Harald Borges

Bei Gottlieben denken viele Menschen – zugegeben – zuerst einmal an die leckeren Hüppen. Aber dort, wo der Seerhein am idyllischsten ist, steht auch das bemerkenswerte Bodmanhaus, ein traditionsreiches Gebäude, das als Literaturhaus Thurgau zur Begegnung mit Autor*innen und deren Werken einlädt.

Bereits in dieser Woche beginnt ein Programm, das bis Weihnachten rund ein Dutzend Veranstaltungen vorsieht. Wir bieten Ihnen hier einen Überblick, und vielleicht kennen Sie ja den einen oder anderen Namen schon oder stoßen auf ein Werk, das Sie anspricht …

Donnerstag, 5. Sept. 2024, 19.30 Uhr, Fanny Desarzens, „Berghütte“
In diesem Roman geschieht fast nichts. Es geht um eine Freundschaft dreier Männer, die ihr Leben der Liebe zu den Bergen widmen. Paul ist Hüttenwart, Jonas und Galel sind Bergführer. Ihre letzte Wanderung geht immer zur Baïta, bevor sie ins Tal müssen, fast wie in den Winterschlaf. Mit wenig Wörtern wird die Schönheit, aber auch das Bedrohliche der Berge evoziert, der Stein, der Fels, die kargen Wiesen, in einem Rhythmus, der den schweren Wanderschritten gleicht – eine Sprache, der man sich schwer entziehen kann.
Die Übersetzerin Claudia Steinitz liest den deutschen Text, Cornelia Mechler moderiert.

Donnerstag, 19. Sept. 2024, 19.30 Uhr, Fabiano Alborghetti, „Maiser“
In Versform und einer bilderreichen, starken Sprache erzählt Fabiano Alborghetti die Geschichte eines armen Paares, das in den Fünfzigerjahren von Umbrien in die Schweiz einwandert, wie so viele. „Maiser“ nannte man sie oder „Polentafresser“. Wir verfolgen die Geschicke dieser Familie, die es zu einem bescheidenen Wohlstand bringt, langsam dazugehört und sich dennoch nach Umbrien sehnt, dort aber nicht mehr dazugehört. Ihr Schicksal steht exemplarisch für unzählige ähnliche Schicksale.
Die Übersetzerin Klaudia Ruschkowksi liest den deutschen Text, Lorenz Zubler moderiert.

Sonntag, 29. Sept. 2024, 11.00 Uhr, Herbstmatinee MundArt
Tanja Kummer: „Bigoscht“, Francesco Micieli: „Der lachende Zahn meiner Grossmutter“, Wolfgang Nöckler: „Ich leih mir kurz mal dein Gesicht“, Nadia Rungger: „Das Blatt mit den Lösungen“. Moderation Dr. Heike Brandstädter
Was Kunstschaffenden aus der Feder fließt, kommt nicht unmittelbar von Herzen, sondern ist vielfach bearbeitet: als Gedicht in eine Form gebracht, als Geschichte konstruiert. Was macht das Formen eines Textes aus – besonders, wenn Mehrsprachigkeit oder ein Dialekt im Spiel ist?
Dieser Frage geht die Matinee nach – mit Gästen, die in mehreren Sprachen schreiben: Tanja Kummer in einer Melange aus Thurgauer Dialekt und Hochdeutsch; Francesco Micieli in Texten mit französischen und italienischen Einsprengseln; Wolfgang Nöckler auf Deutsch und in Teldra; Nadia Rungger in deutscher und ladinischer Prosa.
Bei einem moderierten Gespräch werden die Gäste Kostproben ihrer Texte und Einblicke in ihre Arbeit geben. Im Anschluss Apero Riche und Nachlese (weitere Infos auf der Webseite).

Donnerstag, 3. Okt. 2024, 19.30 Uhr, Franzobel, „Einsteins Hirn“
Angelehnt an eine wahre Begebenheit entfaltet Franzobel in „Einsteins Hirn“ die Lebensgeschichte von Thomas Harvey. Nach Einsteins Tod 1955 entfernt der Pathologe dessen Gehirn, um das Geheimnis seiner Genialität zu erforschen. Er tingelt damit 42 Jahre durch die amerikanische Provinz, erlebt John F. Kennedys Wahl zum Präsidenten, Woodstock, Watergate und das Ende des Vietnamkriegs. Irgendwann beginnt das Hirn, mit Harvey zu sprechen. Franzobel, einer der kreativsten deutschsprachigen Autoren, präsentiert einen Roman voller witziger sprachlicher Einfälle, der zugleich eine tragisch-traurige Seite entfaltet.
Moderation Manfred Papst.

Donnerstag, 24. Okt. 2024, 19.30 Uhr, Dominique Haensell, „The White Rasta“
Die Stipendiatin der Thurgauischen Bodman-Stiftung, Dominique Haensell, ist Autorin, Übersetzerin und Co-Chefredakteurin des feministischen „Missy Magazines“. In ihrem Roman „The White Rasta“, der nächstes Jahr erscheinen wird, setzt sie sich mit dem Kolonialismus im Kontext einer Familiengeschichte auseinander. Als ausgewiesene Kennerin der zeitgenössischen afrodiasporischen Literatur gewinnt sie eine vielschichtige Perspektive zur Aufarbeitung dieses in der Literatur lange vernachlässigten Themas. Sie stellt ihr Projekt vor und spricht über die Schnittstellen ihrer Arbeit.
Moderation Walter Rügert.

Donnerstag, 31. Okt. 2024, 19.30 Uhr, Moshtari Hilal, „Hässlichkeit“
Selbstbilder und -zweifel, braune Zähne, große Nase: Moshtari Hilal schreibt von Beauty Salons in Kabul als Teil der US-Invasion, von Darwins Evolutionstheorie, Kim Kardashian und von einem utopischen Ort im Schatten der Nase. Ihre Analysen, Erinnerungen, Bildzitate und Zeichnungen führen in jenen innersten Bereich, in dem jedes Selbstverständnis auf dem Prüfstand steht. Intim und hochpolitisch setzt sich die Künstlerin, Kuratorin und Autorin mit Normen auseinander, mit denen wir uns traktieren.
Moderation Cornelia Mechler.

Donnerstag, 14. Nov. 2024, 19.30 Uhr, Thomas Dütsch, „Zwischenhoch“, Cornelia Roffler, „Eigentlich gut“
Glücklich, wer auf eins der raren Gedichte von Thomas Dütsch stößt. Der Titel seines dritten Gedichtbandes ist eine Wettermetapher – „Zwischenhoch“. Es mag vorübergehen, aber es ist da, wenn man es zu empfinden vermag. Auslöser für die Gedichte ist oft ein unscheinbarer Moment. Es sind kleine Pausen des Wartens in einem Café oder des Ausruhens auf einer Parkbank, die unversehens eine Erfahrung bereithalten.
Ob unter dem Sonnenschirm, am See oder im Kunsthaus: Auch Cornelia Rofflers Geschichten entfalten sich unspektakulär – bei den Treffen einer Runde von Freundinnen. Gesprochen wird über Geheimnisse, Lügen, das Leben und die Liebe, und dies auf eine federleichte und zugleich kluge Art, die zum Lachen und Nachdenken gleichzeitig anregt. „Eigentlich gut“ ist das zweite Buch der Autorin und führt tief ins eigentlich gute Leben.
Moderation Gallus Frei-Tomic, Musikalische Begleitung Chris Wirth.

Freitag, 22. Nov. 2024, 19.30 Uhr, Levin Westermann, „Zugunruhe“
Der Titel von Levin Westermanns Debutroman „Zugunruhe“ ist ein Begriff aus der Ornithologie, der die Rastlosigkeit von Vögeln vor dem Vogelzug bezeichnet, das Gefühl, an einem Ort zu sein, den es zu verlassen gilt. Als unwirtlich und verloren erscheint dem Protagonisten im Roman die Welt. Flankiert von Katastrophenmeldungen, Krieg und Klimakrise streift er durch Landschaften und notiert die ungezügelte Zerstörungswut der Menschen. Es ist auch ein emphatisches Protokoll des Aufbegehrens gegen den drohenden Untergang.
Moderation Prof. Dr. Philipp Theisohn.

Donnerstag, 28. Nov. 2024, 19.30 Uhr, Michael Stauffer, „Glückspilzbank“
Gibt es eine Alternative zur ständigen Geld- und Kapitalvermehrung mit ihren selbstzerstörerischen Tendenzen? Die Antikapitalistin Mikka und der smarte Andreas gründen eine Bank, die, wie sie meinen, die Welt rettet.
„Glückspilzbank“ beschreibt die Wirklichkeit als Groteske. Mit subversivem Humor stellt der Autor die Grundidee der Akkumulation von Kapital auf den Kopf und imaginiert die Geldauflösung als nie gedachten Ausweg aus der Dynamik, in der die Welt gefangen scheint.
Moderation Walter Rügert.

Donnerstag, 5. Dez. 2024, 19.30 Uhr, Hildegard Keller, „Die Alfonsina-Storni-Bücher“
Hildegard Keller hat die erste deutschsprachige Werkausgabe von Alfonsina Storni übersetzt und die reich illustrierte Biografie zu ihr geschrieben. Nach vier Jahren im Tessin kam Alfonsina 1896 nach Argentinien. Von 1912 bis zu ihrem Freitod 1938 ging sie ihren Weg in der Großstadt Buenos Aires als alleinerziehende Mutter, Journalistin, Erzählerin, Theaterfrau und Lyrikerin. Hildegard Keller präsentiert eine aufregend neue Alfonsina Storni, eine mutige Stimme der lateinamerikanischen und der Schweizer Literatur des 20. Jahrhunderts.
Moderation Lorenz Zubler.

Donnerstag, 12. Dez. 2024, 19.30 Uhr, „Der alte König in seinem Exil“. Theater am Tisch mit Hans Rudolf Spühler, Marcus Schäfer und Willi Häne (Akkordeon)

Arno Geigers Erfolgsbuch „Der alte König in seinem Exil“ ist eine Liebeserklärung an seinen dementen Vater. Das Theater am Tisch macht daraus ein Gespräch zwischen Vater (Hans Rudolf Spühler) und Sohn (Marcus Schäfer), die sich näher kommen als je zuvor. Willi Hänes Akkordeonmusik füllt die Lücke zwischen Erinnerung und Illusion. Das Stück wurde bereits an verschiedenen Orten sehr erfolgreich aufgeführt. Ein literarischer Abend der besonderen Art.

Praktische Informationen

Literaturhaus Thurgau, Am Dorfplatz 1, CH-8274 Gottlieben, Reservation: T +41 (0)71 669 34 80 oder sekretariat@bodmanhaus.ch. Eintritt CHF 15.–, Ermäßigte Eintrittspreise: CHF 10.– für Mitglieder der „Freunde des Bodmanhauses“, CHF 5.– in Ausbildung und KulturLegi.
http://www.literaturhausthurgau.ch

Text: Veranstalter/red.

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