Saynotodiskimination Unikn © Manuel Oestringer

Anti-palästinensischer Rassismus an der Uni Konstanz

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Saynotodiskimination Unikn © Manuel Oestringer

Über dem Eingang der Universität hängt ein Banner, das mit großen Buchstaben den Passant:innen zuruft: „Sag Nein zu Diskriminierung“. Das klingt gut. Getan ist die Antidiskriminierungsarbeit damit aber noch nicht. Und wenn es um Diskriminierung von muslimisch und arabisch wahrgenommenen Personen geht, dann scheint die Uni-Verwaltung eher passiv zu sein.

So zumindest lautet der Vorwurf der studentischen Hochschulgruppe Students for Palestine. Bereits im August veröffentlichte sie einen offenen Brief, in dem sie der Universität vorwarf, nichts dagegen zu tun, dass sich „palästinensische, muslimische und jüdische Studenten“ an der Universität nicht mehr sicher und akzeptiert fühlen.

Im Brief schrieb die Gruppe: „Es gab zwar Seminare zum Thema Antisemitismus, aber es wurden keine Maßnahmen ergriffen, um gegen anti-muslimischen, anti-arabischen und anti-palästinensischen Hass vorzugehen. Genauso werden nichtzionistische jüdische Studierende, die Frieden und ein Ende des Krieges wollen, ignoriert.“

Die Mitglieder der Hochschulgruppe sind nicht die einzigen, die sich über regelmäßigen Alltagsrassismus auch an der Uni beklagen. So berichten viele als arabisch wahrgenommene Menschen, dass sie von Passant:innen als Terroristen beschimpft oder anderweitig rassistisch beleidigt wurden.

Wer feiert da den 7. Oktober?

Ein Vorfall bestätigte die Vorwürfe der Students for Palestine. Kurz vor dem 7. Oktober beklebten Unbekannte die Pinnwand der Students for Palestine mit rassistischen, verhetzenden Zetteln. Auf einem war zu lesen: „1 Jahr nach dem 7. Oktober essen wir Baklava.“ Darunter auf Arabisch: „Wer isst jetzt Baklava, ihr Nutten?“ Sowie auf Hebräisch „am Israel chai“ („das Volk Israel lebt“), sowie auf arabisch und lateinisch „Allahu Akbar“ und ganz am Ende „Allah stands with the Jews“.

Das Perfide an diesem Zettel: Nur wer der arabischen Sprache mächtig ist, versteht, dass er eine Beleidigung von Palästinenser:innen darstellt. Für alle anderen wirkt es, als feierten die Students for Palestine den Jahrestag des 7. Oktobers, des Überfalls von Hamas auf israelische Zivilist:innen.

Auf einem weiteren Zettel war eine Wassermelone zu sehen, in der ein Hackbeil steckt, dazu die Aufschrift „Fuck Palestin“. Die Wassermelone ist, nachdem in Israel 1967 die palästinensische Flagge verboten wurde, ein palästinensisches Nationalsymbol.

Die Zettel wurden entfernt – und kurz danach wieder angebracht. Diesmal wurde der Zettelkleber jedoch erwischt und zur Rede gestellt. Er beschimpfte daraufhin die palästinensische Person auf rassistische Weise. Die Betroffenen erstatteten daraufhin bei der Polizei Anzeige wegen Volksverhetzung.

Moderne Begriffe, falsche Zuschreibung

Ähnlich unangenehm waren dann Gespräche mit dem Antidiskriminierungsbüro der Universität. Auf die Diskriminierungserfahrung angesprochen, wurde den Betroffenen vorgeschlagen, ein Gespräch mit einer „jüdisch gelesenen Person“ zu führen, die kürzlich Antisemitismus erfahren habe. Eine bemerkenswerte Idee, die gleich zwei Fragen aufwirft: Warum wird bei traumatisierenden Diskriminierungserfahrungen vorgeschlagen, verschiedene diskriminierte Gruppen gegeneinander in den Dialog zu schicken? Und wie sieht eine „jüdisch gelesene“ Person aus?

Denn der Begriff wird in der Regel kaum verwendet. Anders als etwa bei Menschen muslimischen Glaubens oder solchen, die anhand äußerer Merkmale einer vermeintlich „arabischen Welt“ zugeordnet werden – unabhängig von ihrer tatsächlichen Herkunft oder Religion – wird das Judentum in der westlichen Moderne selten als rassifizierte Religion wahrgenommen. 

Menschen jüdischen Glaubens oder jüdischer Herkunft werden seltener ausschließlich anhand äußerer Merkmale als „jüdisch gelesen“ (als „jüdisch wahrgenommen“) identifiziert, da antisemitische Diskurse häufig auf symbolischen Zuschreibungen beruhen. Aus diesem Grund ist der Begriff „arabisch gelesen“ geläufig, während „jüdisch gelesen“ kaum Verwendung findet. 

Was auf den ersten Blick wie eine marginale terminologische Unstimmigkeit erscheinen mag, offenbart bei genauerer Betrachtung jedoch ein größeres Problem. Dass ein Antidiskriminierungsbüro mit Begriffen arbeitet, die solche Zusammenhänge ignorieren, ist bezeichnend.

Wortreiche Untätigkeitserklärung

Das Antidiskriminierungsbüro war für die Diskriminierten also eher keine sichere Anlaufstelle. Ihr Eindruck verstärkte sich noch durch die Mitteilung, dass die Universität nichts unternehmen werde. „Diskriminierende Vorfälle, darunter der von Ihnen genannte Vorfall an der Pinnwand der Hochschulgruppe „Students for Palestine“, werden an der Universität in einem vertraulichen und anonymen Rahmen behandelt, zum Schutz der Betroffenen. Die Universität reagiert auf die Vorfälle (durch Unterstützung der Betroffenen, indem Strafanzeige erstattet wird etc.), die Vorfälle werden aber nicht öffentlich bekanntgemacht“, heißt es in einem Schreiben der Verwaltung.

Und weiter: „Im von Ihnen genannten Fall reagierte die Universität zusätzlich, indem sie im Newsletter Einblick auf den Umgang mit diskriminierenden Plakaten aufmerksam machte (Einblick 19/2024, 15. Oktober 2024) – selbstverständlich ohne den konkreten Vorfall zu benennen. Zudem wurden im letzten Jahr wiederholt die Anlaufstellen bei Diskriminierungsfällen über die universitären Kanäle beworben.“

Dabei hatten die Betroffenen, die eine Beschwerde eingereicht hatten, explizit darum gebeten, dass die Universität in einer Rundmail auf den existierenden anti-palästinensischen Rassismus hinweist und benennt, dass es bereits mehrfach zu diskriminierenden Erfahrungen kam. Stattdessen enthielt eine Rundmail lediglich einen Abschnitt zu den Plakatierungsrichtlinien, der darauf hinwies, dass Plakate, die gegen geltendes Recht verstoßen oder diskriminierende Inhalte haben, nicht zugelassen seien.

Nimmt also die Universitätsverwaltung die Erfahrungen und Bitten der Betroffenen nicht ernst? Und zieht sich unter dem Vorwand, die Beschimpften zu schützen, still und leise aus der Affäre? 

Zweierlei Maß?

Denn ganz anders reagierte die Universitätsverwaltung auf antisemitische Schmierereien. Da verschickte sie eine Rundmail und veröffentlichte eine Pressemitteilung, in der sie die Vorfälle verurteilte. Danach bot die Universität zahlreiche Seminare gegen Antisemitismus an.

Gelten für die Universität in dieser Hinsicht also zwei Maßstäbe? Danach befragt, erklärte die Verwaltung: „Im Fall von antisemitischen Inhalten sah die Universität im letzten Jahr eine besondere Relevanz: Der größte Teil der diskriminierenden Schriftzüge, die seit Oktober 2023 an der Universität auftauchten, war antisemitischen Inhalts. Im Fall der Schmierereien im Innenhof der Universität lag zudem eine besondere, universitätsweite Sichtbarkeit vor. Aus diesem Grund entschied sich die Universität zu einer öffentlich sichtbaren Reaktion.“

Um besser gegen anti-palästinensischen Rassismus vorgehen zu können und dafür zu sensibilisieren, hat nun die Gruppe Students for Palestine mit weiteren Unterstützer:innen eine Resolution gegen “Anti-palästinensischen Rassismus“ dem Studierendenparlament der Uni Konstanz vorgelegt und erfolgreich verteidigt.

Konkrete Auswirkungen hat der Beschluss erstmal noch nicht. Aber er setzt ein Zeichen und schafft Awareness für die Menge und Schwere der Diskriminierungserfahrungen, die auch in der Uni Raum finden. Ob die Resolution in dieser Form auch anderen Stellen vorgelegt wird, bleibt abzuwarten.

Text und Fotos. Manuel Oestringer

9 Kommentare

  1. Christina Herbert-Fischer

    // am:

    Ich gestehe, mir ist die ganze Diskussion zu hoch. In Deutschland werden, das lässt sich nicht abstreiten, muslimische und arabischstämmige Menschen, People of Colour, Juden, Sinti und Roma, wie auch behinderte Menschen, Arme, Alte und andere marginale Gruppen leider oft diskriminiert. Manchmal strukturell, manchmal unbewusst, manchmal bewusst, geschieht, was nicht geschehen sollte und den Zusammenhalt von Gesellschaft und Demokratie gefährdet. Dann gibt es noch Meinungen und politische Statements, denen man nicht zustimmen muss. Mit Respekt für die Anderen ist freie Meinungsäußerung eines unserer Grundrechte. Beleidigungen, Schmierereien, Gewalt und alle Formen offensichtlicher Diskriminierung gehört nicht dazu, egal von wem geäußert, egal wer betroffen ist. Das sollte doch verständlich sein und keine Diskussionen in der Art, wie hier teilweise geführt, mit sich bringen. Es ist wohl doch so, das erschreckt mich.

  2. Dr. Peter Krause

    // am:

    Wenn ich den Kommentar der Gruppe SfP lesen, habe ich den Eindruck, dass es innerhalb der Konstanzer Gaza-Solidaritäts-Bewegung (um diese heterogene Gruppe verkürzt und sicher unzutreffend zu bezeichnen) einigen Beratungsbedarf geben könnte.
    Schauen wir mal.
    Aber noch ein Kommentar sei mir gestattet: Warum am Schwarzen Brett der SfP behauptet wird, dass Maria, Josef und Jesus Palästinenser gewesen seien, erschließt sich mir nicht so richtig.
    Aber nachdem Renate Künast eine ähnliche Behauptung wohlwollend weitergeleitet hat – so nennt man das heute wohl -, sind meine Zweifel am deutschen Bildungssystem noch größer geworden.
    Aber das wichtigste Anliegen von Propaganda ist ja mitnichten die Wahrheit. Von daher liegt die Ursache für diese (ich bitte um Verzeihung!) dümmliche Behauptung wohl nicht primär in einem vorhandenen Bildungsdefizit.
    Wie dem auch sei: Ein gesegnetes Weinukka!

  3. Students for Palestine (Konstanz)

    // am:

    Wir begrüßen es sehr, dass das Thema öffentlich diskutiert wird, sind aber besorgt darüber, mit welchen Implikationen dies hier geschieht.
    Denn: dieser Artikel entstand NICHT in Kooperation mit uns, wurde NICHT von einem unserer Mitglieder verfasst, und auch Inhalt und Veröffentlichung wurden NICHT klar mit uns abgesprochen. Zwar wird Students for Palestine (Sfp) an mehreren Stellen explizit genannt, jedoch ist dieser Artikel als Arbeit über uns und nicht von uns zu verstehen.
    Gerade wegen diesem Bezug zu SfP und den Inhalten des Textes ist es uns wichtig einige inhaltliche Anmerkungen zu machen. Über die Feiertage ist es uns nicht möglich uns zusammenzusetzen und eine umfassende Stellungnahme zu formulieren. Das Folgende beschreibt somit nicht unsere generelle Position, sondern einige für uns wichtige Punkte, die wir nicht unkommentiert lassen wollen.

    Bei unserer Bemühung zur Sensibilisierung für anti-palästinensischen Rassismus, ist es für uns grundlegend anzuerkennen, dass verschiedene Diskriminierungsformen generell in keiner Hierarchie zueinander stehen. Durch Gegenüberstellung von Antisemitismus und anti-palästinensischem Rassismus kann der Eindruck entstehen, dass Aufklärungsarbeit zu diesen Diskriminierungsformen nicht miteinander vereinbar ist. Dies ist nicht der Fall. Dass eine Gegenüberstellung stattfindet, womit diese Formen als Gegenpole dargestellt und unterschiedlich behandelt werden, sehen wir als Teil des Problems, welchem der Artikel sich widmet und nicht gerecht wird.

    Auch die vom Autor getätigten Aussagen zu jüdisch-gelesenen Personen, sehen wir als höchst problematisch. So stelle die Nutzung des Begriffes „jüdisch gelesen“ ein Fehler seitens der Antidiskrimierungsberatung dar, da „ […] das Judentum in der westlichen Moderne selten als rassifizierte Religion wahrgenommen […]“ würde, sodass es keine generellen Merkmale gäbe, aufgrund derer auch nicht-jüdische Personen Antisemitismus erfahren könnten. Es handle sich somit um einen leeren Begriff, während „arabisch-gelesen“ aufgrund einer tatsächlichen stattfindenden Rassifizierung arabischer Personen zulässig sei.
    Hier möchten wir in drei Punkten widersprechen.
    1. Zu behaupten das Judentum sei keine rassifizierte Religion könnte nicht ferner der Realität sein. Es ist eben diese Rassifizierung jüdischer Personen, welche allzu oft eine Grundlage für ihre Verfolgung, Vertreibung und Vernichtung bildet. Dies zur Debatte zu stellen ist nicht vertretbar.
    2. Auch dem Vergleich zwischen „arabisch gelesen“ und „jüdisch gelesen“ verweigern wir uns. Allein der Versuch den ersten Begriff in Abgrenzung zum zweiten zu legitimieren, und hierbei nahezulegen ersterer sei berechtigter als der andere legt unberechtigterweise verschiedene Rahmenwerke für diese Diskriminierungsformen zugrunde.
    3. Auch die Konklusion, die der Autor aus dem ganzen zieht, halten wir für verirrt. Antisemitismus richtet sich eben nicht ausschließlich auf jüdische Personen, denn Täter*innen haben ihre eigenen Kriterien um zu bewerten, ob eine Person womöglich jüdisch ist, die eine tatsächlich jüdische Zugehörigkeit weit übersteigen.

    Ebenso stört uns die implizite Darstellung der Reaktion der Universität auf die antisemitischen Schmierereien als ideales Verhalten, das wir uns für Diskriminierungsfälle und Übergriffe gegen palästinensische, palästinensisch-gelesene oder palästinasolidarische Personen wünschen. Statements und Verurteilungen werden nie genug sein, um Diskriminierung sinnvoll vorzubeugen.

    Am Ende verweist der Artikel noch auf die vom Studierendenparlament beschlossene Resolution, die u.a. von SfP eingebracht wurde. Wir warten momentan noch einige Formalitäten ab, danach werden wir uns konkret zu dieser Resolution äußern.

  4. Thomas Martin

    // am:

    Ich bin beruflich u.a. auch an verschiedenen Unis unterwegs und habe seit dem 7. Oktober stets Diskriminierung von Juden bzw. Israelis sowie entsprechende Kampfparolen zur Vernichtung von Israel festgestellt – ganz besonders schlimm empfand ich die aktuelle Situation an der FU Berlin sowie an der Humboldt-Uni.
    Das empfinde ich als Deutscher vor dem Hintergrund der industriell organisierten Massenvernichtung von Juden während der Zeit des Nationalsozialismus als unerträglich. Dass wir solche Dinge zulassen ist beschämend und skandalös.
    Stattdessen werden in KN (und anderenStädten) Straßennamen umbenannt, so als hätte man sich mit solchen absurden Aktionen damit reingewaschen, ein Zeichen gegen Nationalsozialisten gesetzt, die es längst nicht mehr gibt, weil verstorben. Viel besser wäre es, aufklärende Geschichtstafeln an entsprechender Stelle zu montieren, damit beispielsweise der Beitrag von Hindenburg zur Hitler‘schen „Machtergreifung“ nicht in Vergessenheit gerät. Denn: Der größte Teil derer, die in den entsprechenden Stassen wohnen haben keine Ahnung, was der NS-Staat tatsächlich bedeutete, welche Akteure welche Rolle gespielt haben und wie es dazu kam. Aber einfach mal gegen Isarael und Juden mitbashen! So ein Verhalten ist erbärmlich.

  5. M. Oehlschläger

    // am:

    @A. Gerlach

    Natürlich sind das nur meine subjektiven Eindrücke. Belastbare Zahlen kann sicherlich die Polizei Konstanz dazu liefern.

    Ja, ich halte die Gruppe „Rettet Gaza Konstanz“ für problematisch. Sie können sich auf deren Instagram Profi ein Bild davon machen.

    Sie benutzen z.B konsequent Wörter wie Zionist/Zionistin für Personen die Pro Israelische Ansichten haben, sie nennen Israel ein Zionistisches Gebilde in ihren Aussagen und Reden. Zionist wird gerne von Antisemiten als Codewort für Juden verwendet.
    Die Ablehnung des Zionismus, der in der Gruppe sehr deutlich zu Tage tritt, bedeutet aber auch eine Negierung der Grundlage des Staates Israel und dadurch auch implizit seine Vernichtung.

    Daher bin ich durchaus der Meinung, dass es in der Gruppe antisemitische Tendenzen gibt.

  6. A. Gerlach

    // am:

    Mit welchem Ziel formulieren Sie den Textabschnitt mit dem Titel “Moderne Begriffe, falsche Zuschreibung”?
    Nach meinem Leseverständnis fürchte ich, dass Sie hier versuchen die Antidiskriminierungsstelle dafür zu diskreditieren, dass sie die Diskriminierungserfahrung einer jüdisch-gelesenen Person als tatsächlich antisemitisch einstuft. Diese Handlung würde ich aber keinesfalls als illegitim einstufen. Auch wenn die Stelle in anderer Hinsicht unprofessionell gehandelt hat.
    Es ist selbstverständlich, dass Menschen mit Diskriminierungserfahrungen unterstützt werden. Der Vorschlag eine Person die Palästina bezogenen Rassismus erfährt mit einer Person in Verbindung zu setzen, die Antisemitismus erfahren hat kommt mir schädlich für alle Parteien vor.
    Ihre Kritik scheint darauf zu basieren, dass die jüdischen Diasporen vielfältig und divers in ihrem Aussehen sind. Das stimmt natürlich. Leider besteht für viele Menschen, die antisemitische Narrative und Ideen verinnerlicht haben, weiterhin die Idee von einem homogenen jüdischen Kollektiv und Aussehen. Der Rassismus besteht darin, Jüd:innen ein bestimmtes Aussehen zuzuschreiben und nicht etwa darin, dieses rassistische Vorurteil anzuerkennen und in der Diskussion zu antisemitischen Vorfällen aufzugreifen. Durch diese Anerkennung wird nicht die rassistische Handlung legitimiert, sondern eben als solche rassistische/ antisemitische Handlung erkannt. Würde die Behauptung “die Person sieht jüdisch aus” so oder in ähnlicher Form direkt fallen, würde es sich natürlich wieder um eben die Äußerung von antisemitischen Stereotypen handeln. Nach Ihrer Darstellung scheint dies jedoch nicht der Fall zu sein. Falls es sich hier um einen Interpretationsfehler handelt, bitte ich um Richtigstellung.

    Weiterführend dazu möchte ich ein Intersektionales Verständnis in die Debatte einführen: Die Universität bzw. die Anti-Diskriminierungs-Stelle hat dadurch, dass nicht ausreichend Arbeit zur Aufarbeitung von Anti-Palästinensischen Rassismus geleistet wird, automatisch auch beim Auftrag versagt, Antisemitismus vollends zu erfassen und sich dafür zu sensibilisieren. Die Bekämpfung des Einen bedingt den Kampf gegen das Andere. Keine der beiden Diskriminierungs-Dimensionen kann vollständig erfasst und angegangen werden, wird die andere nicht beachtet.
    Die Kritik gegen die Uni muss sich meiner Meinung nach nicht darauf beschränken, dass nicht genug getan wird, um gegen Anti-Palästinensischen Rassismus vorzugehen, sondern beinhaltet jetzt schon implizit die Kritik, das die Uni auch der Arbeit gegen Antisemitismus nicht gerecht wird. Das Erwähnen Sie ja auch selbst in Ihrem Artikel, ich möchte nur nochmals hervorheben, dass dieses Diskriminierungsdimensionen nicht voneinander zu trennen oder auszuspielen sind. Dies unterstelle ich nicht dem Autor, finde aber, dass dieser Aspekt hervorgehoben werden sollte.

  7. A. Gerlach

    // am:

    Es erscheint mir notwendig einige Punkte zu dem Kommentar von M. Oehlschläger zur Diskussion zu stellen:

    1. Sie berichten aus Ihrer persönlichen, h. begrenzten Perspektive. Selbst stellen Sie deutlich klar, dass Anti-Arabische Diskriminierungsfälle Vorfälle zweifellos existieren. Dem möchte ich hinzufügen, dass diese logischerweise auch in Konstanz existieren können. Ob Sie von Ihnen erfahren oder eben nicht, ist keine Existenzbedingung.

    2. Menschenfeindliche Schmierereien sind zu verurteilen, aber drücken nicht die volle Breite an Diskriminierungserfahrungen der Betroffenen aus. Sie sind leicht wahrnehmbar und prägnant, sagen aber nicht zwangsläufig etwas darüber aus, welche Diskriminierungsformen wirklich am Häufigsten auftauchen (Form in Bezug auf die diskriminierte Personengruppe und Kontext/Art der Diskriminierungserfahrung).

    3. Grundsätzlich möchte ich mich nur ungern darauf einlassen, bestimmte Formen der Diskriminierung gegeneinander auszuspielen, für eine Einschätzung dessen welche Vorfälle prominenter sind in unserer Stadt/ Uni lässt sich eben nur durch eine systematische Studie annähernd erkennen. Darüber hinaus entscheidet aber nicht die Häufigkeit der bekannten Vorfälle darüber, ob eine Diskriminierungsform Aufmerksamkeit im Diskurs verdient hat oder nicht.

    4. Sie suggerieren stark, dass die Gruppe Rettet Gaza Antisemitische (oder antisemitismus-verherrlichende?) “Thesen und Narrative” verbreitet. Das scheint mir eine starke Anschuldigung zu sein, wenn meine Deutung Ihres Kommentars so stimmt. Können Sie ausführen, welche Aussagen Sie dieser Kategorie zuordnen würden?

  8. Janosch Tillmann

    // am:

    Herr Oestringer,

    sicher sprechen diese Vorgänge für sich und die Uni hätte vielleicht besser reagieren sollen, allerdings scheint es mir gewagt, einen strukturellen Rassismus an der Uni zu behaupten, wenn diese Darstellung die Bilanz eines Jahres ist.

    Zumal jedem klar ist, dass Sie hier die stärksten Geschütze aufgefahren haben. Sie werden ja keinen Vorfall unter den Teppich kehren, der auch stattgefunden hat und vielleicht sogar noch heftiger als die beschriebenen war…

    Es ist mir zudem unklar, warum Sie sich an der Bemerkung „jüdisch gelesene Person“ stören. Und dazu die Frage, wie so jemand aussehen würde: Bei einem Freund von mir reichte ein Bart, eine Brille und ein weißes Hemd…

    Der Antisemit definiert, wen er (oder sie), aus was für Gründen auch immer, für einen Juden hält. Wie der Rassist eben auch entscheidet und zuschreibt.

  9. M. Oehlschläger

    // am:

    Bisher habe ich in der Konstanzer Öffentlichkeit lediglich Antisemitismus wahrgenommen.
    Wie z.B. die antisemitischen Schmierereien an der Uni oder jüngst die Schmierereien an der Z-Brücke beim Bahnhof Petershausen.

    Dazu noch die zum Teil sehr steilen Thesen und Narrative, welche die Gruppe „Rettet Gaza Konstanz“ auf ihren Demonstrationen und im Internet verbreitet.

    Dass es auch Rassismus gegen arabische Menschen gibt, ist unbestritten. Nimmt aber nach meiner Wahrnehmung in der Gesamtschau, auf die Konstanzer Öffentlichkeit bezogen, aber einen kleinen Platz ein.
    Abgesehen von den Beispielen an der Uni, hab ich noch keine Anti arabischen Schmierereien oder ähnliches in der Öffentlichkeit gesehen.

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