Feminismus

AfD-Wähler: Angst vor Verlust patriarchaler Privilegien?

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Nachfolgend veröffentlichen wir die bemerkenswerte Rede von Gabriela Al-Husein, einer politisch engagierten jungen Frau, die sie am 15. März 2025 anlässlich des Internationalen Frauentages im Treffpunkt Petershausen gehalten hat.

Die Rede basiert auf der Tatsache, dass Männer bei der Bundestagswahl 2025 eher rechts gewählt haben. Während bei den Frauen 18 Prozent der Stimmen an die AfD gingen, votierten die Männer mit 24 Prozent deutlich häufiger für diese Partei (Angaben von Statista). Hier die Rede von Gabriela Al-Husein:

„Infolge der aktuellen Wahlen und der entmutigenden Wahlergebnisse möchte ich heute über die Rolle von Frauen* und Feminismus in diesem Kontext sprechen. Die meisten AfD-Wählenden waren Männer. Schon länger zeigt sich die Tendenz, dass Frauen eher links und Männer eher rechts wählen. Frauen organisieren sich zunehmend in linken Bewegungen und werden aktiv, während Männer sich vermehrt nach rechts radikalisieren.

Diese Entwicklung betrifft alle Altersgruppen: Junge Teenager-Jungs wurden in den letzten Jahren nicht selten durch Andrew-Tate-Videos geprägt und rutschten in das TikTok- und Instagram-Tate-Universum ab – in die sogenannte „Manosphäre“, eine frauenfeindliche, grausame Internetwelt voller gehässiger Kommentare über Frauen. Ziel dieser Bewegung ist es, Frauen erneut Rechte zu entziehen, sie in den Hintergrund zu drängen, abzuwerten und unsichtbar zu machen. Woran liegt das? Warum sind Frauen weniger anfällig für rechte Parteien als Männer?

Parteien wie die AfD – und auch die CDU, die ihre Politik in die Tat umsetzt – bedrohen akut die Fortschritte, die feministische Kämpfe erstritten haben. Diese Angriffe zielen direkt auf das Selbstbestimmungsrecht von Frauen: Reproduktive Gesundheit, Abtreibungsrechte, soziale Unterstützung – all das wird systematisch eingeschränkt. Stattdessen wird ein Erzwingen traditioneller Geschlechterrollen gefördert, in denen Frauen unbezahlte und ungewürdigte Arbeit leisten und in wirtschaftliche Abhängigkeit geraten. Gleichzeitig bleiben Femizide und Gewalt in heterosexuellen Beziehungen allgegenwärtig. Die aktuelle Politik gibt den Schutz von Frauen auf und drängt sie zurück in Positionen potenzieller Gefahr.

Gleichstellung, Gender Studies – all das soll zunehmend als unwichtig abgetan werden. Diese Entwicklungen sind weltweit zu beobachten: Die neue Trump-Regierung verbietet in offiziellen Dokumenten bestimmte Begriffe, darunter „Frau“ und „Schwarz“. Viele Männer scheinen den Verlust ihrer Privilegien zu fürchten und sind verunsichert durch die feministischen Errungenschaften der letzten Jahre. Sie wollen daher Rückschritte erzwingen – in der Hoffnung, dadurch weniger Orientierungslosigkeit zu empfinden und das Gefühl von Kontrolle zurückzugewinnen.

Faschistische Parteien spielen gezielt mit dieser Fragilität. Sie schüren bewusst die Angst, dass Männer ihre Privilegien verlieren, und inszenieren sie als bedrohte Gruppe. Rechtspopulistische Parteien propagieren autoritäre Männlichkeitsbilder und versprechen verunsicherten Männern die Rückkehr zu einem gestärkten Patriarchat. Sie füttern sie mit der Illusion, dass dies Glück und Erfüllung bringen würde – und erschaffen Feindbilder: Frauen, queere Menschen, alle, die traditionellen Geschlechterrollen widersprechen. Doch das Patriarchat schadet auch Männern. Frauen haben durch jahrzehntelange feministische Kämpfe einen Punkt erreicht, an dem sie idealerweise nicht mehr von Männern abhängig sind. Sie können frei wählen, wen sie daten – oder sich dagegen entscheiden. Sie investieren in Bildung, Karriere, Freiheit, Reisen, Selbstverwirklichung, Community, Freundschaften – und befreien sich so immer mehr.

Männer hingegen haben oft nicht die gleichen Entwicklungen durchlaufen, nicht die „Hausaufgaben“ gemacht, die Frauen in Bezug auf Selbstreflexion und persönliche Entwicklung geleistet haben. Doch diese Arbeit wäre notwendig. Denn wer sich mit der eigenen Position in der Gesellschaft auseinandersetzt, erkennt: Die Freiheit aller Geschlechter ist untrennbar mit der eigenen Freiheit verbunden. Niemand kann wirklich frei sein, solange wir nicht alle frei sind. Feminismus ist für uns alle da – er soll alle befreien. Stattdessen reagieren viele Männer zunächst mit Frust. Und bevor dieser Frust dekonstruiert werden kann, wird er von faschistischen Ideologien vereinnahmt.

Sie nutzen ihn gezielt, um zu hetzen, Ängste zu schüren und die Rückkehr zu alten Rollenbildern als Lösung zu verkaufen. Um für die Befreiung aller zu kämpfen, müssen wir vereint bleiben. Frauen haben gezeigt, dass sie solidarisch denken, Netzwerke aufbauen und füreinander da sind. Dass sie tendenziell nicht so wählen, dass ihre Mitmenschen darunter leiden. Diese Haltung müssen wir bewahren. Wir müssen uns der Strategien rechter Bewegungen bewusst werden und uns aktiv dagegen wehren. Allianzen bilden, uns stärken und laut bleiben. Denn entgegen vieler Behauptungen in den Medien sind wir noch weit von echter Gleichstellung entfernt – und bewegen uns weltweit immer weiter davon weg.

Die Errungenschaften des letzten Jahrhunderts stehen auf dem Spiel, und wir dürfen nicht zulassen, dass sie zunichte gemacht werden. Es ist immer notwendig, immer der richtige Zeitpunkt, feministisch zu sein. Nicht nur am 8. März – sondern jeden Tag“.

Text: Gabriela Al-Husein; Bild: Privat

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