Ob es den Konstanzer Konzilspreis auch in Zukunft geben wird, oder ob er den Sparmaßnahmen der Verwaltung zum Opfer fallen soll, entscheidet der Konstanzer Gemeinderat in seiner heutigen Sitzung. Ein kurzer Blick auf die kurze Geschichte eines Preises, der mehr über den Stifter sagt, als man wissen will.
Dieser Preis, der den meisten Konstanzer*innen herzlich egal ist, weil sie davon so viel haben wie das Schwein vom Schlachtfest, steht endlich auf der Streichliste. Doch die Verwaltung kämpft mit Zähnen und Klauen darum, ihn zu behalten.
Worum es bei diesem Preis geht, ist – wie bei den meisten Preisen üblich – etwas diffus. Im Rahmen des Konzilsjubiläums schmiss man jedenfalls in Konstanz im Glauben an die eigene welthistorische Bedeutung mit Geld nur so um sich, und da schien es auf ein paar zehntausend Euro mehr oder weniger für einen Preis nicht anzukommen: „Der Konstanzer Konzilspreis. Preis für europäische Begegnungen und Dialog wird in Konstanz alle zwei Jahre an Persönlichkeiten oder Initiativen vergeben, die sich in besonderer Weise für ein Europa der Begegnung einsetzen und einen Beitrag zum Dialog über Europa und seine Zukunft leisten. Der Konstanzer Konzilspreis wurde erstmals 2015 im Rahmen des Jubiläums 600 Jahre Konstanzer Konzil vergeben und ist mit 10.000 Euro dotiert“, weiß Wikipedia zu berichten.
Die Auswahl der Preisträger*innen wurde wahrscheinlich bewusst so personalaufwendig gestaltet, dass man mehr als ein Dutzend mehr oder minder prominente Menschen als Kuratoriumsmitglieder und Paten mit ins Boot holen konnte.
Europa schaut lieber gar nicht erst her
So sollte ein wenig weltweite Aufmerksamkeitssonne auf Konstanz, jene Stadt im Herzen Europas, in der das Herz Europas besonders heftig bumpert, herniederglänzen. Einige Strahlen sollten natürlich auch auf die Preisträger*innen fallen, als da sind PD Dr. Sigrid Rieuwerts (2021/2022), Mohamed El Bachiri (2019), Prälat Dr. Peter Klasvogt für das Netzwerk „socioMovens. Giving Europe a Soul e.V.“ (2017) und Theatermacher Milo Rau (2015).
Seit dem Ende der mehrjährigen Konzilsjubelfeiern – die am Ende nicht einmal den Papst an den Bodensee locken konnten, wie es einige katholische Wirrköpfe im Vorfeld frohlockend verkündet hatten – wird der Preis so finanziert: Ein „Konstanzer Konzilsverein für Europäische Begegnungen und Dialog“ treibt die 10.000 Euro Preisgeld in Form von Spenden ein. Aber: „Die Ausrichtung der Veranstaltung zur Vergabe des Konzilspreises wird hingegen durch städtische Mittel finanziert und durch städtisches Personal (angesiedelt im Pressereferat) unterstützt.“
Und so soll es nach dem Willen der Verwaltung und vor allem wohl des Oberbürgermeisters auch bleiben, auch wenn sonst jede Büroklammer ihre Existenzberechtigung nachweisen muss und widrigenfalls sofort als Zahngold eingeschmolzen wird. Der Preis kostet die Stadt alle zwei Jahre 20.000 Euro, und um dieses Geld geht es heute im Gemeinderat.
Was gibt es dafür? Zuerst einmal eine bunte Schärpe, die von der Stadt in zähem Kampf gegen die Motten verteidigt wird, so dass sie die jeweiligen Preisträger*innen bei der Preisverleihung umhängen können, was ihnen jeweils das putzige Aussehen eines entsprungenen Narren verleiht: „Während der Preisverleihung bekommt der Preisträger als Auszeichnung eine Schärpe überreicht, die aus fünf Bändern geflochten ist, um die Vielfalt Europas zu symbolisieren. Die Schärpe ist ein Unikat, das in Konstanz bleibt. Die Namen von Pate/Patin und Preisträger/Preisträgerin werden bei jeder Verleihung eingestickt, so dass das Band mit der Zeit zu einem Zeugnis für europäisches Engagement wird.“
Wow!
Und was soll das alles? Auch darauf weiß die Sitzungsvorlage kluge Antwort: „‚Europäische Verständigung und Freundschaft benötigt mehr denn je Sichtbarkeit, da immer mehr Staaten versuchen, ihre eigene Identität auf Kosten der europäischen Idee zu stärken. Wir brauchen diese herausragenden positiven Beispiele des europäischen Gedankens, die der Konstanzer Konzilspreis liefert, um Menschen zu verbinden. Im Herzen von Europa gelegen, kann die Stadt Konstanz durch den Konzilspreis eine Wahrnehmung erhalten, die der Stadt und den Menschen in Konstanz eine europäische Sichtbarkeit gibt. Der Konzilspreis ist bereits zu einer überregionalen Marke der Stadt Konstanz geworden.‘ – so formuliert Herr Prof. Dr. Knaebel, Vorsitzender des Konzilsvereins, die Bedeutung des Konzilspreises.“
Das Verwirrende daran: Europa schert sich einen Dreck um Konstanz, das Herz Europas, und wer den Konzilspreis googelt, stellt schnell fest, dass beispielsweise keine bedeutende europäische Zeitung jemals auch nur die geringste Notiz von ihm genommen hat. Wahrscheinlich einzige Ausnahme war die NZZ aus dem nahen Zürich, als der Schweizer Milo Rau den ersten Konzilspreis und eine Laudatio von Adolf Muschg erhielt.
Mehr Sichtbarkeit des europäischen Gedankens durch diesen Preis, den niemand zur Kenntnis nimmt? Ein beherzter Tritt in die Hackfressen der Nationalisten, Rassisten und sonstigen rechten Drecksäcke in aller Herren europäischen Ländern?
Eine Luftnummer
Aber es gibt noch weitere hehre Töne aus der Verwaltung: „Ziel der Stadt Konstanz – auch im Nachgang zu den Feierlichkeiten um das Konziljubiläum – ist es, sich als internationale Stadt zu zeigen und als Ort verstanden zu werden, an welchem ein Diskurs zu europäischen Ideen stattfinden konnte und auch in der Gegenwart stattfinden kann. […] Der Konstanzer Konzilspreis ist zwar nur ein Teil des europäischen Engagements der Stadt Konstanz, er trägt jedoch deutlich zur Sichtbarkeit der Stadt für Europa und des europäischen Gedankens der Stadt bei.“
Der Konzilspreis als Aufforderung zur Intensivierung eines Diskurses also, der beim Konzil damals mit handfesten Machtkämpfen, politischen Intrigen sowie zwei Ketzerverbrennungen so ruhmreich begann? Das alles ist natürlich nichts weiter als heiße Luft und Marketing-Neusprech. Paris, Wazszawa und Rom liegen wahrlich nicht im Schatten des Konstanzer Münsterturmes.
Do ut des (ich gebe, damit du gibst) wussten schon die alten Römer. Und auch für Preise und Orden gilt: Wer einmal einen bekommen hat, dem wird nochmals und immer wieder gegeben. Dies geschieht zumeist auch in der Hoffnung, dass der Gebende seinerseits etwas dafür erhält. Öffentliche Aufmerksamkeit zumindest, und vielleicht fällt ja auch irgendwann einmal irgendwo in Europa ganz zufällig eine Auszeichnung für einen bekannteren Konstanzer ab.
Do ut des – ein wahrhaft christlicher und völkerverbindender Gedanke.
Quelle: Beschlussvorlage 2023-3365, Stadt Konstanz
Text: O. Pugliese, Bild: Kardinal Marx, Prälat Dr. Klasvogt und Oberbürgermeister Burchardt bei der Verleihung des Konstanzer Konzilspreises 2017 am 5. November 2017, aufgenommen von M. Borra. Quelle: Wikipedia, Lizenz: This file is licensed under the Creative Commons Attribution-Share Alike 4.0 International license.
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