Endlich einmal steht Anton (von) Webern, eine Lichtgestalt unter den Komponisten des 20. Jahrhunderts, auf dem Programm, wenn auch „nur“ sein op. 1. Dazu Brahms und Beethoven aus ihren Titanenzeiten (ja, Titanen gab es schon vor Oliver Kahn). Das nächste Konzert der Südwestdeutschen Philharmonie in Konstanz und Radolfzell bietet effektvolle Meisterwerke.
Den Anfang des zweiten Stücks an diesem Abend sollten viele Besucher*innen eigentlich gar nicht mitbekommen. Weberns Passacaglia op. 1 beginnt nämlich mit acht möglichst leise zu zupfenden Streichertönen, so dass man beim Radiohören intuitiv lauter dreht. Nun hat Webern, als er das Werk 1908 als Fünfundzwanzigjähriger während seiner Studienzeit bei Arnold Schönberg komponierte, sicher nicht daran gedacht, damit die Hörer des noch nicht absehbaren elektronischen Zeitalters in Verwirrung zu stürzen, aber er sollte in seinem Leben noch für viele Überraschungen sorgen. Unter denen beiläufig bemerkt nicht die geringste seine irrtümliche Erschießung durch einen US-Soldaten am 15. September 1945 ist. Schade, das war ein zu früher, wenn auch schneller Tod für den Meister der knappsten Form und höchsten musikalischen Konzentration. Aber immerhin, sein op. 1 ist noch einer traditionellen Form verpflichtet, der Passacaglia, einem ursprünglich barocken, langsamen Schreittanz über einer festen Bassfigur. Was er daraus macht, ist immer wieder höchst hörenswert.
Ein Haydn, nicht von Haydn
Im ersten Teil dieses Konzerts wird ein weiteres Werk gespielt, das einerseits die Verbindung eines Komponisten zur Tradition aufzeigen, andererseits aber für seinen Schöpfer einen Aufbruch bedeuten: Bevor sich Johannes Brahms mit seiner ersten Symphonie zu Wort meldete, bildeten kleinere Orchesterwerke, in denen er den Umgang mit dem Orchesterapparat und das Gespür für Instrumentation schulte, eine Art Vorstufe. Das symphonische Werk, für das Beethoven den Maßstab gesetzt hatte, dem Brahms etwas Eigenes, „ganz anderes“ entgegensetzen wollte, und die strenge Selbstkritik des jungen Komponisten übten einen gewissen Erfolgsdruck auf ihn aus. Die sogenannten „Haydn-Variationen“ (1874) bilden dann den Durchbruch in der Orchesterkomposition und schließen zugleich eine Reihe von Variationswerken ab, die Brahms für sein Instrument, das Klavier, geschaffen hatte. Es ist allerdings nur eine Nebenbemerkung wert, dass das Thema dieser Haydn-Variationen vermutlich gar nicht von Haydn stammt.
Da-da-da-daaa
Mit Ludwig van Beethoven führt Gabriel Venzago zweifach „durch Nacht zum Licht“. Einmal mit dem Titanen Prometheus, der gegen die Götter aufbegehrt und seinen Geschöpfen, zwei aus Lehm geformten Menschen, das Feuer bringt. Das 1801 entstandene Ballett wurde dreißig Mal in Wien aufgeführt, das Libretto des Ballettmeisters Salvatore Viganò kann aus zeitgenössischen Berichten rekonstruiert werden. Schon früh hat sich die Ouvertüre als eigenständiges Konzertstück herausgelöst – mit der langsamen Einleitung, den Spannungsklängen, der hoffnungsvollen Oboenmelodie und der wirbelnd intensiven Fortführung wirkt sie wie ein Sinfoniesatz im Umkreis der kurz zuvor entstandenen ersten Symphonie.
Beethovens fünfte Symphonie hingegen trägt den Beinamen „Schicksalssymphonie“, der freilich nicht vom Komponisten stammt. Die fallende Terz, vor allem aber die Energie des „Con brio“ („mit Schwung, mit Feuer“) durchzieht den erstaunlich kurzen ersten Satz, in dem Moll und Dur noch miteinander zu kämpfen scheinen. „Con brio“ ist die vielleicht häufigste Tempobezeichnung bei Beethoven und auch ein Spiegel für seine schöpferische Kraft und wilde Zerrissenheit. Milder, doch mit starken dynamischen Kontrasten gibt sich das Andante con moto. Das Scherzo hat allen Tanzcharakter verloren, ist unruhig brodelnd, die pochenden Tonwiederholungen aus dem ersten Satz kehren wieder, mit den drängenden Paukenschlägen vollzieht sich der spannende Übergang ins strahlende Finale: C-Dur, Glanz, Freude, Jubel herrschen hier, das Licht siegt über den Schatten – eindeutiger kann eine Aussage nicht sein!
Termine, Karten &c.
- Am Donnerstag, 19. Oktober um 19.30 Uhr im Milchwerk Radolfzell, Werner-Messmer-Straße 14, 78315 Radolfzell.
- Am Mittwoch, 25. Oktober und am Freitag, 27. Oktober 2023 um 19.30 Uhr im Konzil Konstanz.
Das Konzert wird von Gabriel Venzago, Chefdirigent der Südwestdeutschen Philharmonie, geleitet.
Im Milchwerk Radolfzell findet 45 Minuten vor Konzertbeginn eine Einführung mit Gabriel Venzago im Foyer statt, in Konstanz eine Stunde vor Konzertbeginn im Studio der Philharmonie.
Karten für Konstanz sind beim Stadttheater Konstanz (07531 900 2150), bei der Südwestdeutschen Philharmonie, Fischmarkt 2, 78462 Konstanz (9.00 Uhr bis 12.30 Uhr, 07531 900-2816) und bei der Tourist-Information am Hauptbahnhof sowie in allen Ortsteilverwaltungen erhältlich. Tickets können auch im Internet gekauft werden unter www.philharmonie-konstanz.de.
Karten für das Milchwerk Radolfzell sind bei reservix und bei Tourismus- und Stadtmarketing, Kirchgasse 30, 78315 Radolfzell, Telefon: 07732 81-500, info@radolfzell-tourismus.de erhältlich.
Text: SWP/Katharina von Glasenapp, red., Bild: Gabriel Venzago, fotografiert von Nikolaj Lund
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