Am Samstag herrschte Alarmstimmung bei den Konstanzer Behörden – wohl weniger wegen des absehbaren Besucher:innenansturms zum Seenachtsfest, sondern wegen einer angekündigten, aber nicht genehmigten Demo. Die fand auch statt. Allerdings anderswo als gedacht.
Polizei auf dem Döbele, Polizei in der Innenstadt, zwei Polizeiwagen auf der Fahrradbrücke, ein Mannschaftswagen an Eingang zum Herosépark, drei Polizeiboote im Seerhein, uniformierte Beamte auf den Gehwegen und am Ufer, dazwischen Mitarbeiter des städtischen Ordnungsamts: Irgendwas muss sich herumgesprochen haben. Aber was?
Hatte die Präsenz der Ordnungskräfte mit einem möglicherweise bevorstehenden Vorhaben der Klimaschutzorganisation Letzte Generation zu tun? Oder waren sie wegen einer genehmigten Aktion von Fridays for Future Konstanz angerückt, die ein Transparent gegen die motorisierten Jachten („Motorboot macht Klima tot“) an der Brücke befestigen wollten? Um 16 Uhr sollte das Banner aufgehängt werden (es hing dort später auch). Aber warum waren städtische Mitarbeiter:innen und die Polizei schon eine Stunde vorher da?
Vor etwa zwei Wochen hatte die Konstanzer Gruppe der Letzten Generation eine Demonstration angekündigt – am Nachmittag des Seenachtsfests, zu dem regelmäßig Zehntausende anreisen, die meisten davon wenig klimafreundlich. Als dann allerdings die Anmeldung zur Demo ausblieb, veröffentlichte die Verwaltung eine Allgemeinverfügung – und untersagte kurzerhand jeden Protest „auf den Straßen der denkmalgeschützten Innenstadt“. Offenbar ging der Verwaltung der Klimanotstandsstadt die Vorstellung dann doch zu weit, dass eine kleine Demo die im Trubel des Massenauflaufs steckenden Feuerwerksgäste stören könnte.
Der Trick mit dem Badeanzug
Andererseits war abzusehen, dass die Aktivist:innen nicht einfach klein beigeben und ihren Protest abblasen würden. Nachdem ein Einspruch gegen die Allgemeinverfügung nichts bewirkt habe, wie es später hieß, sei man auf eine andere Idee gekommen – die einer „schwimmenden Spontanversammlung, um trotzdem darauf aufmerksam machen zu können, dass die Klimakrise und die Untätigkeit der Regierung dagegen akuter ist denn je“. So formulierte es die Letzte Generation in einer Pressemitteilung.
Also tauchte über die Brücke ein Dutzend zumeist jüngerer Leute auf, zog sich im Herosépark bis auf die Badekleidung aus, entrollte Transparente („Art. 20 GG = Letzte Generation“, „Letzte Generation an den Kipppunkten“), befestigte sie an Schwimmwesten und Schaumstoffrollen, pumpten Luftsurfbretter auf und stiegen vor den Augen der Ordnungskräfte ins Wasser. „Statt etwas gegen den Klimawandel zu unternehmen, hat die Stadt viel Energie aufgewandt, um den Protest zu verhindern“, sagte Evelyn Ehinger, die aus Donaueschingen angereist war – das habe man nicht hinnehmen wollen. Sie hätten die Sicherheitsrichtlinien genau studiert und seien zum Schluß gekommen, dass die Allgemeinverfügung für den Rhein nicht gelte.
Das sahen das Ordnungsamt und die Polizei offenbar genauso – und boten einen Deal an: Wenn sich eine Versammlungsleiterin melde (das tat während der Verhandlungen Corina Kwiatkowski), würde die Wasserpolizei die Aktivist:innen begleiten, vor dem Jachtverkehr schützen und bis zum Schänzle am anderen Ufer begleiten. So war es dann auch.
Spektakulär und fantasievoll war die Schwimmaktion der Klimakämpfer:innen durchaus – und man darf gespannt sein, was ihnen demnächst einfällt. Aber sie hatten das Publikum überschätzt. Wer diese „letzte Generation“ denn sei und was das Ganze soll, fragten sich viele auswärtige Schaulustige auf der Brücke und am Ufer. Da wären ein paar Flyer mehr sinnvoll gewesen.
Text und Fotos: Pit Wuhrer
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07.06.2023 | „Für wie beschränkt halten die uns eigentlich?“
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27.06.2023 | Asphaltgeschichten. Die Anreise
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