
Manche tun so, als gäbe es einen Erfolg zu feiern: Erstmals darf in Konstanz, und zwar mit dem offiziellen Segen der Stadtverwaltung, an einem Karfreitag öffentlich getanzt werden. Dazu gibt es einen entsprechenden Vortrag und vor dem Tanz einen humanistischen Segen.
Man mag ja mit Karfreitag nichts anfangen können. Zahlenmäßig sind die Christ:innen nicht mehr in der Mehrheit. Doch es gibt Rechte, die Minderheiten schützen. So ist das Menschenrecht auf Religionsfreiheit kein Sonderrecht für die Frommen, somdern Schutzrecht für alle und besonders für Minderheiten. Als Freiheit gilt nie nur die eigene Freiheit, das zu tun, was man will – es geht immer auch um die Freiheit der anderen. Doch ein solcher Freiheits- und Toleranzbegriff ist im neoliberalen Denken unbekannt.
Der besondere Charakter des Karfreitags hat nichts mit einem vermeintlichen Gottesstaat und einem Verstoß gegen die weltanschauliche Neutralität des Grundgesetzes zu tun. Wer den besonderen Charakter des Karfreitags abschaffen will, bekommt nicht einen weiteren Partytag, sondern die Abschaffung eines arbeitsfreien Feiertags für alle.
Und genau das fordern in diesen Tagen neoliberale Ökonom:innen, um die Aufrüstung zu finanzieren. Man sollte schon bedenken, in welchem Kontext man eine vermeintlich fortschrittliche Forderung erhebt! Sie könnte sonst das Gegenteil bewirken. Christ:innen können übrigens Karfreitag auch ohne frei zu haben begehen.
Erinnerung an die Opfer von Gewalt
Christ:innen erinnern sich an Karfreitag an die Folterung und Kreuzigung ihres Religionsgründers durch das Imperium Roms. Sie erinnern auch an die Opfer von Gewalt: An Dietrich Bonhoeffer, dem Widerstandskämpfer gegen den Faschismus. An Oscar Romero, der ein Ende der Unterstützung der Militärjunta in El Salvador durch die USA gefordert hatte und tags darauf am Altar erschossen wurde. Oder an den ermordeten Erzbischof Alberto Ramento, der Landlose in ihrem Streik für eine Landreform unterstützt hatte.
Während der Opfer der Imperien gedacht wird, haben andere nur das Tanzen im Sinn. Übrigens: Schlimmer noch als eine Jenseitsvertröstung der Religion ist eine säkulare Jenseitsvertröstung, die keinen Trost für die Opfer der Geschichte kennt und dann noch zum Programm macht, die Erinnerung an die Leidenden und Opfer der Imperien durch Konsum und Party abzutöten.
Mehr Aufklärung!
Ich fordere deshalb gerade auch als Theologe mehr Aufklärung, damit sich unter dem Deckmantel von Humanismus nicht länger eine faktisch neoliberale oder laizistische Weltanschauung verbergen kann. Eine solche laizistische Weltanschauung hätte dann ein Problem mit der Religionsfreiheit und dem Respekt vor dem, was religiösen Minderheiten wichtig ist, weil sie ihre eigene weltanschauliche Positionierung nicht wahrnimmt. Also: Bitte mehr Aufklärung!
Ich trete ein für die fortschrittliche Forderung, dass es in einer säkularen und religionspluralen Gesellschaft nicht nur christliche Feiertage geben sollte, sondern auch jüdische und muslimische. Und im Übrigen sollten Nichtgläubige, Christen und Andersgläubige gemeinsam freie, religiös geprägte Feiertage gegen jene verteidigen, die für die Aufrüstung einen Feiertag abschaffen wollen und alle Zeit des Lebens für Profit und Konsum frei machen wollen. Das wäre fortschrittliche Politik gegen die Neoliberalen unserer Tage, die heute gefordert wäre!
Text: Franz Segbers, em. Prof. für Sozialethik, Konstanz
Bild: Unsplash (gemeinfrei)
Der Kommentar von Franz Segbers bezieht sich auf eine Veranstaltung der Regionalgruppe Bodensee der Giordano-Bruno-Stiftung. Alle Infos dazu hier.
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