
Nun schon zum zweiten Mal berät der Haupt-, Finanz- und Klimaausschuss (HFK) in einer ganztägigen Sitzung über den Konstanzer Doppelhaushalt 2025/2026. Wie seemoz berichtete, hat die Verwaltung einen Haushaltsentwurf mit tiefroten Zahlen vorgelegt. Und den Schwarzen Peter der notwendigen Einsparungen dem Gemeinderat zugeschoben.
Soviel vorweg: Die Stadt Konstanz muss sparen oder mehr Geld einnehmen. Beträgt doch das Defizit im Ergebnishaushalt, der in etwa einer Einnahme-Überschuss-Rechnung entspricht, nach dem Entwurf jährlich 16 bis 17 Millionen Euro. Selbst wenn man die Abschreibungen herausrechnet, fehlen damit im Jahr 1 bis 2 Millionen Euro, um die laufende Tätigkeit der Stadtverwaltung zu bezahlen. Alle Investitionen, vom neuen Dienstfahrrad bis zur Sanierung der Geschwister-Scholl-Schule, können nur über Kredite finanziert werden.
Die Tagesordnung der auf den heutigen Donnerstag angesetzten Sitzung des HFK umfasst 47 Punkte. Würde jede Fraktion und die Verwaltung zu jedem Punkt jeweils auch nur zwei Minuten reden, müsste die Sitzung ohne Pausen 13 Stunden dauern. Dabei ist nicht berücksichtigt, dass allein der Tagesordnungspunkt „Anträge der Fraktionen im Rahmen der Haushaltsberatungen“ 65 Anträge umfasst, die von der Stellensperre über die Sanierung des Stephansplatzes bis zu den Kosten für Wickeltische reichen. Da ist viel Sitzfleisch gefragt!
seemoz hat sich die Anträge der Gemeinderatsfraktionen vorgenommen. Wie wollen diese das Haushaltsdefizit verringern? Um ein Ergebnis gleich vorwegzunehmen: Geht es nach den Fraktionen, bleiben dem Stadtvolk die großen Einschnitte wie die Schließung des Hallenbads am Seerhein, Kassen am Eingang zum Hörnle oder eine drastische Kürzung der Zuschüsse an Sport- und Kulturvereine erspart. Auch an das Bodenseeforum oder die Rückgabe des Sozial- und Jugendamts an den Landkreis wagt sich keine Fraktion mit einem Antrag heran.
Grüne&FGL: Mit weniger Personal und Papier schneller bauen
Am fleißigsten war mit gut zwanzig Vorschlägen die Fraktion Grüne & FGL. Von denen zielen einige auch auf höhere Einnahmen, andere ziehen aber auch höhere Ausgaben nach sich. So wünschen Grüne & FGL eine Beratungsstelle für queere Jugendliche, mehr Geld für die freie Kultur und zur Verbesserung der Kindertagespflege.
Clever mutet der Vorschlag an, im Kulturamt eine Stelle zu entfristen, also dauerhaft zu schaffen, die sich der Einwerbung von Drittmitteln widmet und damit mehr Geld anschafft als sie kostet. In den Doppelhaushalt vorziehen wollen Grüne & FGL die Planung eines neuen Feuerwehrhauses in Allmannsdorf-Jungerhalde und die Erweiterung des Suso-Gymnasiums. Schließlich wünscht die Fraktion einen gegenüber den Plänen der Verwaltung beschleunigten Fahrplan zur Sanierung der städtischen Gebäude, um so schneller den CO2-Ausstoß zu mindern. Dafür wollen sie 2025 und 2026 zusammen drei Millionen Euro mehr ausgeben.
Auf der anderen Seite machen Grüne & FGL auch zahlreiche Sparvorschläge. Die Personalausgaben betreffend wünschen sie eine pauschale Kürzung von 1,5 Millionen Euro. Das bedeutet, die Verwaltung muss selbst schauen, wo und wie sie Personalkosten spart. Doch Grüne & FGL zeigen auch auf, wie das gehen könnte: Mit dem Verbot von Doppelbesetzungen und einer mehrmonatigen Wiederbesetzungssperre für Leitungsfunktionen. Was heißt, Ausscheidende dürfen ihre Nachfolger:innen nicht mehr einarbeiten und Stellvertreter:innen der Leitung müssen über ihre eigentliche Arbeit hinaus Mehrarbeit leisten.

Sparpotenzial sehen Grüne & FGL auch bei der Öffentlichkeitsarbeit. Man könne doch das Amtsblatt statt bisher zweiwöchentlich nur noch alle sechs Wochen herausgeben und damit das Personal der Pressestelle reduzieren. Wobei nicht bedacht wird, dass das Amtsblatt als Zeitungsbeilage auch Bürger:innen erreicht, die sich niemals aktiv auf den Webseiten der Stadt informieren würden.
Zudem schlägt die Fraktion vor, die Stadt möge ihre Druck-, Frankier- und Repräsentationskosten kürzen. Worauf die Verwaltung antwortete, dass auch bei sinkender Menge Druck und Porto heute teurer seien als anno damals, und im Gegenzug bei den Repräsentationskosten vorschlug, die Ehrungen für Jungbürger:innen und 90-Jährige einzusparen. Wer will das?
Grüne&FGL: Gegen die Museen und allerlei Kleinvieh
Große Einsparungen wünschen sich Grüne & FGL bei den städtischen Museen. Nachdem bei früheren Sparrunden Theater und Philharmonie hätten bluten müssen, sollen nun Rosgartenmuseum, Wessenberg-Galerie und Naturmuseum jeweils zehn Prozent ihres Budgets einsparen, zusammen also 400.000 Euro. „Einsparungen in dieser Größenordnung halten wir für möglich, sowohl durch geringere Sachkosten als auch durch Einsparungen beim Personal, die zum Beispiel durch reduzierte Öffnungszeiten umsetzbar sind.“

Die Museen sind da natürlich anderer Meinung und kontern, sie hätten überhaupt nur 600.000 Euro für ihr operatives Geschäft, also für Naturerziehung und andere Vermittlungs- und Bildungsarbeit sowie die Sonderausstellungen; außerdem würden sie den städtischen Haushalt durch das Einwerben umfangreicher Drittmittel entlasten.
Weitere Sparideen von Grüne & FGL zielen aufs Kleinvieh. Man möge doch die Pacht für Bootsliegeplätze und Kleingärten erhöhen und die Investitionen für die beiden im Haushalt aufgeführten Kindergartenwickeltische und eine Krippenküche halbieren. Darauf erklärte die Stadt in einer drei Normseiten umfassenden Replik: Um die Wickeltische überhaupt erst aufstellen zu können, brauche es gewisse Umbauten – und die Krippenküche sei eigentlich eine Kitaküche, und diese sei für die Versorgung der gesamten Kita St. Stephan notwendig.
Fassen wir zusammen: Die Fraktion hat ihre Hausaufgaben gemacht und den gesamten Etat auf Sparpotenzial durchforstet. Sparen wollen sie vorrangig bei der Kultur (Museen) und beim Personal. Eine irgendwie „grüne“ Handschrift ist hier nicht zu erkennen. Im gleichen Atemzug fordern sie beachtlichen Mehraufwand bei der Gebäudesanierung. Wie das mit weniger Personal geleistet werden kann, bleibt offen.
Freie Wähler: Lasst uns den Stephansplatz, wie er ist!
Gemessen an der Zahl der eingereichten Anträge kommen die Freien Wähler nach den Grünen an zweiter Stelle. Ihr dickster Brocken: die Stadt solle bei den Neuinvestitionen auf ein Volumen von jährlich 10 Millionen verzichten und stattdessen vor allem die bereits begonnenen Projekte abarbeiten. Zudem wird beantragt, „dass alle Baustandards überprüft werden, um eine Kostenreduzierung von 10 Prozent zu erreichen.“
Als Beispiel, welche Neuinvestition man denn gar nicht erst beginnen sollte, nennen die Freien Wähler die Sanierung des Stephansplatzes. Was unter dem Strich die bislang nur vorübergehende Mehrung der innerstädtischen Parkflächen verstetigen würde, denn für die Sankt-Stephans-Stellplätze gibt es ja bereits Ersatz auf dem früheren Busbahnhof am Döbele. Zudem, so rechnet die Verwaltung in ihrer Entgegnung aus, gingen 4,8 Millionen Euro Fördermittel verloren.
Den Rotstift wollen die Freien Wähler auch bei der Ganztagsbetreuung der Grundschulkinder ansetzen. Hier wollen sie den Betreuungsschlüssel erhöhen und keine weiteren Betreuungen – etwa solche, die bisher von privaten Vereinen getragen werden – mehr in städtische Trägerschaft übernehmen. Letzteres scheint wenig durchdacht. Ab dem übernächsten Schuljahr gibt es einen Rechtsanspruch auf die Schulkinderbetreuung. Wie soll der eingelöst werden, wenn einer der privaten, weitgehend ehrenamtlichen Betreuungsvereine die Arbeit einstellt?

Alle Zuschüsse der Stadt möchten die Freien Wähler aber einfrieren. Ein besonderes Auge haben sie dabei auf die Umweltverbände. Hier wollen sie sogar zehn Prozent kürzen, was eine Ersparnis von 3850 Euro brächte. Geradezu schäbig mutet der Vorschlag an, die 10.000 Euro teure Klimapartnerschaft mit dem Volk der Borari im Amazonasgebiet abzuschaffen.
Für gänzlich überflüssig halten die Freien Wähler auch den Gestaltungsbeirat, der so manchem Bauvorhaben, beispielhaft zuletzt in der Ortsmitte Wollmatingen, Qualität zulasten des Profits abverlangt. Wie schon FGL & Grüne haben auch die Freien Wähler keine Sympathie für das Amtsblatt: Weg damit!
Die Personalausgaben wollen die Freien Wähler auf dem Niveau von 2024 einfrieren. Was einem Personalabbau gleich kommt, denn jede Steigerung der Tariflöhne müsste mit Entlassungen kompensiert werden. Ein Dorn im Auge sind den Freien Wählern auch das subventionierte Fitnessangebot und die vergleichsweise günstigen Parkplätze für städtisches Personal im Parkhaus Laube.
CDU: Soll die Verwaltung doch selber sehen, wo sie sparen kann
Amtsblatt einstellen, Zuschüsse deckeln, Baustandards senken, Gestaltungsbeirat abschaffen – manche Anträge der CDU sind deckungsgleich mit jenen der Freien Wähler, andere unterscheiden sich nur in Nuancen. So will die CDU nicht die Kosten fürs Personal, aber die Anzahl der Stellen einfrieren. Kreativ zeigt sich die CDU-Fraktion in Sachen Stephansplatz. Sie verknüpft in ihrem Antrag diese Causa mit der Sanierung der Grundschule in Dettingen, indem sie vorschlägt, statt den Stephansplatz doch die Schule anzugehen, denn dort werde das Geld dringender gebraucht.

Sparen, so die Christlich-Konservativen, ließe sich auch am Turm zur Katz. Den soll das Kulturamt künftig nicht mehr für eigene Ausstellungen nutzen, sondern ihn interessierten Vereinen und Einrichtungen überlassen, sofern diese die anfallenden Betriebskosten übernehmen.
Und dann ist da noch ein Lieblingskind des Oberbürgermeisters, das die CDU-Fraktion für ziemlich überflüssig hält: Smart Green City, ein Bündel aus Digitalisierungsprojekten. Hier fordert man eine umfassende Kostenanalyse und bis dahin einen Sperrvermerk für alle noch nicht begonnenen Vorhaben.
Im Übrigen gibt die CDU den Schwarzen Peter der Einsparungen an die Verwaltung zurück, indem sie eine globale Minderausgabe von drei Prozent des Budgets beantragt. Das würde bedeuten, die Verwaltung muss elf Millionen Euro weniger ausgeben – wo und wie sie das macht, bleibt ihr überlassen. Geht nicht, kontert die Kämmerei, denn die baden-württembergische Gemeindehaushaltsverordnung (GemHVO) erlaubt nur globale Minderausgaben bis ein Prozent.
FDP: Mehr Haushaltsberatungen!
Ein FDP-Antrag deckt sich mit der CDU-Idee, den Stephansplatz gegen die Dettinger Schule auszuspielen. Smart Green City will die FDP gleich ganz stoppen. Im Amt für Klimaschutz wünscht sie sich weniger Personal, stattdessen aber die Entfristung einer Stelle im technischen Dienst der Museen. Die Stellvertretungen der Amtsleiter:innen hält die FDP für überflüssig. Und wünscht sich statt eines Doppelhaushalts die Planung nur für das laufende Jahr. Aber soll etwa der ganzen Aufwand samt Marathonsitzungen nun jedes Jahr zelebriert werden?
Junges Forum: Mehr Bußgelder!
Neben der FDP hält sich auch das Junge Forum (JFK) bei der Menge seiner Anträge zurück. Vier Vorschläge zu finanziellen Peanuts hat es gemeinsam mit FGL & Grüne eingereicht. Als eigene Initiative wünscht es mehr Wirtschaftsförderung für das Branchennetzwerk CyberLago.
Ein Highlight in der Sitzung des HFK verspricht die Debatte um den Antrag des Jungen Forums, man möge statt wie geplant zwei doch gleich vier Messgeräte zur Geschwindigkeitskontrolle im Straßenverkehr kaufen und statt drei „Starenkästen“ deren sechs aufbauen. In der darauf bezogenen Stellungnahme der Verwaltung schimmert ein gewisses Wohlwollen gegenüber dem Vorschlag durch, ließ sich die Investition von 600.000 Euro mit dem erwarteten Bußgeldzuwachs von jährlich 1.000.000 Euro doch gut finanzieren.
Zwei verweigern die Hausaufgabe
In unserer Auflistung fehlen noch SPD* und Linke Liste. Diese beiden Fraktionen haben sich wohlweislich die Erarbeitung eigener Streichkonzerte erspart. Wozu auch? Sie können ja Punkt für Punkt über die Sparvorschläge der anderen und der Verwaltung abstimmen. Allein schon das Lesen aller Unterlagen für die heutige Marathonsitzung erfordert mindestens einen halben Tag.
- Nachtrag: Nach Veröfffentlichung der Sitzungsunterlagen hat auch die SPD noch Anträge eingereicht. Diese konnten für die Berichterstattung nicht mehr berücksichtigt werden.
Text: Ralph-Raymond Braun
Fotos Ratssaal, Stephansplatz: Pit Wuhrer / Rosgartenmuseum: Screenshot Google Streetview / Turm zur Katz: Facebook
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