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Um den Konstanzer Kaiserbrunnen versammelten sich am 1. Februar 2025 etwa 80 Menschen, um ein Zeichen der Solidarität mit den seit über 484 Tagen gefangenen Geiseln der Hamas zu setzen. Die Veranstaltenden, darunter die Hochschulgruppe Alliance against Antisemitism, die Deutsch-Israelische Gesellschaft und gegen Antisemitismus engagierte Konstanzer*innen, erinnerten an das Schicksal der Geiseln und forderten ein Ende des Krieges und eine friedliche Zukunft für die Region ein.
Samstagmittag auf der Marktstätte. Ein leerer, mit Blumen geschmückter gelber Stuhl symbolisiert das Schicksal der Menschen, die noch immer als Geiseln der Hamas in Gaza festgehalten werden. Zum Auftakt der Kundgebung sprach Ori Harel, eine Psychologin und Wissenschaftlerin, und betonte mit eindringlichen Worten: „There are no winners in wars.“ Sie sprach von den verheerenden Auswirkungen des Krieges auf alle Betroffenen und was befreiten Geiseln nach ihrer Rückkehr berichteten. Mit Nachdruck rief sie dazu auf, aktiv zu werden: „Als Psychologin frage ich mich oft, was Resilienz schafft – und die Antwort lautet: immer das, was wir gerade jetzt und hier tun – gemeinsam handeln im Einklang mit unseren Werten.“
In seinem Redebeitrag brachte Anselm Venedey die immense Belastung für die Geiseln und ihre Familien zum Ausdruck. „Eine Rückkehr zur Normalität wird den meisten Betroffenen unmöglich sein“, betonte er. Auch prangerte er die Instrumentalisierung der Geiseln durch die Hamas an und verwies auf deren menschenverachtende Propaganda, die junge Palästinenser für den Terror rekrutieren solle. Venedey erinnerte zugleich an die Verantwortung der Gesellschaft gegenüber Israel und Menschen jüdischen Glaubens: „Auch hier in unserer Stadt gibt es trotz eines inzwischen laut auftretenden Antisemitismus eine breite Bevölkerungsschicht, die solidarisch mit ihnen ist – aus historischer Verantwortung und aus Überzeugung für die Rechte aller Menschen.“
Diese Solidarität unterstrich auch Omer Vinokur, ein Erasmus-Student aus Israel, der die tiefe Sehnsucht nach Frieden mit eindringlichen Worten schilderte. „Wir sind eine Nation, die das Leben über alles wertschätzt, und wir werden niemals jemanden von uns zurücklassen“, sagte er. Dabei betonte er auch den unermüdlichen Einsatz, den viele Aktivist*innen in Israel über Monate hinweg gezeigt haben, um die Geiseln zurückzubringen: „Zu Hause haben wir alles Menschenmögliche getan – wir haben für öffentliche Aufmerksamkeit gekämpft, Maßnahmen gefordert und uns, wenn nötig, sogar gegen unsere eigene Regierung gestellt, auch wenn dies mit hohen persönlichen Kosten verbunden war.“
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Mit Nachdruck wandte er sich an die Anwesenden: „Wenn ihr das nächste Mal einen verrückten Politiker hört, der sich gegen ein Abkommen für die Rückkehr von Geiseln ausspricht, denkt daran: Wir sind nicht unsere Regierung.“ Er erinnerte abschließend an das Vermächtnis von Hersh Goldberg Polin, einer ermordeten Geisel, dessen tragisches Schicksal für viele zur Mahnung wurde: „Sein Andenken muss eine Revolution sein – eine Aufforderung an uns alle, uns zu fragen: ,Tue ich das, was ich tue, für eine bessere Zukunft?‘“
Die Gefühle und Gedanken von Angehörigen der Geiseln kamen im Gedicht „Kibbutz Be’eri“ zum Ausdruck, das von Philipp Herrmann verlesen wurde. Der von einer Freundin geschriebene Text handelt von Ohad Ben Ami, der am 7. Oktober entführt wurde und noch immer als Geisel festgehalten wird. Nach den Redebeiträgen wurden die Namen der 79 verbliebenen Geiseln verlesen – ein Moment, der die Stille auf dem Platz greifbar machte. Diese Namen wurden beim abschließenden Singen von „Blowin’ in the Wind“ mit Kreide auf den Boden geschrieben. Zum Ausklang luden die Veranstaltenden zu Gesprächen und Diskussionen ein – ein Angebot, das von vielen Anwesenden wahrgenommen wurde.
Ein Zuhörer brachte die besondere Bedeutung der Veranstaltung auf den Punkt: „Was ich an diesem Event so besonders fand, war, dass es die menschliche Seite der Situation gezeigt hat. Es gab israelischen Stimmen aus der Gesellschaft Raum – ein Kontrast zu der oft einseitigen Fokussierung der Medien auf Krieg, Konflikt und Diplomatie. Selbst wenn man keine klare politische Position hat, konnte man hier Israelis als Menschen hören und Israel als Gesellschaft sehen, nicht nur als einen abstrakten Staat.“
Diese Perspektive spiegelte den Kern der Veranstaltung wider: Solidarität und Menschlichkeit in den Mittelpunkt zu stellen und der Wunsch nach einer friedlichen Zukunft im Nahen Osten.
Text: Petra Quintini, Bilder: Nicole Niedermüller
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