Bene Mueller Baustelle Windpark Laenge 2025 01 16 ©dh

solarcomplex: Ökounternehmen mit vollen Auftragsbüchern

Ein Kommentar

Bene Mueller Baustelle Windpark Laenge 2025 01 16 ©dh
Bene Müller, Unternehmensvorstand von solarcomplex, an der Baustelle des Windparks „Länge“

Im Geschäftsjahr 2025 steht das Singener Bürgerunternehmen solarcomplex AG vor der bisher größten Projektpipeline seiner 25-jährigen Unternehmensgeschichte. Über 100 Millionen Euro werde das Investitionsvolumen betragen, teilt Unternehmensvorstand Bene Müller mit. Zu den bedeutendsten Großprojekten gehören der Windpark „Länge“ sowie die Wärmenetze für Hilzingen und Dettingen-Wallhausen.

Zwar sei das diesjährige Investitionsvolumen von 100 Millionen Euro für solarcomplex Rekord, aber auch für das Geschäftsjahr 2026 seien die Auftragsbücher des Bürgerunternehmens für erneuerbare Energien mit Firmensitz in Singen prall gefüllt. Mit diesen positiven Nachrichten wartete Bene Müller beim Pressegespräch zu Beginn des Geschäftsjahres auf.

Auch für 2027 habe man bereits Projekte mit weiteren 100 Millionen Euro in der Planung. Voraussetzung für einen erfolgreichen weiteren Ausbau erneuerbaren Energien auf kommunaler Ebene seien aber stabile Rahmenbedingungen seitens der Politik. Sorge bereiten ihm daher so manch derzeit „herumgeisternde“ energiepolitische Debatten.

Fürs abgelaufene Geschäftsjahr 2024 werde solarcomplex eine Bilanzsumme von über 100 Millionen Euro (2023: 98 Millionen Euro) ausweisen können. Eigenkapital, Bilanzsumme und Anlagevermögen würden kontinuierlich wachsen. Auch gelänge es, jährlich neue Kolleg:innen dazu zugewinnen und die Zahl der Beschäftigten zu erhöhen. Wie schon in den Vorjahren werde das nicht-börsennotierte Aktienunternehmen auch 2025 wieder eine kleine Dividende auszahlen. Zufrieden sei er auch mit dem bisherigen Verlauf der Aktienausgabe, mit der das Eigenkapital von 38 auf 45 Millionen Euro erhöht werden soll. Rund die Hälfte der erforderlichen sieben Millionen seien bereits eingesammelt worden.

Solarkraftwerke als Treiber der Energiewende …

Als geradezu „spektakulär“ benennt der Unternehmenschef die Kostenentwicklung bei Solarkraftwerken: Die einst teuerste Art, regenerativ Strom zu erzeugen, sei nun die günstigste. Bei großen gewerblichen und industriellen Anlagen – zum Beispiel auf Dächern von Firmengebäuden oder als Freilandanlagen – lägen die Erzeugungskosten für eine Kilowattstunde (kWh) Strom bei fünf bis sieben Cent (der Strompreis aus dem Netz beträgt für Firmen 23 Cent pro Kilowattstunde). 

Für 2025 geht er davon aus, dass zwischen 30 und 50 Megawatt Photovoltaik neu installiert werden können. Neue Solarparks werden unter anderem in Rielasingen, Tengen, Niedereschach, Rottweil und St. Georgen gebaut. Im Vergleich dazu: In den ersten 20 Jahren des Bestehens hat solarcomplex Anlagen mit insgesamt 50 Megawatt Solarstrom installiert.

… doch der Netzausbau kommt nicht hinterher

Die Freude über die große Nachfrage für Solarstrom wird aber weiterhin durch den schleppenden  Netzausbau getrübt: Es nütze nichts, erneuerbare Erzeugungskapazitäten zu schaffen, wenn das Netz und die Speicher nicht parallel ausgebaut werden. Und da Deutschland hier bekanntlich massiv hinterherhinkt, sieht Bene Müller die Gefahr, dass schon in spätestens zwei bis drei Jahren auch der Ausbau der Photovoltaik ausgebremst werde.

Wegen fehlender Netzkapazität verharre auch der geplante Solarpark Gebhardsreute bei Mühlhausen-Ehingen an der A 81 weiter in der Warteschleife, denn das Umspannwerk in Beuren an der Aach könne frühestens 2029 zum entsprechend leistungsfähigen Netzverknüpfungspunkt erweitert werden. „So lange bleiben halt die Ordner im Schrank“.

Netzinfrastruktur besser nutzen

Dennoch, es gebe auch Möglichkeiten, die Nutzung der derzeit bestehenden Netzkapazitäten zu optimieren: Die Ost-West-Ausrichtung der Modulreihen sei daher seit Jahren schon Firmen-Philosophie. So habe man (im Gegensatz zur vormals üblichen Süd-Ausrichtung) jeweils am Vor- und Nachmittag höhere Erträge. Um die Mittagszeit dagegen, wo oft zu viel Strom erzeugt werde, könne auf diese Weise die Spitzenlast reduziert und so eine Netzüberlastung vermieden werden.

Die Einspeisung von Solar- und Windkraftstrom am selben Netz-Verknüpfungspunkt sei eine weitere Möglichkeit, die Netzinfrastruktur bestmöglich zu nutzen, da bei diesen beiden Anlagenarten sowohl im Tagesverlauf als auch über die Zeit gesehen jeweils eine hohe Stromerzeugung der einen und eine niedrige Stromerzeugung der anderen Anlage sich quasi „ergänzen“: Vor allem tagsüber, im Sommer und bei Hochdruckwetterlage liefern Solarkraftwerke reichlich Strom. Windkraftanlagen hingegen sind im Winter, auch nachts und bei Tiefdruck am effizientesten.

Letztlich gewinne man so aber nur etwas Zeit, um „Projekte jetzt umzusetzen und nicht auf den Sankt-Nimmerleins-Tag zu verschieben“. An der Notwendigkeit des Netzausbaus werde dies aber nichts ändern, mahnt Müller.

Bei der Windkraft geht’s endlich voran

Richtig gute Neuigkeiten gibt es zu den beiden geplanten Windparks „Länge“ und „Brand“. Elf Jahre hat es von der Ausweisung des Teilflächennutzungsplans für den Windpark „Länge“ zwischen Hüfingen und Donaueschingen (Schwarzwald-Baar-Kreis) bis zum offiziellen Baubeginn gedauert. Zweimal wurde gegen das Projekt geklagt. 

Seit vergangenem November ist die Baugenehmigung für sechs große Windräder gerichtlich bestandskräftig, und die Bauarbeiten sind bereits in vollem Gange: Die Kranstellflächen sind vorbereitet, die Verkabelung gelegt und im Umspannwerk Blumberg ist die Übergabestation bereits vorbereitet. Für Sommer 2026 ist die Inbetriebnahme geplant. 60 Millionen Kilowattstunden pro Jahr (kWh) soll der Windpark ab dann erzeugen.

Auch die lang erwartete Genehmigung für die drei Anlagen des Windparks „Brand“ auf der Gemarkung Tengen oberhalb von Engen ist kurz vor Weihnachten erfolgt. solarcomplex war hierfür von der „IG Hegauwind“ mit der Projektierung beauftragt worden. Allerdings läuft die Klagefrist dagegen noch bis Anfang Februar.

So funktionieren Wärmenetze mit Seewasser …

In rund zwanzig Gemeinden hat das Öko-Unternehmen mittlerweile Wärmenetze in Betrieb genommen. Wärmenetze für Jungnau (Ortsteil von Sigmaringen) und Häusern (bei Waldshut) werden 2025 fertiggestellt werden. Die Arbeiten an der Erweiterung des Wärmenetzes für Hilzingen von 5,2 auf 18,4 Kilometer kämen gut voran und das Interesse der Hilzinger Hauseigentümer:innen sei groß, teilt Bene Müller mit. 2026 sei mit der Fertigstellung zu rechnen.

Die geplante gemeinsame Wärmenetzzentrale für die beiden Konstanzer Ortsteile Dingelsdorf und Wallhausen ist derzeit das größte Wärmeprojekt von solarcomplex – und zudem das erste Projekt mit Seethermie. Auf dem ehemaligen Sportplatz Klausenhorn soll eine Großwärmepumpe mit vier Megawatt Leistung gebaut werden. Rund 16 Kilometer würde die Netzlänge betragen. 350 bis 400 Haushalte könnten angeschlossen werden. Die produzierte Wärmemenge werde zwischen 11 bis 15 Millionen Kilowatt pro Stunde betragen. Zirka 23 Millionen Euro betrage das veranschlagte Investitionsvolumen.

Über eine Leitung wird Bodenseewasser entnommen, das über die Wärmepumpe seine Wärme in das Heizungssystem abgibt und abgekühlt wieder in den Bodensee zurückgeleitet wird. Weil die Wärmepumpe aber sehr viel Strom benötigt, sei zudem geplant, in ihrer unmittelbaren Umgebung einen Solarpark zur direkten Versorgung zu errichten. Denn nur wenn etwa die Hälfte des jährlichen Strombedarfs mit dem eigenen Solarpark gedeckt würde und nicht teuer aus dem Netz bezogen werden müsse, sei ein günstiger Preis für die ans Wärmenetz angeschlossenen Haushalte realisierbar. 

Da auch Pufferspeicher-Technik inzwischen deutlich kostengünstiger geworden ist, könnte dieses Projekt durch einen solchen ergänzt werden und so ein beispielhafter Baustein einer dezentralen Energieversorgung werden.

… Genehmigung vorausgesetzt

Doch noch ist das Projekt nicht in trockenen Tüchern. Zum einen könne die Umsetzung des Projektes noch an fehlender Förderung scheitern, warnt Müller auch mit Blick auf die Regierungsbildung nach der Wahl. Dass es Geduld braucht, bis die Zusage auf „Bundesförderung für effiziente Wärmenetze“ (BEW) eintrifft, hat die Gemeinde Hilzingen erfahren. Geklappt hat es 2024 schließlich doch noch. Aber nicht auszuschließen ist, dass die neue Bundesregierung diese Förderungen ganz einstellt.

03 Grafik 3 Bew Förderung 2025 01 16 Pressegespräch ©solarcomplex
Bundesförderung: … aber nur, wenn „neue Mittel zugewiesen werden“.

Zum anderen – so Müller – müsse erst noch geprüft werden, ob das für den Solarpark vorgesehene Grundstück bebaut werden darf, da es sich um einen Flora-Fauna-Habitat-Bereich handle. Falls nicht, müsse nach einem anderen Grundstück Ausschau gehalten werden, nicht weiter als einen Kilometer vom Heizwerk entfernt, damit die Leitung direkt vom Solarpark zur Wärmepumpe gelegt werden könne und keinen Meter durchs Netz gehen müsse (sonst Netzentgelt!). 

Klappt dies nicht, wäre es das Projekt-Aus, denn der von solarcomplex kalkulierte und in Kundenverträgen festgelegte Strompreis könne dann nicht gehalten werden.

„Kurs halten“ bei der Energiepolitik

Das heißt, noch steht die Wärmewende für Dettingen-Wallhausen unter Vorbehalt – wie so manch anderes Projekt, wenn künftig Förderungen ausbleiben, der Bau von Windkraftanlagen ausgebremst wird und der Ausbau des Stromnetzes nicht zügig vorangeht.

Auf die Frage, was sich der Ökounternehmer von der künftigen Bundesregierung wünsche, antwortet er: „Kurs halten“. Projekte, deren Umsetzung viele Jahre dauern, könne man nicht ständig ändern. Insbesondere das Bundesförderprogramm (BEW) für den Bau von Wärmenetzen müsse weiterlaufen. Falls nicht, wäre dies auch das Ende für die inzwischen zahlreichen von kommunalen Stadtwerken geplanten neuen regenerativen Wärmenetze, nicht nur für die des Singener Bürgerunternehmens.

„Es sind ja nicht nur wir, die Wärmenetze bauen“, sagt Müller. „Auch die Stadt Konstanz will eines bauen, die Stadtwerke Radolfzell ebenfalls, auch in Singen gibt es entsprechende Bestrebungen. Und die Aufsichtsratsvorsitzenden der Stadtwerke sind die (Ober)-Bürgermeister und diese meist CDU-Mitglieder.“ Daher habe er die Hoffnung, dass die künftige Bundesregierung nicht ihren eigenen Leuten den Boden unter den Füßen wegziehe …

Sechzig Prozent aus regenerativen Energiequellen

Ähnlich äußerte sich auch Wirtschaftswissenschaftlerin Claudia Kemfert, Energieökonomin beim Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung, in der Sendereihe „nano“ zum Thema Stromnetzausbau – wo stehen wir? mit Bezug auf ganz Deutschland: Die künftige Regierung werde beim Ausbau der Erneuerbaren die Früchte einfahren, welche die verbesserten Rahmenbedingungen und Verfahrensvereinfachungen der bisherigen Ampelregierung bewirkt haben.

Fakt bei der Stromproduktion ist auch: Im Jahr 2024 wurden 33 Prozent des Stroms aus Wind (und es gab so viele Rückmeldungen auf Ausschreibungen wie noch nie) sowie 14 Prozent aus Sonne (was der bisher größte Zuwachs bei Solarenergie war), neun Prozent aus Biomasse und fünf Prozent aus Wasserkraft erzeugt. Also über 60 Prozent aus regenerativen Energiequellen.

Folglich dürften ein Förderstopp und Ausbremsen der Erneuerbaren wohl die dümmste Alternative sein!

Text: Uta Preimesser
Foto: Dieter Heise, Grafiken: solarcomplex

Ein Kommentar

  1. Martin Fehringer

    // am:

    Wenn es nur stimmen würde zum Gewann Brand. Dort ist Klage eingereicht.
    https://naturschutz-initiative.de/aktuell/neuigkeiten/naturschutzinitiative-ni-klagt-gegen-windenergieanlagen-brand-im-hegau/
    Wird nur verschwiegen von den Medien im Landkreis.

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