Demo Konstanz Gegen Rechts 2024 02 © Pit Wuhrer

AfD-Verbot: Ja, unbedingt! Aber wann?

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Demo Konstanz Gegen Rechts 2024 02 © Pit Wuhrer
Protest gegen die AfD: Demo in Konstanz, Februar 2024

Am heutigen Donnerstag entscheidet der Bundestag über den Antrag einer fraktionsübergreifenden Gruppe von Abgeordneten, die ein Verbotsverfahren gegen die rechtsextreme AfD einleiten will. Über Sinn und Zweck eines Verbots debattierten vergangene Woche über hundert Antifaschist:innen in Konstanz. Zu welchem Ergebnis kamen sie?

Was tun gegen eine Partei, die inzwischen sogar der Verfassungsschutz für in Teilen rechtsextrem hält, die sich von einem durchgeknallten Auto- und Cyberoligarchen hofieren lässt, die mit ihren „Remigrations“-Phantasien die öffentliche Daseinsvorsorge gefährdet und mit ihrer Klimaignoranz Fluchtursachen verstärkt? Eine schwierige Frage. Wie wenig Gespräche fruchten, hatte vor zwei Wochen beispielsweise eine Podiumsdiskussion zum Thema „Perspektiven der Migrations- und Flüchtlingspolitik“ gezeigt. Zu ihr war auch der regionale AfD-Bundestagskandidat Bernhard Eisenhut geladen, der schnell erkennen ließ, dass ihm mit Argumenten nicht beizukommen ist.

Wie also sollte man vorgehen, um eine Wiederholung dessen zu vermeiden, was Anfang der 1930er Jahre in Deutschland geschah? Damals hatten die rechtskonservativen, nämlich katholischen, deutschnationalen, deutschliberalen Parteien, und ja, auch die Kommunist:innen, die Gefahr unterschätzt, die von der NSDAP ausging. Und nicht nur das: Die Bürgerlichen rückten den Nazis in der Erwartung näher, diese durch eine Übernahme ihrer Politik zurückzudrängen – was bekanntlich schief ging.

Dass Handeln dringend angesagt ist, sagen viele. Doch welche Schritte sind angebracht? Ein denkbares Vorgehen ist das Verbot der AfD, ein Mittel, das der Artikel 21 Grundgesetz vorsieht. Auf ihm basiert der Antrag, den Mitte November 124 Bundestagsabgeordnete beim Bundestagspräsidium einreichten. Die fraktionsübergreifende Gruppe plädiert schon länger für eine baldige Abstimmung im Parlament, außer dem nur Bundesregierung und Bundesrat einen Verbotsantrag stellen können.

Ist das Zeitfenster schon zu?

Aber was taugt überhaupt so ein Verbotsverfahren? Was braucht es dafür? Und welche Folgen hätte ein Scheitern? Darüber diskutierten Mitte vergangene Woche im Saal der Petrus- und Paulusgemeinde über hundert Besucher:innen mit den Vertreter:innen von fünf Parteien. Eingeladen hatte eine Reihe von Organisationen, darunter das Bündnis Konstanz für Demokratie, alle christlichen Gemeinden, die DGB-Gewerkschaften, die VVN und der Buchladen Schwarze Geiß – .

Gastgeberin Christine Holtzhausen gab die zentrale Frage vor: „Wie kann die demokratische Grundordnung vor der Aushöhlung des Rechts geschützt werden?“ Den Rahmen steckten die beiden Moderator:innen Dorothea Sick und Franz Segbers vom Bündnis Konstanz für Demokratie ab. Die AfD, sagte Segbers, „hetzt gegen Muslime, gegen Frauen, gegen queere und behinderte Menschen, sie befördert völkische Entrechtungs- und Vertreibungsszenarien.“ In diesem Punkt waren sich alle einig.

Reicht das für ein baldiges Verbotsverfahren gegen die AfD? Die Hoffnung darauf dämpfte in ihrem Eingangsvortrag Kathrin Groh, Professorin für öffentliches Recht an der Bundeswehr-Universität in München und  Mitautorin einer rechtswissenschaftliche Stellungnahme zu einem möglichen Verbotsverfahren. Das Zeitfenster für ein baldiges Verbot der AfD sei wahrscheinlich schon zu, sagte die Juristin; sie befürchte, dass der Bundestag „keinen positiven Beschluss mehr fassen“ werde.

Gescheiterte Verbotsversuche

Danach führte sie aus, wie komplex so ein Verfahren ist und erinnerte an die bisherigen Verbotsversuche. Denn erst zweimal – in den 1950er Jahren – hat das Bundesverfassungsgericht Parteien verboten: die Nazi-nahe Sozialistische Reichspartei (SRP) und die Kommunistische Partei Deutschlands (KPD).

Gegen die Nationaldemokratische Partei Deutschlands (NPD) wurden hingegen zwei Verbotsverfahren eingeleitet – und beide scheiterten. Das erste 2003 aus verfahrensrechtlichen Gründen, noch bevor es zur Verhandlung in Karlsruhe kam: Damals saßen V-Leute des Verfassungsschutzes in der Führungsebene der Partei und hatten möglicherweise die Entscheidungen der NPD beeinflusst.

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2017 entschied das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) dann erneut über ein NPD-Verbot. Dabei stellte das Gericht fest, dass die Partei zwar verfassungsfeindliche Ziele verfolge. Allerdings fehlten ihm konkrete „Anhaltspunkte von Gewicht, die es zumindest möglich erscheinen lassen, dass das Handeln der Partei erfolgreich sein kann“. Kurzum: Das BVerfG hielt es für wenig realistisch, dass die NPD ihre „verfassungswidrige Absicht in absehbarer Zukunft verwirklichen“ kann – und lehnte ein Verbot ab.

Das Verfahren wird also nicht einfach werden. Dazu gibt es gegen ein Verbot mehrere Bedenken: Wie würde wohl die Bevölkerung darauf reagieren? Entfremdet es die Menschen nicht weiter von der Demokratie? Könnte sich die AfD nicht dann erst recht als Opfer aufspielen? Wäre es nicht gleichbedeutend mit einer Kapitulation der Politik? Und würde es nicht dafür sorgen, dass rechte Wähler:innen ihren Unmut auf die Straße tragen? Und vielleicht nicht nur dorthin?

Kein Geld für AfD-Propaganda

Hinzu komme, wie Kathrin Groh ausführte, die lange Dauer: Vor einem Verbotsantrag vor Gericht – so steht es auch im Antrag der parlamentarischen Verbotsbefürworter:innen – müssten nämlich „die Bundesregierung und die Landesregierungen erst einmal alle ihre V-Leute aus der AfD abziehen, um die erforderliche Staatsfreiheit der AfD herzustellen“. Das gehe nicht von heute auf morgen. Außerdem muss eine Mehrheit der Abgeordneten zustimmen. Sehr wahrscheinlich ist das nicht: Zu den 124 Erstunterzeichner:innen des Antrags gehören eine Mehrheit der Linken-Abgeordneten, fast die Hälfte der Grünen-Fraktion – aber nur rund ein Sechstel der SPD-Parlamentarier:innen und lediglich sieben CDU-Abgeordnete; dabei wirbt der CDU-MdB Marco Wanderwitz schon lange für ein Verbot.

Und doch befürwortet Groh einen Verbotsantrag. „Ich persönlich möchte nicht, dass Rechtsextremismus das neue ‚Normal‘ wird“, sagte sie. Zudem sei zu bedenken, dass „die allermeisten, die die AfD wählen, sie nicht aus Protest wählen, sondern weil sie das rechtsextremistische Gedankengut der AfD gut finden.“ Ein Verbot könne dafür sorgen, dass „wir die Partei auch finanziell trocken legen“, dass ihr Vermögen eingezogen würde, dass ihr nicht mehr viele Millionen an Wahlkampfkostenerstattung und Fraktionszuschüssen zur Verfügung stünden, die sie derzeit „in ihre Propagandamaschine stecken kann“.

Mehrere der anwesenden Parteienvertreter:innen sehen das ähnlich: Verbot im Prinzip ja, aber nicht jetzt. Man müsse einen „wirklich felsenfesten Antrag stellen“ können, sagte beispielsweise Jonathan Beck, Mitglied des Konstanzer Kreisverbands und stellvertretender Bezirksvorsitzender der Jungen Liberalen. „Und dazu brauchen wir ein bisschen Zeit.“ Auch die Konstanzer SPD-Bundestagsabgeordnete Lina Seitzl plädierte dafür: „Ich bin positiv gestimmt, dass wir ausreichend Belege für ein Verbot finden können“, sagte sie. Aber sie halte „den Zeitpunkt jetzt für falsch“.

Niemanden allein lassen

Tobias Herrmann, stellvertretender Vorsitzender des CDU-Kreisverbands Konstanz, zeigte sich ebenfalls zuversichtlich: Wenn genügend Beweise für die Verfassungsfeindlichkeit der AfD vorlägen („und davon kann man ausgehen“), dann würde „auch die CDU dahinterstehen“. Nur sei es halt noch nicht so weit: „Die AfD darf nicht als Gewinnerin auf dem Verfahren hervorgehen.“

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Klare Botschaft an der Ravensburger Demo, 25. Januar 2025 / Foto © Oberschwaben gegen rechts

Etwas anders schätzen Rosa Buss, Bundestagskandidatin der Grünen im Landkreis, und Simon Pschorr von der Linken die Lage ein. „Die Beweislage ist bereits erdrückend“, sagte Pschorr, der Ende Monat aus dem Konstanzer Gemeinderat ausscheidet. „Eine Partei, die Begriffe wie Remigration in das Parteiprogramm schreibt und sich in öffentlichen Verlautbarungen rechtsradikaler Rhetorik bedient“, gehöre verboten. Allerdings sei auch ihm bewusst, dass mit dem Verbot der Rechtsradikalismus nicht verschwinde. Aber: „Je länger wir der AfD erlauben, ihre Propaganda in die Bevölkerung zu schicken, desto bereiter werden auch rechtskonservative Parteien sein, diese Propaganda zu übernehmen.“

Buss ist ebenfalls dafür, das Verbotsverfahren möglichst schnell auf den Weg zu bringen. Auf die Frage, was darüber hinaus von der Zivilgesellschaft getan werden könne, antwortete sie: „Wir müssen überparteiliche Bündnisse schmieden.“ Der Faschismus profitiere davon, „dass sich die Menschen alleine und hilflos fühlen, dass sie Angst haben, dass sie wütend werden auf das System, das vermeintlich gegen sie ist“. Daher sei Zusammenschluss wichtig und deswegen engagiere sie sich auch aktiv im Bündnis Konstanz für Demokratie. 

Chronische Sehschwäche gegen rechts?

Die Diskussion verlief ohne große Kontroversen – vielleicht auch weil FDP und CDU nicht Hardliner entsandt hatten (sondern eher Vertreter des jeweiligen progressiv-liberalen Flügels), weil ausschließlich Fragen beantwortet wurden (eine Debatte zwischen den angesprochenen Politiker:innen also kaum möglich war) und weil manche Aspekte aufgrund der Komplexität des Themas unter den Tisch fielen.

Zum Beispiel die Tatsache, dass es noch einen zweiten Gruppenantrag gibt, der etwas zurückhaltender formuliert ist, vor allem aus den Reihen der Grünen kommt und von der ehemaligen Bundesministerin Renate Künast favorisiert wird. Unter der Überschrift „Antrag zur Feststellung der Verfassungswidrigkeit der AfD“ sollen erst einmal die Erfolgsaussichten geprüft werden, bevor der Bundestag ein Verbotsverfahren beschließt. Auch über diesen Antrag wird am heutigen Donnerstag entschieden.

Und eine Frage wurde beispielsweise gar nicht erst gestellt: Wie sinnvoll ist es, bei der Bekämpfung der AfD auf einen Staat zu setzen, der sich in den letzen Jahrzehnten vorwiegend gegen links repressiv zeigte und die Rechtsextremen eher schonte? Das war nicht nur in der CDU-dominierten Nachkriegszeit so, bei den von der SPD in den 1970er Jahren erlassenen Berufsverboten, bei den NSU-Morden (die lange Zeit den Opfern angelastet wurden) oder beim rabiaten staatlichen Vorgehen gegen Klimaaktivist:innen. Es ist auch heute nicht anders, wie das Beispiel des bayerischen Berufsverbots für eine angehende Lehrerin demonstriert, die sich gegen die AfD und für mehr Klimaschutz einsetzt.

Interessant wäre auch eine Debatte über eine zentrale Äußerung des CDU-Vertreters Tobias Herrmann gewesen. Dieser hatte versichert, dass es von Seiten der CDU „mit der AfD überhaupt keine Zusammenarbeit geben“ werde. Und hinzugefügt: „Ich halte es für einen völlig falschen Weg, wenn man jetzt meint, man müsse rechte Parolen aufnehmen und sich zu eigen machen, um da rechts zu fischen und die Leute zu gewinnen.“ Wie ernst hatte er das nur zwei Tage, bevor sein Kanzlerkandidat Friedrich Merz mit menschen- und verfassungsfeindlichen Vorschlägen zur Migration die „Brandmauer zur AfD“ einriss, wohl gemeint?

Trotz aller Vorbehalte wurde die Haltung des Publikums im Verlauf des Abends noch klarer. Zu Beginn der Versammlung waren alle aufgefordert, mit einem Klebepunkt ihre Meinung zu äußern – für ein AfD-Verbot, dagegen oder unentschieden. Zu Veranstaltungsbeginn um 20 Uhr votierten, so die Organisator:innen, 63 für „ja“, 26 für „nein“, 26 für „unentschieden“. Nach der Debatte wurde erneut abgestimmt. Und da sprachen sich nur noch sechs Teilnehmer:innen gegen ein Verbot aus, sechs enthielten sich. Aber ob sich der Bundestag heute an diesem Votum orientiert?

Text und Fotos: Pit Wuhrer

Hinweis: Wer die Bundestagsdebatte verfolgen mag: Der Tagesordnungspunkt „Feststellung der Verfassungswidrigkeit der AfD“ ist auf heute, Donnerstag, 17:30 Uhr angesetzt.

2 Kommentare

  1. Gunder Haschker

    // am:

    Haben die Veranstalter mal drüber nachgedacht, was es für Folgen haben könnte, wenn man über 20% der Wählerschaft sozusagen auf die Verbotsliste setzt?
    Ich kann im privaten Leben unliebige Nachbarn und mir unsympathische Menschen auch nicht einfach verbieten.
    Wie wäre es denn mal, sich argumentativ mit den Thesen der AfD auseinanderzusetzen oder hat man davor Manschetten? Mit dem Finger drauf zu zeigen und „Nazis!“ zu schreien, ist natürlich einfacher, wird der Sache aber nicht gerecht.
    Es wird mit Sicherheit kein AfD-Verbot geben, also sollte man das Argumentative ins Auge fassen.
    Traut Euch!

  2. Norbert Faulhaber

    // am:

    Es ist absolut kein Zufall, dass das bisher letzte Parteiverbot in der damals noch jungen BRD die KPD traf. Wie verblödet muss die deutsche „Linke“ eigentlich sein, wenn sie sich lautstark für staatliche Repressalien einsetzt (etwa auch den so genannten „Verfassungscheck“, früher nannte man so etwas „Berufsverbot“), die sich schon morgen gegen sie selbst richten können? Oder ist das einem Bundeskanzler Merz etwa nicht zuzutrauen?

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