Claus Wolf und Christian Bollacher, 24.01.2025 Im Alm © Harald Borges

Das KZ vor der Haustür

Claus Wolf und Christian Bollacher, 24.01.2025 Im Alm © Harald Borges
Claus Wolf und Christian Bollacher bei der Präsentation der Ausstellung

Eine kleine Wanderausstellung im Archäologischen Landesmuseum (ALM) präsentiert Relikte aus Konzentrationslagern im heutigen Baden-Württemberg. Sie soll das Bewusstsein für das finsterste Stück deutscher Geschichte wachhalten.

Es gibt immer weniger überlebende Zeugen des nationalsozialistischen Terrors, daher kommt archäologischen Funden eine zunehmend größere Bedeutung für das Geschichtsbewusstsein zu. Die Archäologie der Moderne versucht, diese Lücke zu schließen und Zeugnisse der jüngeren Geschichte zu retten, ehe sie endgültig verschwinden.

Im Fall der Konzentrationslager heißt das, dass die nach dem Krieg oft anders genutzten Flächen, wo dies noch möglich ist, auf materielle Spuren, die Grundmauern abgerissener Gebäude und andere Zeugnisse hin systematisch untersucht werden. Dabei kommt selbst einer Zahnpasta-Tube, dem Knochen einer heimlich geschlachteten Katze oder einem Löffelstiel – all dies waren in den Lagern seltene Luxusgüter – historische Bedeutung zu, denn sie verraten viel über das Leben und Sterben der Opfer eines mörderischen Systems.

Wanderausstellung „das Kz Vor Der Haustür“ Im Alm 2025 01 24 B © Harald Borges

Kampf gegen die Zeit

An vielen Orten sind solche Spuren allerdings bereits verloren, denn viele ehemalige Außenstellen sind längst Gewerbegebiete oder auf andere Art überbaut, oft wurden die billig errichteten Baracken auch bald nach der Befreiung einfach abgerissen. Anderswo waren die Häftlinge gar in einem Schulgebäude mitten in der Stadt eingesperrt, das nach dem Krieg wieder seiner ursprünglichen Bestimmung gemäß verwendet wurde.

Es ist also höchste Zeit, Spuren zu sichten und zu sichern, und dies ist in der letzten Zeit im Rahmen eines systematischen Erfassungsprojekts geschehen. Im Fokus standen dabei die ehemaligen Standorte von Außenlagern und Zwangsarbeitsstätten des KZ-Komplexes Natzweiler. Christian Bollacher, Referatsleiter im Landesamt für Denkmalpflege im Regierungspräsidium Stuttgart, will in absehbarer Zeit eine Publikation mit den Ergebnissen der Bestandsaufnahme vorlegen. An ein eigenes Museum oder eine ähnlich repräsentative Präsentation der Relikte aus dem Ländle ist jedoch nicht gedacht.

Nach Angaben von Claus Wolf, dem Direktor des Archäologischen Landesmuseums Baden-Württemberg und Präsident des Landesamts für Denkmalpflege im Regierungspräsidium Stuttgart, ist es auch wichtig, die – übrigens auch in alliierten Luftaufnahmen dokumentierten – Areale rechtzeitig als Denkmäler auszuweisen. Das verhindert eine künftige Bebauung zwar nicht, gibt aber den Denkmalsschützer:innen ein gewisses Mitspracherecht bei den Planungen und ermöglicht im Zweifelsfall auch Rettungsgrabungen, ehe die Bagger anrücken.

Das Archäologische Landesmuseum

Das Archäologische Landesmuseum Baden-Württemberg präsentiert die südwestdeutsche Landesarchäologie und stellt auf anschauliche Weise auch die Methoden und Ergebnisse moderner archäologischer Forschung vor. Der Bogen spannt sich dabei von den Pfahlbauten des 4. Jahrhunderts v. Chr. an den Voralpenseen bis zur Mittelalterarchäologie in den alten Städten des Landes. Dem Museum sind sieben archäologische Zweigmuseen in Aalen, Bad Buchau, Blaubeuren, Oberriexingen, Osterburken, Rottweil und Walheim zugeordnet. Das ebenfalls angegliederte Zentrale Fundarchiv in Rastatt hat die Aufgabe, archäologische Fundstücke aus ganz Baden-Württemberg zu verwalten.

NS-Verbrechen vor der Nase

Die Ausstellung im ALM konzentriert sich auf das KZ Natzweiler-Struthof im damals vom Deutschen Reich besetzten Elsass. Natzweiler-Struthof unterhielt im heutigen Baden-Württemberg etwa 35 seiner 50 Außenlager. Sie befanden sich etwa in Spaichingen, Haslach oder Geislingen – allerdings nicht in der näheren Umgebung des Bodensees, denn die Lager im tiefen Südwesten gehörten zum KZ Dachau. (Siehe dazu auch Sabine Bades Buch „Ausflüge gegen das Vergessen – NS-Gedenkorte zwischen Ulm und Basel, Natzweiler und Montafon“ und ihre gleichnamige Serie im seemoz-Archiv.)

Solche Außenlager entstanden in der Spätphase des Zweiten Weltkriegs im Umfeld der „großen“ Konzentrationslager, ihre Insassen wurden vor Ort zur Zwangsarbeit in der Rüstungsproduktion gezwungen. Sie wurden von der SS und anderen Organisationen als Arbeitssklaven an Unternehmen regelrecht vermietet oder in Projekten wie dem Bau von Stollen zur unterirdischen Produktion eingesetzt. Der NS-Terror wurde durch diese Lager öffentlich sichtbar, das „KZ vor der Haustür“ zur geläufigen Erscheinung.

Wanderausstellung „das Kz Vor Der Haustür“ Im Alm 2025 01 24 D © Harald Borges

Eklatanter Bruch zivilisatorischer Normen

Der KZ-Komplex Natzweiler steht für ein deutsches Verbrechen von europäischer Reichweite. Mehr als 52 000 Personen aus über 30 europäischen Nationen wurden in eines oder mehrere der Natzweiler-Lager deportiert. Schätzungsweise mehr als 20.000 Häftlinge kamen dort ums Leben.

„Im Jahr 2018 wurde dem ehemaligen Konzentrationslager Natzweiler-Struthof und seinen etwa 50 Außenlagern in Frankreich und Deutschland von der EU-Kommission das Europäische Kulturerbe-Siegel verliehen. Die Auszeichnung erinnert an den KZ-Terror des NS-Regimes als eklatanten Bruch zivilisatorischer Normen und kultureller Grundwerte“, erläutert das ALM.

Die als Kabinetts- oder Foyer-Ausstellung konzipierte Sonderpräsentation, die auf Wunsch auch Schulen und anderen Einrichtungen zur Verfügung gestellt wird, lädt dazu ein, sich dem Thema Denkmalpflege an NS-zeitlichen Terrororten über Texte und Exponate zu nähern. Bei den ausgestellten Objekten handelt es sich um Funde aus baden-württembergischen Konzentrationslagern, die bei Grabungen und Geländebegehungen geborgen wurden.

Die Sonderpräsentation wurde bewusst klein gehalten, um an vielen verschiedenen Orten gezeigt werden zu können. Sie kann das Thema nicht komplett ausloten, sondern will den Wunsch wecken, sich mit der Geschichte der Konzentrationslager in der eigenen Region auseinanderzusetzen.

Begleitprogramm

Führungen

In Kooperation mit der Initiative „Stolpersteine für Konstanz – Gegen Vergessen und Intoleranz“ wird es Führungen geben. Aktuelle Termine unter www.alm-konstanz.de.

Vorträge im ALM

13.02.2025, 18.00 Uhr: Abend der Archäologie – „Historische Archäologie an Orten des nationalsozialistischen Terrors“. Attila Dészi, Landesamt für Denkmalpflege im Regierungspräsidium Stuttgart.

20.03.2025, 18.00 Uhr: Abend der Archäologie – „Konzentrationslager im Bodenseegebiet“. Oswald Burger, Historiker.

Lesung im Theater

27.01.2025, 19.00 Uhr: Ich habe alles gesehen. Lesung anlässlich des Gedenktags an die Opfer der NS-Zeit. Mit Michaela Allendorf, Intendantin Karin Becker, Julius Engelbach und Rujin Min (Violine). Eintritt frei, Zählkarten sind an der Theaterkasse im KulturKiosk erhältlich.

Praktische Informationen

Was: Sonderpräsentation „Das KZ vor der Haustür“.
Wann: 25.01.–13.04.2025. Dienstag bis Sonntag, Feiertage: 10–17 Uhr.
Wo: Archäologisches Landesmuseum Baden-Württemberg, Benediktinerplatz 5, D-78467 Konstanz, E-Mail info@konstanz.alm-bw.de, Telefon +49 7531 9804-0, , www.alm-konstanz.de.
Wofür: Der Eintritt ist im Ticket für die Dauerausstellung inbegriffen. 5,– Euro, ermäßigt 4.– Euro, bis einschließlich 17 Jahre frei.

Text (unter Verwendung einer Medienmitteilung) & Bilder: Harald Borges. Zu sehen sind oben v.l.n.r. Claus Wolf, Direktor des Archäologischen Landesmuseums Baden-Württemberg und Präsident des Landesamts für Denkmalpflege im Regierungspräsidium Stuttgart, sowie Christian Bollacher, Referatsleiter im Landesamt für Denkmalpflege im Regierungspräsidium Stuttgart.

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