Bereits vor einem Monat veröffentlichte die Stadt Konstanz das Ergebnis der Klimaschutzauditierung „European Energy Award (EEA)“, das gezeigt hatte, dass der Klimaschutz in Konstanz nicht mehr preiswürdig ist. Der Klimaschutzbericht 2024 bestätigt diese Einschätzung mit aktuellen Zahlen. Er wird heute im Rathaus vorgestellt. Umweltaktivist:innen von Fridays for Future werden auch dabei sein.
Bereits in der Einleitung zieht der Klimaschutzbericht 2024 ein erschütterndes Fazit: „Eine weitgehende Klimaneutralität bis 2035 oder auch 2040/45 wird mit dem jetzigen Mittel- und Personaleinsatz nicht zu schaffen sein.“ Und weiter: „Auch kostenintensivere oder politisch umstrittene Maßnahmen müssten wir längst gemeinsam mit ‚Selbstläufern‘ wie dem PV-Ausbau angehen.“ Wobei angemerkt sei, dass die Stadt selbst bei den „‚Selbstläufern‘ wie dem PV-Ausbau“ das selbstgesteckte Ziel deutlich verfehlt.
Dennoch gibt es auch einige Lichtblicke. Zentrale Themen wie der Wärmenetzausbau schreiten weiter voran oder die Gesamtanzahl an Pkw sinkt marginal. Hier die Details in der Übersicht:
Treibhausgasemissionen: 100.000 Tonnen zuviel
Hier zeigt sich besonders deutlich, wie sehr die städtischen Klimaschutzbemühungen hinter dem tatsächlich anvisierten Ziel zurückfallen. Während von 2021 bis 2022 energiekrisenbedingt ein Rückgang der CO2-Emissionen von fünf Prozent erreicht werden konnte, setzt sich dieser Trend im Jahr 2023 (dem neuesten Jahr mit Treibhausgas-Daten) nicht weiter fort. Die Emissionen konnten lediglich um ein Prozent statt den anvisierten jährlichen zehn Prozent reduziert werden.
Die städtischen Treibhausgasemissionen von 2023 liegen damit bei etwa 370.000 Tonnen CO2 und damit etwa 100.000 Tonnen über dem anvisierten Jahresziel. Hinzu kommt, dass für die Zukunft aktuell keine gravierenden Beschleunigungen gegenüber dem eingeschlagenen, deutlich zu langsamen Pfad zu erwarten sind.
Der genauere Blick auf die Emissionen der Energieträger offenbart: Der Trend weg vom Erdgas setzt sich fort, wenn auch in der eher gemächlichen Vorklimanotstandsgeschwindigkeit. Die beschleunigte Abkehr des Energiekrisenjahres 2022 ist beendet. Eher gemächlich sinkt auch der Heizölverbrauch, während die Stromemissionen nicht mehr weiter sinken, vermutlich durch die verstärkte Elektrifizierung der Sektoren Mobilität und Wärme.
Der Blick auf die verschiedenen Teilsektoren offenbart die genaueren Trends im Klimaschutz:
Wärmewende: Die ungeklärte Partnerfrage
Etwa vierzig Prozent der gesamten Treibhausgasemissionen der Stadt entfallen auf den Wärmesektor. Die Lösungsstrategie besteht grundsätzlich darin, in einigen Bereichen der Stadt große Wärmenetze zu errichten, die Gebäude, die an das Netz angeschlossen sind, mit Wärme versorgen.
In Stadtteilen, in denen kein Wärmenetz sinnvoll ist – zum Beispiel aufgrund einer geringen Wärmedichte wie in Allmannsdorf –, müssen die Bewohner:innen selbst aktiv werden und in der Regel selbst auf eine Wärmepumpe umrüsten. In Gebieten, in denen kein Wärmenetz geplant ist, will die Stadt mit der sogenannten Energiekarawane Beratungsangebote zu Sanierung und Heizungswechsel intensivieren.
Nach aktuellen Planungen können fast die Hälfte der Wärmeemissionen, also 20 Prozent der Gesamtemissionen, durch den Bau der geplanten Wärmenetze reduziert werden. „Es handelt sich folglich um den Einzelbereich, der mit Abstand den größten Reduktionsspielraum bietet“, heißt dann auch im Klimaschutzbericht.
Umso erfreulicher ist es daher, dass im Bereich Netzplanung und -bau Fortschritte zu verzeichnen sind. Mehrere Wärmenetze sind insgesamt geplant: Altstadt + Paradies, Petershausen-West, Bodenseetherme, Berchengebiet, das Neubaugebiet Hafner sowie ein weiteres Netz durch die Firma solarcomplex in Dingelsdorf und Wallhausen. Bis auf das Netzgebiet Petershausen-West sind alle Machbarkeitsstudien abgeschlossen. Der Bau des ersten Netzes in Dingelsdorf und Wallhausen soll bereits in wenigen Monaten starten, wohingegen in der Konstanzer Kernstadt der Baubeginn der ersten Netze in zwei Jahren geplant ist – mit dem Ziel, bis 2030 erste Wärmeverbünde abgeschlossen zu haben.
Für das Gebiet Bodensee-Therme (sowie in weiterer Planung vermutlich auch für die weiteren Netze) wurde zudem ein Joint Venture mit einem:r anderen Partner:in beschlossen; mit ihm soll das Netz gemeinsam gebaut und betrieben werden.. Wer diese:r Partner:in ist und was die genauen Konditionen sind, ist zum jetzigen Zeitpunkt geheim. Aus Gemeinderatskreisen heißt es nur, dass im März/April die Öffentlichkeit informiert werde.
Insgesamt vier Wärmenetzverbünde wollen die Stadtwerke parallel aufbauen und befinden sich bereits in der dafür notwendigen internen Umstrukturierung. Das alles setzt aber voraus, dass die Stadtwerke „passende Finanzierungskonzepte“ entwickeln – und das Bundesförderprogramm „Effiziente Wärmenetze“ bestehen bleibt.
Stromwende: nur linearer Ausbau
Die Klimaschutzstrategie schreibt der Stadt das Ziel zu, jährlich 10 Megawatt peak (MWp) an Solaranlagen zu bauen, damit die Stadt bis 2035 mit einer Gesamtleistung von 150 MWp an Solaranlagen ein Viertel ihres prognostizierten Stromverbrauchs selbst decken kann.
Nach einigen Anlaufschwierigkeiten konnte die Stadt im vorletzten Jahr ihren PV-Ausbau gegenüber dem Vorjahr verdreifachen, auf über 5 MWp pro Jahr. Diese Steigerung hat sich leider nicht weiter fortgesetzt; stattdessen verharrte der jährliche PV-Ausbau 2024 auf beziehungsweise leicht unter dem 2023er Niveau. Bis zum Stichtag 29. November 2024 wurden PV-Anlagen mit einer Leistung von insgesamt rund 4,8 MWp neu errichtet; laut Marktstammdatenregister waren es im gesamten Jahr 2024 5,5 MWp.
Verkehrswende: Das Problem mit den Alten
Die marginale Reduktion sowohl der Gesamtanzahl an Pkw als auch der Pkw pro 1000 Einwohner:innen setzt sich fort, allerdings weitab der anvisierten Geschwindigkeit. Die Konstanzer Klimaschutzstrategie setzt das Ziel, bis 2035 die Gesamtanzahl an Pkw nahezu zu halbieren – davon ist aktuell nichts zu sehen! Lobenswert ist es trotzdem, dass die Konstanzer Pkw-Flotte entgegen dem bundesweiten Trend nicht weiter wächst.
Was genau diese Entwicklung antreibt, ist zum aktuellen Zeitpunkt unklar. Im Anbetracht der Tatsache, dass in einigen „ökologischen Vorreiterstädten“ wie Tübingen oder Freiburg ein Plateau, eine Art Obergrenze, der Pkw-Anzahl erreicht ist, könnte am veränderten Mobilitätsverhalten bestimmter Bevölkerungsschichten liegen. Ein Konstanzer Klimamobilitätsplan würde eventuell mehr Hinweise geben. Er soll eigentlich seit einigen Jahren veröffentlicht werden, befindet sich aber nach wie vor in der internen Abstimmung.
Eine Freiburger Mobilitätsumfrage von 2023 nennt hingegen Fakten: „In den meisten Altersgruppen ist eine Stagnation der Pkw-Dichte festzustellen. Eine Ausnahme stellen die 35- bis unter 50-Jährigen dar, bei denen in den letzten Jahren ein starker Rückgang der Pkw pro Personen feststellbar ist.“ Dass die Pkw-Dichte nicht auch insgesamt zurück gehe, liegt an den Senior_innen. So hat die Personengruppe der über 65-Jährigen ihren Pkw-Bestand in den letzten 12 Jahren stark ausgeweitet. In dieser Altersgruppe ist im Zeitraum von 2010 bis 2022 eine wesentliche Zunahme der Pkw pro Person festzustellen.“
Fazit: Ziele kilometerweit verfehlt
Insbesondere im Wärmenetzausbau sind im vergangenen Jahr wichtige Planungsgrundlagen geschaffen worden. Doch im Anbetracht der Tatsache, dass die Stadt in allen wichtigen Bereichen ihre selbst gesteckten Ziele kilometerweit verfehlt und aktuell nichts darauf hindeutet, dass sich daran in absehbarer Zeit irgendetwas ändert, sollte eine ernsthafte Debatte darüber einsetzen, welche Konsequenzen daraus gezogen werden.
Werden wir einmal im Jahr Bilanz ziehen, dabei feststellen, dass kein Indikator im Einklang sowohl mit den ambitionierten selbstgesteckten als auch mit den etwas schwächeren gesetzlichen Klimaschutzzielen ist – und diese Erkenntnis dann bis zur nächsten Bestandsaufnahme vergessen? Oder werden wir die deutlichen Zielverfehlungen zum Anlass nehmen, konkrete Maßnahmen zu ergreifen?
Text: Manuel Oestringer / Grafiken: aus diversen Veröffentlichungen der Stadt Konstanz und der Stadtwerke / Symbolbild Klimawandel: pixabay
Die Konstanzer Gruppe von Fridays for Future ruft dazu auf, während der Vorstellung des neuen Klimaschutzberichts heute im städtischen Haupt-, Finanz- und Klimaausschuss Präsenz zu zeigen. Donnerstag, 16. Januar, im Rathaus, Kanzleistraße 15. Beginn der Sitzung: 17 Uhr.
Schreiben Sie einen Kommentar