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Engagiert und widerspenstig: Wer wars? (25)

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Die zündelnde Kommunardin

Sie wollte „die absolute Freiheit, nichts als die Freiheit”, und da ihr Credo für alle galt, vertei­digte sie, 58-jährig, nach einem Mordanschlag auch den Mann, der auf sie geschossen hatte: Er sei „von einem bösartigen System fehlgeleitet” worden, sagte sie. Konsequent war die zu ihrer Zeit meistgehasste und meistgeliebte Frau immer gewesen. 1830 als uneheliche Tochter einer Magd und eines Schlossherrnsohns in der ostfranzösischen Provinz auf die Welt gekom­men, wuchs sie umsorgt von ihren Großeltern auf dem Land heran und verschenkte, bestürzt über das Elend der Bevölkerung, einen Teil des Gelds ihrer Familie an die Armen.

Die überzeugte Republikanerin absolvierte eine Ausbildung als Grundschullehrerin, verzichtete aber auf eine Anstellung im Schuldienst, weil sie einen Eid auf den Kaiser ablehnte. Und in Paris, wohin sie im Alter von 26 Jahren umgezogen war, weil sie unter der Demut der Landbevölkerung litt, unterrichtete sie nicht nur an einer privaten Mädchenschule: Sie engagierte sich in Frauengruppen und schloss sich der sozialistischen Opposition an.

Konsequent blieb sie auch, als im Schatten des deutsch-französischen Kriegs am 18. März 1871 – also vor 150 Jahren – das Pariser Proletariat die Macht übernahm,  die Herrschenden und deren Armee aus der Stadt vertrieb und die erste Rätedemokratie der Geschichte ausrief. Die Abgeordneten (zumeist aus der Arbeiterklasse) waren der Bevölkerung direkt verantwortlich, Richter wurden gewählt, an die Stelle der alten Unternehmen traten Genossenschaften, Männer und Frauen erhielten den gleichen Lohn und dasselbe Recht auf Bildung, Kirchengüter wurden konsfisziert … Und mitten drin stand die Grundschullehrerin, die Suppenküchen organisierte, Kooperativen aufbauen half, Verwundete versorgte  und – als die Reaktion zurückschlug – sich eine Uniform an zog und mit ihrem Frauenbataillon auf den Barrikaden kämpfte.

Die Niederschlagung der Pariser Kommune nach 72 Tagen kostete 30.000 Aufständische das Leben; die meisten wurden exekutiert. „La pétroleuse”, die Zündlerin, wie sie von den Bürgerlichen genannt wurde, verschonte man jedoch – obwohl sie vor dem Kriegsgericht nichts bereute und die volle Verantwortung für den Aufstand und die brennenden Barrikaden übernahm. „Wenn Sie mich leben lassen, werde ich nie aufhören, nach Rache zu rufen“, sagte sie und fügte hinzu: „Wenn Sie keine Feiglinge seid, töten Sie mich.” Die siegreiche Bourgeoisie wollte keine Märtyrerin schaffen und verbannte die von den Massen verehrte „Jeanne d‘Arc des Anarchismus” 1873 auf die französische Kolonialinsel Neukaledonien.

Doch auch dort gab sie keine Ruhe: Sie unterstützte die indigenen Bevölkerung bei einer antikolonialen Revolte. Nach einer Generalamnestie 1880 kehrte sie nach Frankreich zurück, forderte ein Ende der Frauendiskiminierung, unterstützte streikende Textilarbeiterinnen und führte 1883 eine Hungerdemonstration an, bei der drei Bäckereien geplündert wurden. Als Rädelsführerin erneut verurteilt (diesmal zu sechs Jahren Haft), kam sie aufgrund von Protesten nach drei Jahren frei und setzte ihre Agitation fort. Sie formulierte Aufrufe gegen die Mächtigen, hielt mitreißende Reden für Freiheit und Gleichheit und reiste durch Frankreich, England, Belgien und die Schweiz. 1905 starb sie im Alter von 74 Jahren während einer Vortragsreise in Marseille.

Wie heißt die von Victor Hugo mit einem Gedicht geehrte Revolutionärin, deren Sarg weit über 100.000 Menschen begleiteten und nach der in Paris eine Metrostation benannt ist?

Text: Pit Wuhrer

Auflösung des Rätsels

In unserem Rätsel fragten wir nach der französischen Pädagogin, Schriftstellerin, Anarchistin und Feministin Louise Michel (1830–1905). In vielen französischen Städten tragen Straßen den Namen der Frau, für die Freiheit ohne Gleichheit nichts war. Zu Beginn der Pariser Kommune hatte sie die bürgerlichen Truppen mit dem Appell „Schießt ihr auf uns, auf eure Brüder und Kinder?” zu entwaffnen versucht. Kurz danach wollte sie den damaligen Staatspräsidenten Adolphe Thiers töten, erkannte jedoch – wie sie in ihrer Auto­bio­gra­fie schrieb – in den gesellschaftlichen Strukturen das Hauptübel, weil in ihnen „selbst die Redlichen, einmal an die Macht gekommen, zu Schurken werden”.

Bei ihren Vortragsreisen wurde Louise Michel oft von aufgehetzten Menschen verfolgt, die sie aber meist durch Zureden beruhigen konnte: „Das ist nur, weil sie uns nicht kennen“, sagte sie. Bis zum Ende sei sie ihrem großen Ziel treu geblieben, schreibt Eva Geber in dem von ihr herausgegebenen Buch „Louise Michel: Texte und Reden“ (bahoe books, Wien 2019) und zitiert die große Optimistin: „Die Revolution ist die Blüte der Menschheit, so wie die Liebe die Blüte des Herzens ist.“ pw

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