Loewenquartier Wollmatingen © Gedstaltungsbeirat Konstanz 2024 12 04

Neue Runde im „Löwen“-Poker

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Gasthaus Löwen Wollmatingen © Pw

Gleich zwei städtische Gremien befassten sich dieser Tage einmal mehr mit dem Bauvorhaben auf dem Gelände des Gasthofs, das die Ortsmitte von Wollmatingen künftig prägen wird. Der „Löwen“ soll abgerissen und durch drei Wohnhäuser ersetzt werden – seemoz berichtete. Viele Wollmatinger:innen missbilligen das Vorhaben. Mitentscheiden dürfen sie aber nicht.

Für die Ortsmitte wird derzeit ein Bebauungsplan aufgestellt. Der soll regeln, was wo wie groß und für welche Nutzung gebaut werden darf. Im Regelfall müssen Bauherr:innen in dem von der Planaufstellung betroffenen Gebiet mit ihren Vorhaben warten, bis der Plan beschlossen ist: Es gilt eine Veränderungssperre.

Doch keine Regel ohne Ausnahme. „Wenn absehbar ist, dass das Vorhaben den zukünftigen Festsetzungen des Bebauungsplans nicht widerspricht, kann eine Ausnahme von der Veränderungssperre zugelassen werden“, heißt es im Gesetz.

Dem wollten die Freie Grüne Liste FGL&Grüne einen Riegel vorschieben und beantragten deshalb im Technischen und Umweltausschuss (TUA), für die Ortsmitte Wollmatingen keine Ausnahme zuzulassen. Die Verwaltung schloss sich dem an und die kurze Diskussion zu fortgerückter Stunde mündete in den Mehrheitsentscheid: Keine Ausnahme! Zumindest bis zum sogenannten Abwägungsbeschluss. Der wertet die Anregungen und Stellungnahmen der Bürger:innen und Behörden zum Bebauungsplan aus und legt dessen finale Version vor.

Loewenquartier Wollmatingen © Gedstaltungsbeirat Konstanz 2024 12 04
Um dieses Areal geht es

Da die Wollmatinger:innen diesmal nicht die Zuschauerplätze bevölkerten, sei ihnen gesagt: Vier Räte aus dem bürgerlichen Lager waren mit einem Festzurren der Veränderungssperre nicht einverstanden und enthielten sich der Stimme.

Wann es mit dem Bebauungsplan weitergeht, erfuhr man tags drauf im Gestaltungsbeirat. Im März 2025, so Marion Klose, Leiterin des Amts für Stadtplanung und Umwelt, könne man den Planentwurf wohl dem Gemeinderat vorlegen und im Sommer die Abwägung abschließen. 

Was macht der Gestaltungsbeirat?

Auch im Gestaltungsbeirat war der „Löwen“ wieder Thema. Anders als der TUA darf der Gestaltungsbeirat (GBR) zwar nichts entscheiden, doch seine Empfehlungen haben Gewicht. Wortführer:innen, zumindest im öffentlichen Teil, sind die Fachleute, vier renommierte Architekt:innen, darunter auch ein Schweizer und eine Vorarlbergerin. Die Kommunalpolitiker:innen, nämlich der Baubürgermeister und je ein Mitglied jeder Ratsfraktion, wirken in diesem Beirat nach außen eher als schmückendes Beiwerk.

Die Sitzungen des GBR laufen in etwa so ab: Vormittags Exkursion zu den Örtlichkeiten der zu beratenden Bauvorhaben. Nach dem Mittagessen dann die Sitzung, meist öffentlich, zu manchem brisanten Vorhaben aber auch geheim. Architekt:innen und Projektentwickler stellen ihr Vorhaben vor, das Gremium zieht sich zur Beratung zurück, um dann, jetzt wieder vor Publikum, seine Empfehlungen zu geben.

Diese verkündet gewöhnlich der Beiratsvorsitzende Martin Haas, mehrfacher Gastprofessor, Mitbegründer der Deutschen Gesellschaft für Nachhaltiges Bauen (DGNB) und souverän genug, um irgendwann im Lauf des Nachmittags beiläufig zu erklären, am nachhaltigsten sei es doch, nicht zu bauen – eigentlich eine Binsenweisheit, für einen Architekten aber doch eine bemerkenswerte Aussage.

Tricksereien um die Gebäudehöhe

Zurück zum Löwenquartier. Dessen Architektenteam, das auf dem Gelände drei Häuser plant, steht nun bereits zum dritten Mal vor dem Gestaltungsbeirat. Bei der letzten Sitzung hat es als eine von mehreren Hausaufgaben bekommen, zumindest das Haus entlang der Litzelstetter Straße, also gegenüber der Kirche, und jenes auf der Rückseite (Löwengasse) des Areals um ein Geschoss zu reduzieren. Womit dann, rechnet man die Dachgeschosse mit ein, noch immer vier Etagen blieben, an der Radolfzeller Straße gar fünf.

Einem Schüler könnte man vielleicht noch zugute halten, er habe die Aufgabe nicht richtig verstanden, doch die um maximale Ausnutzung bemühten Löwen-Architekten wissen, was sie tun – und tricksen. Gegenüber der Kirche hat das Haus 2 auf Straßenniveau nun eine Tiefgarageneinfahrt und Stellplätze, was im Baurecht sicher nicht als Vollgeschoss zählt, aber doch eine gewisse Höhe braucht. Auf der etwas tiefer gelegenen Hofseite reicht es gar für eine ebenerdige Wohnung. Dergleichen Tiefparterre entsteht auch auf der Hofseite von Haus 3, das nur zur Löwengasse hin nun ein Geschoss weniger hat als im früheren Entwurf.

Dem Ausschuss merkt man an, dass die Hausaufgabe zwar formal, aber nicht zur vollen Zufriedenheit erfüllt wurde. Doch er beließ es bei der Empfehlung, das prägende Haus an der Radolfzeller Straße doch noch um einen Höhenmeter abzuspecken,und gab dazu entsprechende Tipps.

Die um den dörflichen Charakter ihrer Ortsmitte besorgen Wollmatinger:innen werden sich damit nicht begnügen und hoffen nun auf den Bebauungsplan, der das letzte Wort haben wird. Dieser, so will es das Gesetz, muss öffentlich ausgelegt werden, und da dürfen alle ihre Einwendungen vorbringen. Ob die Planer:innen diese Einwände dann aber berücksichtigen oder sich darüber hinwegsetzen, steht auf einem anderen Blatt.

Text: Ralph-Raymond Braun
Straßenbilder: Pit Wuhrer / andere Abbildungen: aus den Unterlagen des Gestaltungsbeirats der Stadt Konstanz, 4. Dezember 2024

6 Kommentare

  1. Peer Mennecke

    // am:

    Das Problem sind nicht unbedingt die Bauvorschriften. Mit denen kommt man schon zurecht. Das Problem ist eher die Trägheit der Instanzen. Hätten wir aber keine stadtplanerischen Vorgaben wie Bebauungspläne, würde sich so mancher Kommentator hier bald die Frage stellen, ob er nicht lieber auswandern möchte. Und hätten wir gar amerikanische Verhältnisse, wären einige von uns nach dem nächsten Wintersturm obdachlos.
    Der Gestaltungsbeirat ist wahrlich kein Luxus. Er ist im Gegenteil das beste, was uns, aufgrund der nun wirklich nicht oder nur wenig mit der Materie vertrauten sonstigen Entscheidungsträger, passieren konnte.

  2. Anselm Venedey

    // am:

    @ Wolfgang Daub
    Der „Gestaltungsbeirat“ wurde 2009 eingeführt.
    Die drei von Ihnen genannten Bauten sind allesamt älter. Dämmert’s jetzt?

  3. Helmut Reinhardt

    // am:

    @M. Oehlschläger
    Ohne das bestehende Baurecht wär das Quartierzentrum am Königsbau schon längst verschwunden und das Leben für einige dort schwerer. Dass es noch steht, ist dem vorhandenen Gestaltungsbeirat und dort aktiv gewordenen Anwohner:innen zu verdanken, die Unterschriften von über 4000 Bürger:innen für den Erhalt der Gebäude, der Nahversorgung durch einen Lebensmittelmarkt und der Gastronomie sammelten. (Dazu beigetragen durch „Wachrütteln“ hat auch seemoz – Link unten).
    Das Kapital, hier in Gestalt von Bauherrn, darf (noch?) nicht alles selbstherrlich regeln, bei Grund und Boden sollte das schon gar nicht der Fall sein, da nicht, wie etwa Brot, vermehrbar.
    „Der Markt regelt das, wurde mir gesagt, aber Menschen lassen sich nicht gerne regeln“, so brachte es ein betroffener Marktbetreiber neulich auf den Punkt.
    https://archiv.seemoz.de/lokal_regional/das-meera-wird-abgerissen-und-das-costa-macht-dicht-i/

  4. Wolfgang Daub

    // am:

    Was kostet denn dieser Gestaltungsbeirat? Er hat in der Vergangenheit weder die Betonkiste am ALM, das Lago oder das Sealife verhindert, gell? Also ich halte den Seniorenbeirat für wesentlich wichtiger (und vermutlich auch billiger!)?

  5. Bernd Eisenbarth

    // am:

    D’accord, Oehlschläger, und wenn man dann sieht, was nach dem ganzen Hin und Her für Bauten herauskommen, kratzt man sich zuweilen verwundert am Kopf. Das Sprichwort „Viele Köche verderben den Brei“ scheint hier zu zutreffen. Gleichwohl sollte Bewohnern, die mit den Bauergüssen ihrer Nachbarn dann jahrelang leben müssen, ein gewisses Mitspracherecht erhalten bleiben.

  6. M. Oehlschläger

    // am:

    Ich bin jedes Mal wieder aufs Neue fasziniert, wie komplex das deutsche Baurecht ist.
    Wir brauchen Wohnungen, die entstehen nicht mit so einem komplexen Baurecht und so vielen Personen, die an einem Bauvorhaben mitreden.

    Inzwischen bin ich der Meinung man müsste es wie in den USA machen. Minimalste Bauvorschiften, kein Mitspracherecht der Nachbarn und schon gar nicht vom Staat.
    Wenn ich das schon wieder lese. Bebauungsplan, dieser Ausschuss jenes Gremium. Wie kompliziert wollen wir bauen eigentlich noch machen? Am Schluss kommt dann noch das Denkmalamt und findet einen alten Nagel, weshalb der alte Schrott dann erhalten bleiben muss.

    Wir machen uns das Leben selbst schwer und wundern uns weshalb in diesem Land nichts vorwärts geht.

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