Kneipe, Bierglas Symbolbild 02 © Harald Borges

Dürfen Gaststätten bald länger öffnen?

6 Kommentare

Kneipe, Bierglas Symbolbild 02 © Harald Borges

Die Öffnungszeiten von Kneipen, gerade in der Innenstadt, erregen seit jeher die Gemüter wie wenige andere Themen. Jetzt hat es das Thema Sperrzeitverkürzung wieder einmal auf die Tagesordnung des Gemeinderates geschafft.

Wie nicht anders zu erwarten, ist die Ausgangslage nicht ganz einfach. Den Rahmen für die Sperrzeiten legt das Land mit seiner Gaststättenverordnung fest (die sich übrigens in gleich vier Paragraphen erstaunlich ausgiebig den von der Obrigkeit offenkundig argwöhnisch beäugten Straußenwirtschaften widmet).

Wenn es allerdings um die Sperrzeiten geht, steht vor allem §9 zur Debatte: „Die Sperrzeit für Schank- und Speisewirtschaften sowie für öffentliche Vergnügungsstätten beginnt um 3 Uhr, in Kur- und Erholungsorten um 2 Uhr. In der Nacht zum Samstag und zum Sonntag beginnt die Sperrzeit um 5 Uhr. Sie endet jeweils um 6 Uhr.“ Ausnahmen gibt es an Silvester und in der Nacht zum 1. Mai.

Die bisherige Konstanzer Regelung

Die Stadt Konstanz hat aber zuletzt am 25.06.2015 eigene, deutlich restriktivere Regelungen als das Land beschlossen. Ziel war es, im linksrheinischen Bereich wie der dichtbesiedelten Niederburg den von Zecher*innen und Raucher*innen ausgehenden nächtlichen Lärm zu reduzieren. Deshalb wurde deutlich zwischen der Altstadt und Stadelhofen sowie den übrigen Teilen der Stadt unterschieden. Das sieht dann so aus:

Rechtsrheinisch: Die Sperrzeit für Schank- und Speisewirtschaften sowie für öffentliche Vergnügungsstätten in rechtsrheinischen Stadtteilen einschließlich der Ortsteile beginnt um 2.00 Uhr, in der Nacht zum Samstag und zum Sonntag um 3.00 Uhr. Sie endet jeweils um 06.00 Uhr.

Altstadt und Stadelhofen: Abweichend […] wird der Beginn der Sperrzeit für Schank- und Speisewirtschaften sowie für öffentliche Vergnügungsstätten im linksrheinischen Stadtgebiet allgemein auf 1.00 Uhr, in der Nacht zum Samstag und zum Sonntag auf 3.00 Uhr festgesetzt. Die Sperrzeit im Hafengebiet östlich der Bahnlinie beginnt um 3.00 Uhr. Die Sperrzeit endet jeweils um 6.00 Uhr.

Außerdem gibt es Sonderregelungen für spezielle Anlässe wie Fasnacht und Feiertage.

Landesregelung auch für Konstanz?

Das Junge Forum hat jetzt (wie schon 2014) beantragt, die großzügigere Landesregelung für die Innengastronomie im gesamten Konstanzer Stadtgebiet auf ein Jahr zur Probe zu übernehmen. Das hieße also, dass die Gaststätten in der ganzen Stadt in Zukunft werktags erst um 3.00 Uhr, in den Ortsteilen um 2.00 Uhr, in der Nacht zu Samstag und zu Sonntag um 5.00 Uhr zusperren müssten. Mit anderen Worten: Es geht um längere Öffnungszeiten der Kneipen. Wobei daran erinnert werden muss, dass Gastronom*innen die Öffnungszeiten nicht voll ausschöpfen müssen, so dass auch in Zukunft etliche Etablissements früher als erlaubt schließen dürften, sei es aus Gäste-, sei es aus Personalmangel.

Für Gäste wie Gastronom*innen sieht das JFK bei seinem Vorschlag zahlreiche Vorteile: Die Gastronomie kann bei speziellen Anlässen flexibel länger öffnen, ohne dafür erst eine Sondergenehmigung einholen zu müssen, und in den immer wärmer werdenden Sommern werden die Menschen immer länger wach sein und ausschwärmen wollen: „In diesem Zusammenhang wird sich uns sicherlich auch bald in ganz Deutschland die Frage stellen, wie zeitgemäß die Nachtruheregelungen noch sind, oder ob man ganz bewusst an manchen Orten auch Freiluftkonzerte, kulturelle Veranstaltungen und geselliges Beisammensein auch nach 22 Uhr zulassen wird.“

Auch der Tourismus würde laut JFK davon profitieren, und Nachteile sieht es nicht: „Gäste, die sich ansonsten zur Schließzeit in Gruppen auf der Straße versammeln, würden auf diese Weise die Lokale vereinzelt über einen längeren Zeitraum verlassen, was einen geringeren Lärmpegel zur Folge hätte. Außerdem entstünden so auch Alternativen zum geselligen Aufenthalt im öffentlichen Freiraum während der Nachtruhe“, da diese verlängerten Öffnungszeiten ja nur für Kneipeninnenräume gelten sollen.

Wie gesagt: Das alles auf ein Jahr zur Probe, ehe dann eine endgültige Entscheidung getroffen wird.

Das meinen die anderen

Die Stadt hat im Vorfeld, einen Prüfauftrag des Gemeinderates abarbeitend, Stellungnahmen von mehreren Seiten eingeholt. Die Zustimmung und Ablehnung folgt dabei wie zu erwarten: Gastronomie, Studierendenvertretung, Stadtmarketing, Jugendvertretung und andere sind für die längeren Öffnungszeiten und versprechen sich eine Belebung und mehr Lebensfreude. Stadtseniorenrat, Lärmschützer*innen und ähnliche Institutionen sind gegen die längere Kneipenöffnung, weil sie eine höhere nächtliche Lärmbelästigung gerade auch in Sommernächten fürchten, in denen die Menschen bei offenem Fenster schlafen müssen. Die Bürgergemeinschaft Petershausen bringt es so auf den Punkt: „Mehr Lärm, Müdigkeit auf dem Heimweg, Unfallgefahren, mangelnde Konzentration am Arbeitsplatz.“

 Keine Freinacht mehr am Schmotzigen?

Das Polizeirevier Konstanz legt in seiner Stellungnahme noch nach und kritisiert eine Sonderregelung: „Ergänzend ist noch auf bestehende Besonderheiten der aktuellen Rechtsverordnung der Stadt Konstanz hinzuweisen. Die vollständige Aufhebung der Sperrzeit („Freinacht“-Regelung insbesondere am Schmutzigen Donnerstag) ist aus hiesiger Sicht nicht mehr zeitgemäß. Hier wäre an eine Angleichung der Verkürzung (z. B. bis maximal 05:00 Uhr) nachzudenken.“

Eine harte Nuss also, die am morgigen Donnerstag im Haupt-, Finanz- und Klimaauschuss öffentlich vorberaten wird, ehe der Gemeinderat in der nächsten Woche endgültig darüber befinden soll.

Quellen: Sitzungsvorlage der Stadt Konstanz, Landesrecht.

Text: O. Pugliese, Bild: Harald Borges

6 Kommentare

  1. Dr. Peter Krause

    // am:

    Lieber Herr Schäfer,

    Entschuldigung angenommen! Alles im grünen Bereich.
    Die Wortschöpfung „Lärm-Inseln“ ist doch sehr treffend. Die Inseln kann man gerne schaffen, und ich gehe davon aus, dass der Lärm auf oder in den Inseln verbleibt. Weil, wenn der Lärm auf das „Festland“ rüberschwappt, wird wiederum die Freiheit der Nicht-Insulaner beschränkt.
    Denn es gibt mindestens zwei Konzepte von Freiheit:
    – Freiheit ZU, z.B. Musizieren und Tanzen
    und
    – Freiheit VON, z.B. Lärm.

    Und da gilt es dann einen Kompromiss zu finden.
    Schauen wir mal.

  2. Matthias Schäfer

    // am:

    Lieber Herr Krause, dann entschuldige ich mich in ihrem Fall für den Ausdruck „Auto-Ideologe“. Es fällt mir mittlerweile häufig auf, dass vieles in Verhältnis zum Auto gesetzt wird, vor allem die „Freiheit“. Und mir war es einfach wichtig, wie auch sie richtig sagen, dass wir auf den lebendigen Menschen und seine Bedürfnisse schauen sollten. Auto kann man leise oder auf der Rennstrecke laut fahren. Bei Musik verhält es sich ähnlich und es benötigt dafür „Lärm-Inseln“, wo dieser – in ihren Ohren Lärm – konsumiert werden kann. Deswegen ist eine Möglichkeit im Innenraum mit möglichst wenig Sperrstunde :-)
    Die von Ihnen gewünschte Reduktion egal welchen Lärms, sollten Sie also auf Schutzräume beschränken, sonst beschränkt es wirklich die Freiheit.

  3. Thomas Martin

    // am:

    Herr Krause hat meines Erachtens Recht. Lärm ist nun mal Lärm. Als Dauerbelastung macht Lärm krank und sollte generell reduziert werden. Besonders störend ist elektronisch erzeugtes Bassgewummere, da es durch die meisten Wände dringt.
    Wenn ich am WE hin und wieder durch die Kneipenszene wandere, stelle ich fest, dass zu späterer Stunde, ab 22.00, 23.00 Uhr immer weniger los ist und das seit einigen Jahren. Ich behaupte das Niveau vor der Pandemie wurde nicht wieder erreicht – liegt es am Geld? Ist das Bier etwa zu teuer geworden? Deshalb bringt eine Verlängerung der Sperrzeit nichts. Es werden dadurch nicht mehr Gäste kommen, sondern die wenigen Verbleibenden, die sich dann noch später vom Acker machen, tun dies trotzdem laut.

  4. Dr. Peter Krause

    // am:

    @Matthias Schäfer
    Der tote Gegenstand Auto wird (zumindest noch) von lebendigen Menschen bewegt, mithin sind also die Verursacher des Autolärms Menschen. Und wenn diese Menschen mit dem Auto zu einem Freiluftkonzert oder einem Kneipenbesuch anreisen bzw. auch abreisen´, verursacht auch dies Lärm. Auch Freiluftkonzerte verursachen Lärm – und dies auch ganz ohne Autoverkehr. Und ich persönlich empfinde es als eine Belästigung, wenn ich in den Abend- und Nachtstunden von (aus meiner Sicht) unangenehmer, lauter Musik gestört werde – egal ob von einem Konzert oder aus einer Kneipe
    Mit meinem Kommentar wollte ich auf einen Widerspruch hinweisen, den ich darin zu erkennen meine, dass man eine Lärmquelle (Autoverkehr) reduziert, während man eine andere Lärmquelle (Konzerte und nächtliche Gastronomie) ausweiten möchte. Für den von Lärm betroffenen Bewohner sind beide Lärmquellen mehr als unangenehm.
    Mein Wunsch würde eher dahin gehen, den Autolärm UND den „Vergnügungslärm“ zu reduzieren.

    Nur mal so nebenbei: Ich bin kein „Auto-Ideologe“ und habe nicht mal einen Führerschein, geschweige denn ein Automobil. Was hier eigentlich auch vollkommen unwichtig sein sollte.

  5. Matthias Schäfer

    // am:

    an Herrn Krause: Ist man nirgendwo mehr vor den Auto-Ideologen sicher? Ich kann nur den Kopf schütteln, wenn man hier den Lärm eines toten Gegenstandes mit dem Lärm von lebendigen Menschen vergleicht. Das ist so sehr das Thema verfehlt, daß ich froh bin, mich nicht mehr mit derartigen Diskussionen auseinandersetzen zu müssen.

    Viele Grüße
    Matthias Schäfer (damaliger Unterzeichner des Sperrstunden Antrags)

  6. Dr. Peter Krause

    // am:

    Es ist immer wieder seltsam in dieser Stadt:
    Auf der einen Seite kann man lesen, dass die Stadt einen „Lärmaktionsplan“ umsetzt, der zum Ziel hat, durch die Reduzierung der Geschwindigkeit des Autoverkehrs auf 30 km/h auf Hauptverkehrsstraßen den Lärm zu vermindern. Auf der anderen Seite gibt es politische Gruppierungen, die die Sperrstunde letztlich abschaffen wollen, und bereit sind, dafür auch mehr Lärm in den Nachtstunden in Kauf zu nehmen: Lärm von (betrunkenen) Gästen, Lärm von Freiluft-Konzertveranstaltungen und auch den von den Gäste von Gastronomie und Veranstaltungen verursachten Verkehrslärm.
    Es ist doch schön, wenn es in einer Stadt einen derartig lebendigen Pluralismus gibt. Weniger schön ist es, wenn man sich dabei immer weniger zuhaus fühlt. Aber so ist das eben.

Schreiben Sie einen Kommentar

Ihre E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert