Am Mittwoch, also kurz bevor sie auseinanderfiel, beschloss die Regierung noch einen Gesetzentwurf zur Umsetzung der Reform des Gemeinsamen Europäischen Asylsystems (GEAS). Die Menschenrechtsorganisation Pro Asyl kritisiert den Entwurf scharf: Er überschreite die von der Europäischen Union geforderten Mindeststandards, entrechte Geflüchtete und verhindere faire Asylverfahren.
In einer Pressemitteilung erläutert Pro Asyl die Kritik so:
„Die Bundesregierung hat mit dem vorliegenden Gesetzentwurf verpasst, die Menschenrechte zu achten und rechtsstaatliche Standards zu wahren. Der Entwurf beinhaltet die größten Asylrechtsverschärfungen seit Jahrzehnten, es droht Haft von Familien und Kindern – wie weit soll die Entrechtung von schutzsuchenden Menschen noch gehen?“´“, kritisiert Tareq Alaows, flüchtlingspolitischer Sprecher von Pro Asyl.
Die Organisation fordert eine Überarbeitung des Entwurfs „im Lichte der Menschenrechte“; die Regierung müsse die von der EU gewährten Ermessensspielräume im Sinne des Schutzes von Asylsuchenden nutzen sowie faire und rechtsstaatliche Verfahren unter menschenwürdigen Bedingungen gewährleisten.
Freiheitsbeschränkungen und neue Haftformen
Obwohl die EU-Vorgaben bereits eine deutliche Verschärfung der Asylpraxis vorsehen, geht der deutsche Gesetzentwurf noch weiter und führt unter dem Deckmantel der GEAS-Umsetzung neue Möglichkeiten der Freiheitsbeschränkung und De-facto-Inhaftierung von Schutzsuchenden ein.
Es drohen geschlossene Zentren, wie es sie bisher in Deutschland noch nicht gibt: Die Flüchtlinge dürfen diese nicht verlassen, teilweise nur, weil sie aus einem bestimmten Herkunftsland kommen. Besonders besorgniserregend ist, dass durch diese Maßnahmen auch Kinder während ihres Asylverfahrens eingesperrt werden können.
Schutzsuchende sollen durch Maßnahmen wie die sogenannte Asylverfahrenshaft massiven Freiheitsbeschränkungen unterworfen werden, die mit internationalen Menschenrechtsstandards nicht vereinbar sind. „Diese Haftformen sind unverhältnismäßig und psychisch extrem belastend. Sie erhöhen das Risiko von Suizidversuchen. Ein faires Asylverfahren ist so kaum möglich, da Betroffene unter diesen Bedingungen oft nicht in der Lage sind, ihre Fluchtgründe umfassend darzulegen“, erläutert Tareq Alaows.
Pro Asyl lehnt geschlossene Zentren und die Asylverfahrenshaft entschieden ab und fordert die Bundesregierung auf, menschenrechtliche Standards zu wahren.
Umgehung demokratischer Prozesse
Mit dem Gesetzentwurf sollen zudem die Konzepte „sicherer Herkunftsstaaten“ und „sicherer Drittstaaten“ massiv ausgeweitet werden, was durch die Vorgaben aus Brüssel nicht zwingend geboten ist. Künftig soll die Bundesregierung ohne Beteiligung des Bundestags und Bundesrats eigenmächtig per Rechtsverordnung festlegen können, welche Länder als „sicher“ gelten. Damit droht, ein wichtiger demokratischer Kontrollmechanismus umgangen zu werden.
„Der Entwurf erlaubt der Bundesregierung, Länder ohne parlamentarische Debatte als ‚sicher‘ einzustufen. Das ist verfassungsrechtlich bedenklich und politisch gefährlich, da Menschen in unsichere Staaten geschickt werden könnten, ohne dass die menschenrechtliche Lage ausreichend geprüft wird“, warnt Tareq Alaows. Besonders der Bundesrat hat bisher als wichtiges Korrektiv gedient, um voreilige Entscheidungen zu verhindern.
Pro Asyl sieht in der Ausweitung der „sicheren Staaten“-Konzepte eine unverhältnismäßige Einschränkung des Rechts auf ein faires Asylverfahren. Die Einstufung eines Landes als „sicher“ muss einer gründlichen menschenrechtlichen Prüfung unterzogen werden, die durch die geplanten Änderungen nicht mehr gewährleistet ist. Statt der angestrebten Harmonisierung droht ein Labyrinth paralleler Verfahren zur Einstufung als „sicher“, wobei die strengeren Vorgaben des Grundgesetzes unterlaufen werden können.
Menschenrechte müssen Priorität haben
Bereits im Juli 2024 hatte Pro Asyl gemeinsam mit 25 Organisationen Vorschläge für eine menschenrechtskonforme Umsetzung der GEAS-Reform unterbreitet. Im Oktober reichte Pro Asyl zudem eine umfassende Stellungnahme zum Referentenentwurf beim Bundesinnenministerium ein, die verfassungsrechtliche und menschenrechtliche Probleme benennt.
Text und Bild: Pro Asyl
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