Die neue und neueste Musik findet weitgehend unter dem freiwilligen Selbstausschluss der breiten Öffentlichkeit statt. Und was Erwachsene sich nicht zumuten mögen, das taugt nach allgemeiner Meinung schon gar nicht für Minderjährige. Das ist natürlich grottenfalsch, wie das nächste „HighNoon“-Konzert beweist.
Hinter der experimentierfreudigen Reihe „HighNoon 2000+“, die in Konstanz seit 15 Jahren regelmäßig die hier tendenziell stiefmütterlich behandelte zeitgenössische Musik präsentiert und engagierten Musiker*innen die Möglichkeit gibt, mit ungewöhnlicher Musik aufzutreten, stehen Berufsmusiker*innen, die teils auch an der Musikschule unterrichten. Daher ist es naheliegend, dass sie immer wieder auch „NewKammer“-Konzerte organisieren, in denen Kinder und Jugendliche Neue Musik spielen.
Das fünfte Konzert dieser Reihe bringt am Sonntag mit Terry Rileys (*1935) bedeutendem Werk „In C“ (1964) einen Klassiker der Minimal Music und eines der ersten Werke dieses Genres auf die Bühne. Minimal Music ist einem breiten Publikum am ehesten als Philip Glass‘ Filmmusik zu „Koyaanisqatsi“ (1982) bekannt, ein anderes bedeutendes Werk dieser Stilrichtung ist Steve Reichs „Different Trains“ (1988) für Streichquartett und Tonband.
Zugegeben, Minimal Music kann nerven (aber welche Musik könnte das nicht?). Im Prinzip geht es um die unablässige Wiederholung einer oft recht einfachen musikalischen Figur. Im Lauf des Werkes werden dann immer wieder minimale tonale und/oder rhythmische Veränderungen an dieser Figur vorgenommen, so dass sich das Stück ganz langsam verändert. Harmonische Raffinesse, plötzliche Aus- oder Zusammenbrüche, eine starke Dynamik sind deren Sache nicht, es geht eher um einen Klangteppich, ein musikalisches Perpetuum mobile oder eine Variationenfolge, wobei die Veränderungen nur sehr langsam und sachte erfolgen.
Terry Rileys Stück „In C“ „besteht aus 53 kurzen Phrasen („Patterns“) mit einer Spielanweisung des Komponisten, laut der jede Phrase beliebig oft wiederholt werden kann – jede/r Musiker*in selbst kann entscheiden, wann er oder sie zur nächsten Phrase übergeht.“ Damit sind die Dauer des Werkes (ca. 45-90 Minuten) und die tatsächlich gespielte Musik in jedem Konzert anders. Riley selbst hat eine ausführliche Anleitung zum Spielen dieses Werkes geschrieben, aus der verständlich wird, warum es sich besonders gut für Schüler*innen eignet: So ist es den Spielenden erlaubt, Passagen zu überspringen, die ihnen zu schwer sind, und auch die Besetzung ist beliebig groß und kann so ziemlich alle Instrumente und auch Gesang umfassen. Außerdem sollen die Mitwirkenden nicht schneller zu spielen versuchen, als sie es technisch hinkriegen. Die Herausforderungen des Werkes liegen also weniger im virtuosen Bereich als im Verständnis des Werkes als Einheit und dem genauen Hören auf das, was die anderen gerade spielen.
Aber wenn alle Mitspieler*innen die einzelnen der 53 Phrasen beliebig oft wiederholen dürfen, stellt sich die Frage, wie das Stück denn überhaupt mal aufhören kann. Ganz einfach: Die, die zuerst bei #53 ankommen, spielen es so lange, bis alle anderen ebenfalls ins Ziel einlaufen. „Die Gruppe wird dann einige Male stark lauter und leiser, und die einzelnen Spieler*innen hören auf zu spielen, wie es ihnen beliebt.“
Jedes Ensemble entwickelt damit zwangsläufig eine eigene neue Version des Stücks und man darf auf die Konstanzer NewKammer-Version gespannt sein: Unter der Leitung von Peer Kaliss treffen sich zahlreiche SchülerInnen der Musikschule Konstanz mehrmals im Herbst für Probenphasen, um schließlich das Werk bei „HighNoon NewKammer“ aufzuführen.
Was: Highnoon: Newkammer 5.0
Wann: 17. November 2024, 12.00 Uhr
Wo: Aula der Gemeinschaftsschule Gebhard, Campus 1, Pestalozzistraße1, Konstanz
Wofür: Eintritt: 14 € / 10 € ermäßigt, frei für Kinder und SchülerInnen
Wer: High Noon – Freunde Neuer Musik e.V., in Kooperation mit der Musikschule Konstanz, http://www.highnoonmusik.de/home/
Quellen: Veranstalter, Wikipedia, www.datenbankneuemusik.de, Center for New Music San Francisco
Text: Harald Borges, Bild: Stefan Postius, Veröffentlichung mit freundlicher Genehmigung des Veranstalters
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