Kundgebung_20241007_Münsterplatz_©_Quintini

Gegen Antisemitismus und Israelhass

7 Antworten

Kundgebung_20241007_Münsterplatz_©_Quintini
Gedenkveranstaltung vom 7. Oktober. Links: Avraham Yitzchak Radbil (Rabbiner der Synagogengemeinde), rechts: Gabriel Abilia (Vorstandsmitglied der Synagogengemeinde)

Letzten Montag fand auf dem Münsterplatz die einstündige Gedenkveranstaltung „Ein Jahr 7. Oktober. Gedenkkundgebung für die Opfer des Hamas-Terrors“ statt, die vom Konstanzer „Bündnis gegen Antisemitismus“ organisiert wurde. Wir veröffentlichen dazu einen Kurzbericht von Petra Quintini, Mitorganisatorin der Veranstaltung.

Musikalisch umrahmt von zwei Musikern der Philharmonie, wurde bei diesem Anlass auf Reden politischer Vertreter:innen verzichtet. Etwa 200 Personen nahmen an der einstündigen Kundgebung teil. Es sprachen Mitglieder der jüdischen Gemeinden und Israelis, die am See leben. Auch in Israel lebende Freunde junger Konstanzer:innen hatten kurze Redebeiträge und Gedichte geschickt, die verlesen wurden. In einer emotionalen Rede drückte Dr. Ori Harel die Gefühle von vielen aus (siehe unten).

Das Ende der Veranstaltung gestaltete Rabbiner Radbil mit einem eindrücklichen Redebeitrag, einem Psalm, dem Trauergebet El Male Rachamim und dem Kaddisch, dem jüdischen Totengebet.

Redebeitrag von Ori Harel

„I stand here with layers of sadness. The grief for what has happened. The loss of our belief in the natural goodness of humanity. The sorrow for every soul still suffering, and the uncertain future that holds even more pain. Emotions which lead to difficult feelings – vengeful, destructive hatred – which bring us to another, more personal battle: the battle over what emotions we allow to shape us.

Here in Germany, I see a dangerous rise in extremism. The growth of AfD and rising racism frighten me. I am the third generation of Auschwitz survivors, and myself a survivor of a terror attack in Jerusalem.

I know how fragile peace is. People here have been fortunate not to experience war for 80 years, but I, who’ve lived through wars my whole life, know how delicate peace can be. Today – 7th of October, marks one year since the war began in Israel – each of us must ask: what is my response? What is mine to do? What is my moral duty in these times?

For answering, I’m inspired by Hermann Hesse, who lived by our lake:

„Fühle mit allem Leid der Welt, aber richte deine Kräfte nicht dorthin, wo du machtlos bist, sondern zum Nächsten, dem du helfen, den du lieben und erfreuen kannst“.

So let’s direct our strength where we can. Let’s reach out to our neighbors, reject hatred, stand against racism, and protect the peace we cherish.

Now, I invite you to join me in a moment of unity. If you can, hold the hand of the person next to you. Let’s take three deep breaths together—one for hope, one for healing, and one for our commitment to change.

Preparation breath. Slow inhale, deep exhale.
In deep prayer for healing,
In deep prayer for the return of the hostages,
In deep prayer for peace,
From heart to heart.

In Hebrew:

Oseh shalom bimromav, hu ya’aseh shalom aleinu v’al kol Yisrael, ve’imru amen.“

Hier die deutsche Übersetzung des Redebeitrags:

Ich stehe hier mit Schichten von Traurigkeit. Trauer über das, was geschehen ist. Der Verlust unseres Glaubens an die natürliche Gutartigkeit der Menschheit. Die Sorge um jede Seele, die noch immer leidet, und die ungewisse Zukunft, die noch mehr Schmerz mit sich bringt. Emotionen, die zu schwierigen Gefühlen führen – rachsüchtigem, zerstörerischem Hass –, die uns zu einem weiteren, persönlicheren Kampf führen: dem Kampf darum, welchen Emotionen wir erlauben, uns zu formen.

Hier in Deutschland sehe ich einen gefährlichen Anstieg des Extremismus. Das Erstarken der AfD und der zunehmende Rassismus machen mir Angst. Ich bin die dritte Generation Auschwitz-Überlebender und selbst Überlebende eines Terroranschlags in Jerusalem.

Ich weiß, wie zerbrechlich der Frieden ist. Die Menschen hier hatten das Glück, 80 Jahre lang keinen Krieg zu erleben, aber ich, die ich mein ganzes Leben lang Kriege miterlebt habe, weiß, wie verletzbar Frieden sein kann. Heute – am 7. Oktober, ein Jahr nach Beginn des Krieges in Israel – muss sich jede:r von uns fragen: Was ist meine Antwort? Was ist meine Aufgabe? Was ist meine moralische Pflicht in diesen Zeiten?

Als Antwort darauf lasse ich mich von Hermann Hesse inspirieren, der an unserem See lebte:

„Fühle mit allem Leid der Welt, aber richte deine Kräfte nicht dorthin, wo du machtlos bist, sondern zum Nächsten, dem du helfen, den du lieben und erfreuen kannst“.

Lasst uns also unsere Kraft dorthin lenken, wo wir können. Gehen wir auf unsere Nachbar:innen zu, lehnen wir Hass ab, stellen wir uns gegen Rassismus und schützen wir den Frieden, den wir wertschätzen.

Ich lade Sie nun ein, sich mir für einen Moment der Einheit anzuschließen. Wenn Sie können, halten Sie die Hand der Person neben Ihnen. Lassen Sie uns gemeinsam drei Mal tief einatmen – einen für die Hoffnung, einen für die Heilung und einen für unsere Verpflichtung zur Veränderung.

Vorbereitungsatem. Langsam einatmen, tief ausatmen.
Im tiefen Gebet um Heilung,
Im tiefen Gebet für die Rückkehr der Geiseln,
Im tiefen Gebet für den Frieden,
Von Herz zu Herz.

[Übersetzt mit Hilfe von DeepL.com, red]

Text und Bild: Petra Quintini

7 Antworten

  1. Christina Herbert-Fischer

    // am:

    Schade, ich hatte den Termin schlicht nicht mitbekommen. Ich weiß nicht, wie das passieren konnte. Ich bedauere das und denke, es hätten schon ein paar mehr Leute da sein können. Danke für den Bericht.

  2. Helmut Reinhardt

    // am:

    „Vom Antijudaismus zum Antisemitismus“, in 10 Tagen, am 23.Oktober, ist der erste Termin dieser von der VHS in Konstanz angebotenen Ringvorlesung. Es ist wahrscheinlich kein Fehler, auch hier darauf aufmerksam zu machen. Die Liste der Themen und Termine ist hier zu finden.

  3. Dr. Peter Krause

    // am:

    Lieber Herr Martin,
    ich widerspreche Ihnen nicht.
    Ich erwarte aber auch nichts mehr in dieser Richtung von Seiten staatlicher und kommunaler Akteure – auch von den Hochschulen und Kultureinrichtungen erwarte ich eigentlich nichts.
    Von daher bin ich in meiner erfahrungsbedingten Bescheidenheit froh über jede derartige Unterstützung und jedes Mitgefühl für Juden und Israel.

  4. Thomas Martin

    // am:

    Herr Krause,
    vor dem Hintergrund der abscheulichen Tat, verübt durch die Hamas, am 07.10.23 und in Verpflichtung zur Solidarität und Hilfe gegenüber dem israelischen Volk wegen deutscher Gräueltaten/Holocaust an Juden während der Nazizeit, war es (i) ein traurig kleiner Haufen und (ii) die einzige Veranstaltung in KN dieser Art am 1. Jahrestag des Terrorangriffs. Wo war der OB? Wo waren die anderen Bürgermeister, wo der Landrat etc. etc.? Uni-Angehörige meine ich in diesem Zusammenhang nicht, sie sind keine Volksvertreter. Allerdings hätten die Zehntausenden, die im Frühjahr gegen „rechts“ auf den Beinen waren vor Ort sein müssen, auch im übrigen Gebiet unserer feinen Republik – all das ist nicht geschehen. Keine starken Worte des Bundeskanzlers und des Bundespräsidenten so wie nach dem Sylt-Vorfall. Das bezeichne ich als erbärmlich, schwach und vor allem peinlich gegenüber Israel.

  5. Dr. Peter Krause

    // am:

    @Thomas Martin
    …mehr wäre schön gewesen, aber es war doch keine geringe Anzahl an Menschen.
    Gesehen habe ich Mitglieder der SPD und der CDU aus Konstanz; wobei ein SPD-Mitglied die Veranstaltung mitorganisiert hat.
    Des weiteren habe ich einige Mitarbeiter (Professoren, Sekretärinnen, akademische Mitarbeiter) der Universität Konstanz erkannt; aber aus dem Rektorat ist mir niemand aufgefallen.
    Auch andere mir bekannte Vertreter der städtischen Gesellschaft sind mir aufgefallen. Von der „Stadtregierung“ habe ich aber keinen gesehen.

  6. Dr. Peter Krause

    // am:

    Vielen Dank an Frau Quintini für diesen Bericht.

  7. Thomas Martin

    // am:

    Ich finde es beschämend, dass bei dieser Veranstaltung nicht die ganze Stadt teilgenommen hat. Diese Solidarität mit dem jüdischen Volk und den jüdischen Mitbürgern wäre angemessen, wäre Pflicht gewesen – wo waren eigentlich unsere Kommunalpolitiker? Da war der Münsterplatz im Frühjahr bei den Veranstaltungen gegen „rechts“ noch anders besiedelt. Vor dem Hintergrund eines tatsächlichen, abscheulichen Massakers (die verbliebenen Geiseln sind immer noch nicht frei), stimmt das mehr als nachdenklich!

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