Streunende Katzen © Vikram2784 Cc0 Commons.wikimedia

Wie steht’s in Konstanz um den Tierschutz?

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Streunende Katzen © Vikram2784 Cc0 Commons.wikimedia


An diesem Sonntag lädt das Konstanzer Tierheim zum Tag der offenen Tür. Und am 4. Oktober, dem Namenstag des heiligen Franziskus, begehen Tierfreund:innen den „Welttierschutztag“. Zwei Anlässe für seemoz, sich in Sachen kommunaler Tierschutz schlau zu machen. Gelegenheit dazu bot ein „Grüner Tisch“, zu dem die Freie Grüne Liste (FGL) ins Tierheim geladen hatte.

Unsere Tierwohl-Spezialistin Rosa Pudel hatte freilich keinen Zutritt, und war, bei diesem Wetter, sogar ganz froh darüber. Es goss nämlich in Strömen. So schickte sie also ihren Betreuer auf den 1,5 Kilometer langen Weg von der nächstgelegenen Busstation (Bahnhof Wollmatingen) zum Tierheim. Anders als im Gründungsjahr 1985, als das Tierheim weit draußen im Nirgendwo lag und Hundegebell allenfalls die ebenfalls Randständigen im Mühlenweg störte, ist das Gelände heute von Industrie- und Handwerksbetrieben umzingelt, die sich gerne das Tierheimgrundstück einverleiben würden. 

Gleichwohl bedient kein Bus die Byk-Gulden-Straße. Ob dereinst die Wollmatinger Armen und Obdachlosen im Armenhaus am Fürstenberg oder heute die Konstanzer Sozialfälle im Mühlenweg: Oft werden sozial schwache „Randständige“ auch geografisch an den Rand gedrängt.

„Grüner Tisch“ im Tierheim

Etwa zwanzig Gäste, darunter drei grüne Stadträtinnen, sind der Einladung der FGL zum Grünen Tisch gefolgt. Die von Andrea Doll, Vorsitzende des Tierschutzvereins, geführte Tour durchs Gelände ist angesichts des Wetters und der fortgeschrittenen Tageszeit nur kurz: Katzenhaus mit abwechslungsreich gestalteten Freigehegen; Hundehaus mit eher kargem Außenbereich. Wir wollen so spät nicht stören und stiften doch mehr als genug lautstarke Unruhe. 

Nach EU-Vorschrift muss ein Zwinger je nach Größe des Hundes sechs bis zehn Quadratmeter messen. Das entspricht in etwa auch den Mindestanforderungen an Flüchtlingsunterkünfte. Frau Doll versichert uns, die Hunde dürften tagsüber in Gruppen auf den Wiesen des Vereinsgeländes umhertollen.

Des ungeachtet weckt das Hundehaus mit seinen Einzelzellen Assoziationen an ein Gefängnis. Dazu passt auch der strikte Tagesablauf: 7 Uhr Aufstehen mit Fütterung, dann Freigang; nachmittags Besuchszeit, 16 Uhr nochmals Fütterung, 17 Uhr Schichtende und Einschluss – immerhin in einem mit Fußbodenheizung wenigstens in dieser Hinsicht komfortablen Raum. Frieren und hungern müssen Tierschutzhunde in Konstanz nicht.

Wer wird aufgenommen?

Das Tierheim hat aktuell Platz für 16 Hunde. Es könnten mehr sein, doch ein ganzer Trakt ist stillgelegt, weil es an Betreuungspersonal fehlt. Neben der Heimleiterin stehen drei weitere Vollzeitkräfte bereit, dazu zwei Azubis und für die Nachtschichten vier Ehrenamtliche. Gerade die letzteren sind viel zu wenige, denn es geht ja nicht nur um Hunde und Katzen. sondern um ausgebüxte oder ausgesetzte Haustiere aller Art, die das Tierheim rund um die Uhr aufnehmen muss.

Länger bleiben dürfen jedoch nur Hunde, Katzen und Kleintiere. Für Schildkröten und andere Reptilien sei man nicht ausgerüstet, die würden an eine spezialisierte Auffangstation nach München weitergereicht. Vögel kommen auf die Wildvogelstation in Kreuzlingen.

Warum kein kommunales Tierheim?

Vor dem Gesetz sind Tiere zwar keine Sachen, doch für ausgesetzte oder verwilderte Haustiere gilt das Fundrecht. Theoretisch müsste der Finder seinen Fund der Kommune anzeigen und für diese entsteht damit eine sechsmonatige Verwahrpflicht, während der sie das gefundene Tier in ordentlichem Zustand erhalten muss. Sie muss also für Unterbringung, Ernährung und Pflege des Fundtiers aufkommen, auch für den Erhalt oder die Wiederherstellung von dessen Gesundheit.

Nur wenige Landkreise und Kommunen betreiben dazu eigene Tierheime. Der Landkreis Böblingen hat eines, ein ganz tolles Tierheim leistet sich die Stadt Wien

Die allermeisten Kreise und Gemeinden wälzen diese ihre Pflichtaufgabe aber mit einer auf Kante genähten Leistungsvereinbarung auf private, von Vereinen geführte Tierheime ab. So auch die Stadt Konstanz und die Nachbargemeinden Allensbach und Reichenau. Und sie sparen damit eine Menge Geld.

Woher kommt das Geld?

Dem Tierheim werden nämlich nicht die tatsächlichen Aufwendungen erstattet. Es bekommt stattdessen eine Jahrespauschale von einem Euro pro Einwohner, in unserem Fall etwa 100.000 Euro. Die decken aber nur einen Bruchteil der Kosten. Allein für den Tierarzt zahlt das Tierheim etwa 80.000 Euro; 200.000 Euro fließen in Löhne und Gehälter. Dazu noch die Ausgaben für Strom, Gebäudeunterhalt und so weiter. Immerhin das Futter wird weitgehend gespendet. Alles in allem stehen auf der Ausgabenseite rund 350.000 Euro. Ohne die Beiträge der Vereinsmitglieder, ohne Spenden und Vermächtnisse müsste das Tierheim morgen schließen.

Einnahmen erzielt das Tierheim auch aus der Vermittlung herrenloser Tiere. Wer eine Katze übernimmt, zahlt 120 Euro, ein Hund kostet 250 Euro. Viele Haustiere würden auch in die Schweiz vermittelt, sagt die Vereinsvorsitzende Andrea Doll. Man schaue sich die künftigen Herrchen und Frauchen sehr genau an und nehme auch ihr Zuhause in Augenschein. Ausnahmsweise müsse eine Vermittlung auch mal abgelehnt werden.

Manche Kommunen fördern die Vermittlung von Tierheimhunden. Wer einen Hund aus dem Tierheim übernimmt, der zahlt etwa in Mannheim das Hundeleben lang keine Hundesteuer. Konstanz kennt diese Steuerbefreiung nicht.

Wer rettet verletzte Wildtiere? 

Wer ein krankes oder verletztes Tier findet, mag auf die Idee kommen, die Tierrettung anzurufen. Und wird enttäuscht werden. Die Tierrettung kommt nicht nach Konstanz, denn sie bekäme für ihren Einsatz von der Stadt kein Geld. Zuständig sei das Tierheim. Das wiederum kümmert sich vorrangig um Haustiere und ist auch überhaupt nicht ausgerüstet, um etwa eine verletzte Ente einzufangen oder eingeklemmte Fuchswelpen zu retten.

Und wie wär’s, wenn man ein verletztes Fundtier doch irgendwie geborgen hat, dieses sofort zum Tierarzt zu bringen? Vorsicht! Manche:r Weißkittel mag sich hier kulant zeigen und umsonst helfen. Doch gemäß Tierärztegebührenordnung kostet die „Untersuchung mit Beratung nicht domestizierter Tiere“ 36,94 Euro und damit mehr als „Hund, Katze, Frettchen“, die nur mit 23,62 Euro zu Buche schlagen. 

Früher gab es mit Jörg Bambusch einen Ansprechpartner bei der Stadtverwaltung, an den man sich bei Fragen rund um Wildtiere im Stadtraum wenden konnte. Nach dessen frühem Tod hat niemand diese Aufgabe übernommen. Und weil es in Konstanz auch keinen Stadtjäger gibt, bleibt Ratsuchenden nur die Wildtierbeauftragte des Landkreises, die Försterin Lisa Wiedemer.

„Kein akuter Handlungsbedarf“ …

Thema am Grünen Tisch war auch wieder das bittere Schicksal der Stadttauben (seemoz berichtete). Während andere Städte, so etwa Singen, sich mit einem artgerechten Taubenmanagement bemühen, die Population zu reduzieren, besteht in Konstanz „nach aktueller Einschätzung kein akuter Handlungsbedarf.“ So jedenfalls die Antwort der Stadtverwaltung auf eine Anfrage der FGL zur Situation der Stadttauben.

… auch nicht beim Katzenschutz

Knapp hundert Gemeinden in Baden-Württemberg haben inzwischen eine Katzenschutzverordnung erlassen. Sie versuchen damit, die Zahl verwilderter Katzen zu reduzieren und so auch die Zahl herrenloser Fundtiere zu verringern. Die Lebenserwartung von Katzen ohne menschliche Betreuung ist erheblich geringer als die von in menschlicher Obhut gehaltenen Stubentigern. Sie sind oft unterernährt und werden von Krankheiten wie Katzenschnupfen gequält. Oder sie fressen als Beutegreifer eine von Giftködern vergiftete Ratte.

Um die Population zu verringern, bestimmen die Katzenschutzverordnungen etwa, dass Freigängerkatzen kastriert, gechipt und registriert werden müssen. Aber auch, dass Katzenschützer:innen herrenlose Streuner einfacher einfangen und kastrieren lassen können.

Der Erlass einer Katzenschutzverordnung setzt jedoch voraus, dass die Gemeinde zunächst die Population verwilderter Katzen und deren Zustand dokumentiert hat. Ist die Schutzverordnung einmal in Kraft, kommen auf die Gemeinde weitere Kosten zu, nämlich für die Kastration der Streuner. Bei einer weiblichen Katze macht dies etwa 170 Euro, wovon allerdings das Land nur die Hälfte übernimmt. Da wundert es nicht, dass in Konstanz auch der Katzenschutz kein Thema für die Kommune ist.

Durch die Hundesteuer nimmt die Stadt Konstanz einen ordentlichen Batzen ein. Im letzten Jahr waren dies rund 340.000 Euro. In Sachen Tierwohl zeigt sie sich jedoch desinteressiert und bedauernswert geizig. Wäre es nicht angemessen, wenigstens die Einnahmen aus der Hundesteuer für Tierheim und Tierschutz einzusetzen? Dies fordert beispielsweise eine bundesweite Petition des Hamburger Tierschützers Frank Weber.

Text: Ralph-Raymond Braun
Bilder: Streunende Katzen (© Vikram2784_CC0_commons.wikimedia) / Die FGL-Delegation im Tierheim (© Ralph-Raymond Braun) / Der Eingang zum Tierheim (© Pit Wuhrer) / Die gefesselte Taube (© Stefanie Zentner)

2 Kommentare

  1. Julio Otine

    // am:

    Nicht zu vergessen ist die Katzenhilfe Radolfzell, die wegen Überlastung des Tierheimes schon jahrelang in großer Anzahl Katzen im ganzen Landkreis betreut, aufpäppelt, vermittelt und Streuner behandelt und kastriert.

    Kriegt außerdem kein Geld meines Wissens nach.

  2. Thomas Willauer

    // am:

    Es ist sehr lobenswert, dass sich seemoz um das ernste Thema Tierschutz/Tierheim kümmert. Und es ist skandalös, dass sich die Stadt da mit 100.000 Euro aus dem Staub macht. Warum stellen die Fraktionen nicht einen Antrag, dass die Hundesteuereinnahmen von 360.000 Euro nicht zusätzlich zweckgebunden für den Tierschutz eingesetzt werden. Verbunden mit einer Unterschriftensammlung könnte da doch genügend Druck aufgebaut werden. Also endlich mal wieder was Sinnvolles machen.
    Habe selbst einen Tierschutzhund, der jetzt 15 Jahre alt ist und 10 Jahre auf der Strasse bzw. in einem Hunde-KZ in Bulgarien mit 1.500 anderen Hunden seine ersten 9 Jahre verbracht hat. Da haben es die Tiere in Konstanz sehr viel besser. Dass das so bleiben kann braucht es Unterstützung (siehe oben). Und bitte keine Ausreden!

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