Refugees Welcome

Etappensieg im Eilverfahren gegen Bezahlkarte

Ein Kommentar

Refugees 1324135 1280

PRO ASYL und die Gesellschaft für Freiheitsrechte (GFF) haben gemeinsam mit einer schutzsuchenden Familie vor dem Sozialgericht Hamburg einen Erfolg gegen die Beschränkungen der Bezahlkarte erzielt. Die Eilentscheidung stellt klar: Die pauschale Festsetzung des Bargeldbetrages auf 50 Euro ohne Berücksichtigung der persönlichen und örtlichen Umstände der Betroffenen ist rechtswidrig.

Hier eine Mitteilung der Organisationen:

Das Hamburger Amt für Migration darf sich nach der sozialgerichtlichen Entscheidung nicht auf die Beschlussempfehlung der Ministerpräsident*innenkonferenz berufen, die im Juni dieses Jahres eine Bargeldbeschränkung von 50 Euro pro Person vereinbart hatte. Das Gericht spricht der Familie zunächst einen Bargeldbetrag von knapp 270 Euro zu.

Mehrere Klagen gegen die Bezahlkarte

PRO ASYL und die GFF zielen derzeit mit mehreren Klagen darauf ab, die Einführung von restriktiv ausgestalteten Bezahlkarte zu stoppen, weil sie Grundrechte von Geflüchteten verletzen.

„Die Einführung einer Bezahlkarte mit erheblichen Beschränkungen missachtet die Grundrechte der Betroffenen. Die Entscheidung aus Hamburg bestätigt, dass eine pauschale Bargeldobergrenze von maximal 50 Euro für Schutzsuchende nicht haltbar ist, ohne das menschenwürdige Existenzminimum zu gefährden“, betont Lena Frerichs, Verfahrenskoordinatorin und Juristin bei der GFF. „Existenzsichernde Leistungen müssen sich an den konkreten Bedürfnissen und Umständen des Einzelfalls orientieren. Eine Mammutaufgabe für die Verwaltung – aber unabdingbar zur Wahrung der Grundrechte.“

Bürokratischer Irrsinn

„Die Bezahlkarte in Hamburg erschwert den Alltag der Betroffenen massiv. Geflüchtete können sich kaum angemessen versorgen. Günstige Onlineeinkäufe oder private Gebrauchtwareneinkäufe sind mit der Bezahlkarte ebenso wenig möglich wie der Abschluss eines Handyvertrages oder die Anmeldung im Sportverein; auch akzeptiert nicht jeder Laden die Bezahlkarte. Dass diese Unterversorgung verfassungswidrig ist, zeigt die Eilentscheidung. Die Entscheidung zeigt auch, welch bürokratischer Irrsinn auf die Kommunen zukommt, die eine Bezahlkarte einführen wollen. Sie sollten sich dreimal überlegen, ob sie sich diese Mehrbelastung ihrer Verwaltung wirklich leisten können“, erklärt Wiebke Judith, rechtspolitische Sprecherin von PRO ASYL.

Zum Fall

Der klagenden Familie, die in einer Erstaufnahmeeinrichtung in Hamburg wohnt, steht seit Einführung der Bezahlkarte pauschal ein Bargeldbetrag von 110 Euro zur Verfügung, den sie von der Bezahlkarte abheben kann. Mit diesem Betrag können die schwangere Antragstellerin, ihr Kleinkind und ihr Mann nicht die nötigen lebensnotwendigen Einkäufe tätigen, die Bargeld erfordern. Die Entscheidung des Sozialgerichts Hamburg erteilt der pauschalen Bargeldobergrenze der Bezahlkarte nun eine Absage.

Aktuelle Praxis der Bezahlkarte

Bis auf Bayern und Mecklenburg-Vorpommern haben sich die Bundesländer auf die einheitliche Einführung einer Bezahlkarte verständigt. Mit Beschluss der Ministerpräsident*innenkonferenz im Juni dieses Jahres einigten sich die Bundesländer auf eine Bargeldobergrenze von maximal 50 Euro.

Hamburg startete im Februar 2024 als erstes Bundesland mit der Bezahlkarte in Form der Hamburger SocialCard. Das Sozialgericht Hamburg stellt nun klar, dass das Hamburger Amt für Migration sich bei der Festlegung der Bargeldobergrenze nicht ohne Prüfung des Einzelfalles am empfehlenden Beschluss der Ministerpräsident*innenkonferenz orientieren darf.

In der Konsequenz bedeutet die Einführung einer Bezahlkarte mit Bargeldbeschränkungen für die überlasteten Kommunen einen erheblich größeren Aufwand als die Ausgabe einer Bezahlkarte ohne Bargeldbeschränkungen, da die Bargeldobergrenze jeweils im Einzelfall festgelegt werden muss oder Leistungen teilweise in bar ausgezahlt werden müssen.

Das Hamburger Amt für Migration kann gegen die Entscheidung des Sozialgerichts Beschwerde einlegen. PRO ASYL und die GFF gehen mit weiteren Verfahren gegen restriktive Bezahlkartenregelungen vor, die den grundrechtlichen Anspruch auf ein menschenwürdiges Existenzminimum schutzsuchender Menschen missachten.

PRO ASYL finanziert diese und weitere Klagen mit dem Rechtshilfefonds, mit dem PRO ASYL jährlich Hunderte von Menschen dabei unterstützt, zu ihrem Recht zu kommen.

Weitere Informationen zum Verfahren finden Sie unter: https://freiheitsrechte.org/bezahlkarte

Text: MM/red.

Ein Kommentar

  1. Dr. Peter Krause

    // am:

    Bei allem Respekt: Es ist für mich schwer nachvollziehbar, warum eine Beschränkung des Zuganges zu Bargeld (auf eine Höhe von 50€) bei gleichzeitiger Bereitstellung einer „Bezahlkarte“ (mit der man allem Anschein nach einkaufen kann, wie mit jeder anderen Bankkarte) gegen Grundrechte verstoßen soll.
    Einige der genannten Gründe erschließen sich mir nicht. So ist es mit Bargeld auch nicht möglich, Online einzukaufen, sondern dafür benötigt man wohl eher eine Kreditkarte oder ein Bankkonto für die Überweisung des Rechnungsbetrages. Die Anmeldung im Sportverein erfolgt doch wohl bei dem zuständigen „Vereinsfunktionär“ und der Kassenwart wäre dann für die Einziehung der Mitgliedsbeiträge zuständig; und dafür dürften 50€ im Monat ausreichen (zumindest bei Sportvereinen im herkömmlichen Sinne). Ein gutes Argument ist hingegen das Problem, dass es schwieriger wäre, gebrauchte Gegenstände von Privat einkaufen zu können; hierzu ist sicher Bargeld erforderlich. Dass sich Geschäfte weigern, die Bezahlkarte zu akzeptieren, müsste gegebenenfalls per Gesetz oder Verordnung verhindert und reguliert werden.

    Ein Problem scheint mir eher zu sein, ob und wie Flüchtlinge an ein „reguläres“ Bankkonto kommen können – ob und wie dies funktioniert, weiß ich nicht.
    Und noch ein Gedanke: In einigen Bereichen kann man gar nicht mehr mit Bargeld bezahlen, da wäre es eher diskriminierend, keine Bank- oder Bezahlkarte zu besitzen.

Schreiben Sie einen Kommentar

Ihre E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert