Der Hafner © Alex Tasdelen

Gut für Wohnungssuchende? Gut für die Natur?

Ein Kommentar

Hafner 20220506a C Alex Tasdelen

Viele sehen in dem künftigen Neubaugebiet Hafner eine Lösung für die eklatante Wohnungsnot in Konstanz. Aber wer zieht dort hin? Wer kann sich eine Wohnung leisten? Und wie nachhaltig wird dort gebaut? Auf seiner letzten Sitzung hat der alte Gemeinderat ein paar Rahmenentscheidungen getroffen.

Heimat Hafner – damit ist nicht der Lebensraum für Vögel, Amphibien, Insekten, Reptilien, Kleinsäuger und Milliarden winziger Bodentiere gemeint, sondern das größte Wohnbauprojekt in Konstanz seit den Siedlungserweiterungen der 1960er und 70er Jahre. In drei Bauabschnitten sollen nördlich des an Wollmatingen grenzenden Drumlins Hafner, der selbst von der Bebauung verschont bleibt, bis zu 3000 Wohnungen für mindestens 6000 Menschen entstehen, dazu zwei Schulen, Kitas, Pflegeheim, Parkhäuser und Gewerbebauten.

In seiner letzten Sitzung, bevor sich das Gremium nach der Kommunalwahl (9. Juni) neu konstituiert, hatte der Gemeinderat über den „Handlungsrahmen Konzeptvergabe Hafner“ zu entscheiden. Für einmal also kein Ha(ndlungs)pro(gramm), von denen die Stadt ja wahrhaft genug hat, sondern ein Hara – ganz ohne das mantrahafte Beschwören zielgerichteter Tätigkeit, die in punkto Hafner allerdings niemand infrage stellt, kommt auch das mit der Planung des Neubaugebiets befasste Projektteam nicht aus.

Sind Eigenheime noch zeitgemäß?

Das zur Abstimmung stehende Konzept betrifft nur den ersten Bauabschnitt des neuen Stadtteils, nämlich Neubauten beidseits der Dettinger Straße. Geplant sind dort etwa 1000 Wohneinheiten, davon 800 im Geschossbau und 200 in Reihenhäusern mit ein bis zwei Wohneinheiten. Diese Aufteilung folgt dem Siegerentwurf des städtebaulichen Wettbewerbs, eingereicht vom Planungsteam KCAP des niederländischen Architekten Kwes Christiansen und den Überlinger Landschaftsplanern Ramboll Studio Dreiseitl. 

230531 Masterplan Hafner Ba1 1000 A0 Kcap Henninglarsen Argus

Unabhängig von der sonstigen Qualität des Entwurfs kann man sich fragen, ob heute, sechs Jahre nach dem 2018 gelaufenen Wettbewerb, im Sinne eines flächensparenden und ressourcenschonenden Bauens die Beschränkung des Geschossbaus auf maximal sechs Etagen und dazu die vielen geplanten Ein- und Zweifamilienhäuser noch zeitgemäß sind. Wird man die letzteren in naher Zukunft ebenso als Fehlentwicklung beurteilen wie heute die energiefressenden 60er-Jahre-Atriumbungalows auf dem Längerbohl?

Wer darf dort kaufen und bauen?

Vergeben werden ausschließlich fest zugeschnittene Grundstücke – die Aufteilung bleibt also in Händen der Planer und wird nicht Investoren überlassen, die gerne große Flächen erwerben und diese dann nach ihren Interessen für den Weiterverkauf parzellieren. Das Vergabekonzept will zudem für die Reihenhäuser kein Bauträgergeschäft, sondern jedes Grundstück einzeln an Selbstnutzer:innen verkaufen. Begründet wird dieses kleinteilige und für die Stadtverwaltung ja besonders aufwendige Vergabeverfahren mit der „Sicherung nachhaltiger, vitaler und resilienter Nachbarschaften“ – ein kaum nachvollziehbarer Zusammenhang.

Es wird hier also kein serielles Bauen geben, sondern von Bauherrschaft zu Bauherrschaft unterschiedliche Lösungen. Gut für Architekten und Baufirmen, doch teuer und aufwendig. Grundsätzlich ist zu begrüßen, dass die WOBAK das Bauträgergeschäft aufgegeben hat, an dieser Stelle bedauert man es dann aber doch. Immerhin sichert sich die Stadt über den Bebauungsplan hinaus Einfluss auf die Bauplanung, indem die Grundstücke zunächst nur reserviert und erst nach dem Baugesuch endgültig verkauft werden. Erbpacht ist leider nicht vorgesehen.

Als Bewerber für die Eigenheimgrundstücke wünscht die Stadt mindestens vierköpfige Familien. Infrage kommen etwa doppelverdienende Lehrer:innenpaare, Universitätsdozent:innen und Freiberufler:innen. Die viel beschworenen, unter den hohen Mieten ächzenden Säulen unserer Gesellschaft wie Krankenpfleger:innen, Feuerwehrleute und Polizist:innen werden sich die Townhouses kaum leisten können, sondern als Mieter:innen im Geschossbau unterkommen.

Freiburg macht’s sozialer

Sobald der Bebauungsplan wohl Anfang 2026 beschlossen ist, kommen als erste die sogenannten Ankernutzer zum Zug, institutionelle Bauherr:innen, denen auch Erstellung und Unterhalt der Gemeinschaftsflächen zwischen den Blöcken auferlegt wird. Ausgewählt werden diese nach einem umfangreichen Kriterienkatalog, der unter anderem nachhaltiges und gemeinwohlorientiertes Bauen verlangt, nämlich 30 Prozent der geschaffenen Wohnfläche später preisgünstig zu den Kriterien des sozialen Wohnungsbaus zu vermieten. 

Die Linke Liste hätte hier gern mehr gewollt: über die 30 Prozent Sozialwohnungen hinaus weitere 20 Prozent Wohnungen preisgedämpft mit Mieten unterhalb der Marktmiete. Doch die Ratsmehrheit folgte in diesem Punkt der Verwaltung, man möge sich doch weiter an der 30-Prozent-Sozialquote des Handlungsprogramms Wohnen orientieren.

Im vorberatenden Haupt-, Finanz- und Klimaausschuss wurde die Sorge geäußert, für eine höhere Sozialquote sowieso keine Fördermittel zu bekommen. Hat doch im vergangenen Jahr die grün-schwarze Landesregierung insgesamt nur 2600 Sozialwohnungen gefördert. Zudem konkurriert der Konstanzer Hafner um diese Landesgelder mit dem doppelt so großen Freiburger Entwicklungsvorhaben Dietenbach.

Dabei sind die von noch höheren Mieten als in Konstanz geplagten Freiburger:innen um einiges mutiger als die Bodenseestadt. Die von der Konstanzer Linken vergeblich geforderte Sozialquote von 50 Prozent Mietwohnungen unter der Marktmiete ist für Dietenbach gesetzt. 

Was werden die Grundstücke kosten?

Jeweils eigene Vergabeverfahren gibt es außer für die Ankernutzer auch für die übrigen Geschossbauten, für Baugruppen und für die Eigenheime. Vergeben werden die alles in allem etwa 200 Parzellen nach einem umfangreichen Katalog städtebaulicher, sozialer und ökologischer Kriterien. Den Festpreis wird der Gutachterausschuss abhängig von der geplanten Nutzung festlegen. In diesen werden auch die Kosten der Gemeinschaftseinrichtungen und der – auf Vollzeitstellen umgerechnet – 16 Mitarbeiter:innen einfließen, die quer durch die Stadtverwaltung am Projekt Hafner arbeiten – vom Grunderwerb bis zur Planung der Ampelschaltungen. Ob die gesamten Kosten am Schluss durch die Grundstücksverkäufe gedeckt werden, kann niemand garantieren.

Kommt es zu Enteignungen?

Doch hat die Stadt die notwendigen Grundstücke überhaupt schon erwerben können? Allein für den ersten Bauabschnitt werden 293 Flurstücke benötigt. Man habe es mit 400 bis 500 Eigentümer:innen zu tun gehabt, weiß Esther Schwyz vom städtischen Liegenschaftsamt. Zum Jahresende hoffe man, den Grunderwerb abschließen zu können. Noch gelte es, drei Eigentümer:innen mit mehreren Grundstücken für den freiwilligen Verkauf zu gewinnen.

Gelingt dies nicht, droht den Widerständigen das scharfe Schwert der Enteignung. Denn der Hafner ist eine „Städtebauliche Entwicklungsmaßnahme“. Das Baugesetzbuch knüpft solche eher seltenen Vorhaben an strenge Voraussetzungen wie etwa den besonderen Wohnungsmangel, ermöglicht dann aber Enteignungen für solche Bauprojekte.

Egal ob freiwillig verkauft oder per Gericht enteignet: Die Alteigentümer:innen bekommen nicht mehr, als ihr Grund vor der Planung des neuen Stadtteils wert war. Der eine mag Glück haben, weil sein Besitz im Flächennutzungsplan bereits seit Urzeiten als Bauerwartungsland ausgewiesen war, und 230 Euro pro Quadratmeter bekommen. Nachbar Pechvogel wird indes mit 15 Euro/Quadratmeter für Agrarland abgespeist.

In Freiburg hat man versucht, das Grundstücksgeschäft an die Sparkasse auszulagern. Die zahlte den Alteigentümern, um sie zum Verkauf zu bewegen, etwas mehr als den Bodenrichtwert. Und krebste dann irgendwann doch vor dem Risiko zurück, die Entwicklungs- und Erschließungskosten bei künftigem Grundstücksverkauf nicht mehr reinholen zu können. Sie übergab das Portfolio wieder an die Stadt. 

Keine Frage, ungeachtet der Kritik der Naturschutzverbände [https://www.bund-konstanz.de/fileadmin/ogkonstanz/Stellungnahme_BUND_Konstanz_Hafner_Nordwest_27.05.22.pdf] ist in Sachen Hafner eine Kurskorrektur nicht mehr möglich. 2028 werden im Baugebiet die ersten Bagger anrücken und Kräne aufgestellt. Ob dies den Anstieg der Wohnungsmieten in Konstanz dämpfen wird, bleibt ungewiss. Allerdings kann man angesichts von Klimakrise und Artensterben über die mit dem neuen Wohngebiet verbundene Flächenversiegelung und die zusätzlichen CO2-Emissionen nur verzweifeln.

Text: Ralph-Raymond Braun
Bilder: Alex Tasdelen (Hafner heute), Stadt Konstanz (Masterplan), Pit Wuhrer (bemalte Hafner-Stellwände, Juni 2023)

Ein Kommentar

  1. Wolfgang Daub

    // am:

    Mittlerweile wohne ich seit mehr als 33 Jahren in Konstanz. Damals schon war Wohnraum knapp!

    Es gab schöne Projekte, um die Bürgerschaft ruhig zu stellen: der Stadtmarketingprozess unter dem „grünen(?)“ OB oder STEP 2020 einige Jahre später!

    Darin ging es auch immer wieder um Schaffung von bezahlbarem Wohnraum durch bspw. Überbauung von Bereichen, die bisher für Garagen oder Stellplätze genutzt werden, Aufstockung bestehender Häuser, Umwandlung von nicht (mehr) genutzten Flächen wie Speicher, Läden, Gewerbe- & Bürogebäude!

    Seit mindestens 33 Jahren tut sich aber deutlich zu wenig!

    Auch das Hafner ist eher „Placebo“ für das „Volk“ statt Lösung!

    Denn wesentlich schneller könnte auf bereits erschlossenen Flächen und durch Aufstockung Wohnraum geschaffen werden !

    Dieser wäre dann wohl nicht nur zeitnah sondern auch umweltverträglicher erstellbar!

    Wie verträgt sich denn das ganze bebaute Gebiet des Hafner mit dem Klimanotstand?

    Zumal aus dieser Richtung Frischluft in die Stadt strömt!?

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