Die diesjährige Maikundgebung im Konstanzer Stadtgarten stand vor allem unter dem Motto „Mehr Lohn, mehr Freizeit, mehr Sicherheit“. Aber auch die rechtsextremen Umtriebe waren ein durchgängiges Thema, denn bei den bevorstehenden Kommunalwahlen tritt die AfD kreisweit an. Hier die Rede von Dorothea Sick im Wortlaut.
Liebe Kolleginnen, liebe Kollegen,
Ich spreche für das Bündnis „Konstanz für Demokratie – klare Kante gegen Rechts in Stadt und Landkreis“. Wir sind über hundert Einzelpersonen, die sich vor einem Vierteljahr zusammengefunden haben. Wir wollen nicht tatenlos zusehen, wie sich Rechtspopulismus und Rechtsextremismus in unserem Land ausbreiten.
Wir wollen verhindern, dass sich die AfD weiter in den Parlamenten etabliert und ihre rechtsextremen Vorstellungen in Politik umsetzen kann.
Ich möchte nicht in einem Land leben, in dem eine politische Partei definiert, wer hier leben darf und wer nicht. In der Sprache der Rechtsextremen: Wer zum „deutschen Volk“ gehört und wer nicht. Und wer dann vielleicht bei nächster Gelegenheit aus unserem Land hinausgeworfen wird – beschönigend ausgedrückt mit dem Wort „Remigration“.
Ich möchte nicht in einer Gesellschaft leben, in der systematisch Gruppen von Menschen ausgemacht werden, die öffentlich herabgewürdigt werden, gegen die man hetzen kann und die für alles, was bei uns nicht gut läuft, verantwortlich gemacht werden.
Erst hetzen sie gegen die Menschen, die vor Krieg und Elend bei uns Schutz suchen, dann gegen alle Menschen mit Migrationsgeschichte. Als nächstes sind die Leute dran, die Bürgergeld beziehen, dann die Alleinerziehenden, die nicht dem Familienideal Vater – Mutter – Kind entsprechen. Und irgendwann sind sowieso alle dran, die irgendwie anders ticken als die Verfechter von „Deutschland – aber normal“.
Ich möchte zusammen mit den anderen Leuten in unserem Bündnis dafür sorgen, dass die vielen politischen und sozialen Errungenschaften der letzten Jahrzehnte erhalten und ausgebaut werden.
Bei der ersten Demonstration in meinem Leben habe ich als Schülerin ein Transparent getragen mit der Aufschrift „100 Jahre § 218 sind genug!“ Als Studentin habe ich mich dafür starkgemacht, dass Arbeiterkinder Zugang zu den Hochschulen bekommen.
Und jetzt bin ich im Rentenalter und sehe, dass Leute in die Parlamente kommen, die meinen, Frauen sollten vor allem Kinder kriegen. Die meinen, Bildung solle der Auslese dienen.
Nachdem wir erreicht haben, dass Kinder mit unterschiedlichen Fähigkeiten gemeinsam und voneinander lernen können, kommt jetzt die AfD daher und sagt, Inklusion sei ja nur Ideologie. Verena Bentele vom Sozialverband VdK hat das richtig kommentiert: „Inklusion ist ein Menschenrecht, keine Ideologie!“.
Die AfD biedert sich an als die Partei, die die Anliegen der sogenannten „kleinen Leute“ versteht und vertritt. Sie appelliert an die Gefühle von Menschen, die angesichts vielfältiger Krisen verunsichert sind.
Die AfD befeuert die Ängste und macht die vermeintlich Schuldigen aus. Und dann verspricht sie einfache Lösungen, die gar keine Lösungen sind.
Angst und Unzufriedenheit können uns den Verstand vernebeln. Wir glauben dann gerne dem, der uns Rettung und Erlösung verspricht. Nur so ist es zu erklären, dass die AfD am meisten Anhänger bei den Menschen findet, die wirtschaftlich und finanziell zu den größten Verlierern der AfD-Politik zählen. Darunter sind auch viele Gewerkschaftsmitglieder.
Die Vorsitzende des Deutschen Gewerkschaftsbundes, Yasmin Fahimi sagt: „AfD-Politiker sind Feinde der Arbeitnehmerschaft und keine Vertreter der kleinen Leute“.
Marcel Fratzscher vom Deutschen Institut für Wirtschaft drückt das so aus:
„AfD wählen und verlieren“. Unter diesem Titel hat er eine Studie veröffentlicht.
Das Fazit dieser Studie:
„Die Widersprüche zwischen den Interessen der AfD Wähler:innen und den Positionen der AfD könnten kaum größer sein.
- Steuersenkungen für die Spitzenverdiener:innen,
- niedrigere Löhne für Geringverdiener:innen und
- eine Beschneidung der Sozialsysteme
würden AfD-Wähler:innen viel stärker negativ betreffen als die Wähler:innen der meisten anderen Parteien.“
Die AfD steht für eine neoliberale Wirtschaftspolitik und die Beschneidung des Sozialstaates.
- Sie will die Erbschaftsteuer abschaffen.
- Sie ist gegen die Besteuerung großer Vermögen.
- Sie will den Solidaritätszuschlag für Spitzenverdiener:innen komplett abschaffen.
- Sie hat gegen die Erhöhung des Mindestlohns auf 12 Euro gestimmt.
- Sie will die Rolle des Staates beschneiden und die Macht des Marktes vergrößern.
Ein Beispiel ist das Tariftreue- und Mindestlohngesetz für öffentliche Aufträge in Baden-Württemberg.
Ziel des Gesetzes: Öffentliche Aufträge werden nur an solche Unternehmen vergeben, die ihren Beschäftigten bei der Durchführung des Auftrags den Mindestlohn bezahlen und sich tariftreu verhalten. Wenn also der Landkreis Konstanz Aufträge an private Busunternehmen vergibt, müssen diese Busfahrer nach ver.di-Tarif bezahlt werden.
Die AfD in Baden-Württemberg hat letztes Jahr beantragt, dieses Gesetz aufzuheben. Damit könnten Busfahrer wieder zu Dumpinglöhnen bezahlt werden. Zum Glück wurde der Antrag abgelehnt.
Wie kann es sein, dass diese Partei dennoch von Leuten mit wenig Geld gewählt wird?
Marcel Fratzscher sagt dazu: „Kaum eine im Bundestag vertretene Partei in Deutschland hat in den letzten 70 Jahren so hart nach unten getreten und verletzliche Gruppen so stark ausgegrenzt und diskriminiert wie die AfD. Durch Hetze und Diskriminierung gegen Ausländer:innen und Menschen mit Migrationsgeschichte … schafft es die AfD, den eigenen Unterstützer:innen einzureden, sie würden wirtschaftlich, sozial und politisch gewinnen, wenn soziale Leistungen oder Grundrechte für diese Gruppen eingeschränkt würden.“
Liebe Kolleginnen, liebe Kollegen, lasst uns gemeinsam dafür sorgen, dass diese Strategie der AfD nicht aufgeht.
Zukunftsängste und Verunsicherung nehmen wir ernst. Wir gehen mit den Kolleg:innen ins Gespräch und wir suchen nach guten politischen Lösungen für die Zukunftsfragen. Aber wir lassen uns nicht ausspielen gegen die schwächeren Gruppen in unserer Gesellschaft.
In der Gewerkschaft gilt noch immer: Mach meinen Kumpel nicht an!
Für uns alle gilt: Unsere Solidarität gegen Hass und Hetze!
Bild: H. Reile, aufgenommen bei der Konstanzer Demo gegen rechts Ende Januar 2024
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