Gleich mehrfach Grund zur Freude haben Fahrpersonal und Kund:innen der Konstanzer Stadtbusse: Keine Streiks mehr bis Ende 2025. Solange gilt der neue Manteltarifvertrag, auf den sich die Gewerkschaft ver.di und der Kommunale Arbeitgeberverband geeinigt haben. Außerdem gibt es neue E-Busse, wieder mehr Busfahrer:innen – und demnächst sogar funktionierende Anzeigetafeln.
Für die 6500 Beschäftigten in den nur noch sieben vom Flächentarifvertrag betroffenen Nahverkehrsbetrieben in Baden-Württemberg, nämlich in Stuttgart, Karlsruhe, Freiburg, Esslingen, Heilbronn, Baden-Baden und Konstanz, gibt es eine Nahverkehrszulage von monatlich 150 Euro. Zudem erhalten sie mehr Urlaubsgeld und Verbesserungen bei durch Verspätungen erzwungene Überstunden.
Nicht durchsetzen konnten sich die Fahrer:innen aber mit dem Wunsch, auch die Wegezeit zum Einsatzort als Arbeitszeit anrechnen zu lassen. So bekommen etwa die Konstanzer Busfahrer:innen ihre Wechselkasse beim Stadtwerke-Depot in der Max-Stromeyer-Straße und müssen sich dann beispielsweise zum Sternenplatz begeben, wo sie ihren Bus übernehmen. Erst damit beginnt die bezahlte Arbeitszeit.
Wichtigster Erfolg des Tarifstreits ist jedoch die schrittweise Verkürzung der Arbeitszeit bei vollem Lohnausgleich von bislang 39 auf 37,5 Stunden ab 2027. Wer gleichwohl länger arbeiten will, bekommt dies vergütet. Die Lokführer:innen der Gewerkschaft GdL sind hier nach ihren Streiks mit einer für 2029 vereinbarten 35-Stundenwoche weiter gekommen. Doch was noch nicht ist, kann ja noch werden.
Wird Busfahren jetzt teurer?
Der Kommunale Arbeitgeberverband KAV bezeichnet das Verhandlungsergebnis als schmerzhaft und kostenintensiv. Viele Kommunen hätten jetzt schon Probleme mit der Finanzierung des Nahverkehrs. „Die Arbeitgeber haben mit diesem Kompromiss die Belastungsgrenze maximal ausgereizt“, meint KAV-Hauptgeschäftsführerin Sylvana Donath.
Bedeutet das nun höhere Fahrpreise für die Konstanzer:innen? Jein. Die Stadtwerke und der für den Landkreis zuständige Verkehrsverbund Hegau-Bodensee (VHB) erhöhen die Fahrpreise sowieso jedes Jahr um rund fünf Prozent, völlig egal, was die Tarifpartner an Löhnen vereinbaren.
Auch mit der Arbeitszeitreduzierung, so Donath weiter, sei man über den eigenen Schatten gesprungen. Kürzere Arbeitszeiten erhöhten aber den Personalbedarf: „Wir hoffen, dass wir mit dieser Entlastung der Beschäftigten die Attraktivität der Nahverkehrsbranche wirklich steigern.“
Wieder mehr Buschauffeur:innen
Wie seemoz berichtete wurde der Fahrplan ab Oktober letzten Jahres eingeschränkt und dies auch mit der Personalsituation begründet. Die hat sich nun aber entspannt. Ab Juli, so Stadtwerkechef Norbert Reuter noch vor Bekanntgabe der Tarifeinigung, seien alle Planstellen wieder besetzt, sofern es nicht zu kurzfristigen und unerwarteten Kündigungen komme.
Gibt es dann auf den Linien 3 und 12 wieder einen Viertelstundentakt und zum neuen Semester die Wiederbelebung der Linie 9 C von Zähringerplatz zur Uni? Warten wir’s ab. Mehr noch als der neue Manteltarifvertrag hat sicher das Angebot der Stadtwerke, neuen Mitarbeiter:innen auch Wohnungen zur Verfügung zu stellen, die Personalnot entschärft.
Die neuen Busse sparen Energie …
Beglückt wurden Bus-Chauffeur:rinnen und lärmgeplagte Anwohner:innen der Busrouten auch mit der Anschaffung weiterer Elektrobusse. Waren bisher sechs E-Busse vor allem auf den Linien 6 und 14 unterwegs, kommen nun weitere 23 elektrisch betriebene Gelenkbusse hinzu. Acht davon drehen bereits ihre Runden, die übrigen 15 werden bis Ende kommenden Jahres geliefert und eingesetzt werden. Damit wäre dann jeder zweite Stadtwerkebus ein E-Bus.
Doch dabei soll es nicht bleiben. „Der Elektroantrieb der Busse hat sich bewährt, er ist im Vergleich zum Dieselbus deutlich effizienter im Energieeinsatz sowie genauso zuverlässig“, sagt Stadtwerke-Geschäftsführer Norbert Reuter. Es bleibe „deshalb unser Ziel, dass der Rote Arnold bis zum Jahr 2035 vollständig elektrisch unterwegs ist“.
… und Kohlendioxid
Mit einer Reichweite von 250–300 Kilometern können die neuen E-Busse auf fast allen Linien eingesetzt werden. Dieselfahrzeugen vorbehalten bleibt vorerst nur die Ringlinie über Litzelstetten, Dingelsdorf, Wallhausen und Dettingen; Auf ihr fährt ein Bus vom frühen Morgen bis zum späten Abend rund 400 Kilometer ab.
Selbst diese Reichweite würden die neuen Gelenkbusse vermutlich meistern – aber nur, wenn unterwegs keine Haltestellen zu bedienen sind und der Innenraum weder gekühlt noch beheizt werden muss. „Pro Einsatztag spart ein Gelenk-Elektrobus etwa 120 Liter Treibstoff“, erläutert Ralph Stöhr, Leiter des Busbetriebs der Stadtwerke. „Unsere gesamte E-Bus-Flotte wird damit mehr als 1500 Tonnen CO2 (Kohlendioxid) im Jahr einsparen.“
Zweites Leben für ausgediente Batterien
Aufgeladen werden die herkömmlichen NMC-Akkus (Nickel-Mangan-Cobalt) der E-Busse nachts auf dem Betriebsgelände der Stadtwerke. Jeder Bus hat an seinem Stellplatz einen eigenen CCS-Ladeanschluss, wie er auch bei Elektro-Pkws üblich ist. Geladen wird mit einer Leistung von bis zu 150 kW Gleichstrom. Mercedes-Benz verspricht für die Batterien bei „schonendem Betrieb“ eine Lebensdauer von acht Jahren, der hessische Batteriehersteller Borgwarner-Akasol gar von bis zu 4000 Ladezyklen.
Auch danach müssen die Batterien nicht unbedingt auf den Schrott. Ein Pilotprojekt in Hannover nutzt ausgediente Busbatterien als stationäre Stromspeicher, um damit etwa Solarstrom für die Nacht zwischenzuspeichern oder Lastspitzen im Straßenbahnverkehr abzudecken.
Irrwege zur „dynamischen Fahrgastinformation“
Gefühlt vor einem Jahrzehnt installierten die Stadtwerke an einigen wenigen Haltestellen digitale Anzeigetafeln, die in Echtzeit die nächsten Busabfahrten anzeigen, also auch Verspätungen und Ausfälle einberechnen sollen. Zunächst war für diese dynamische Fahrgastinformation, so der Fachbegriff, eine kreisweite Lösung durch den Verkehrsverbund VHB angedacht.
Doch der Stadt Singen ging das alles zu langsam, sie stattete ihren neuen Busbahnhof auf eigene Faust mit elektronischen Anzeigetafeln aus. Die Kreislösung war damit vom Tisch, die Stadtwerke Konstanz mussten eine eigene Lösung finden. Und setzten dabei offenbar auf das falsche Pferd, denn die installierten Anzeigetafeln sind die meiste Zeit defekt.
Die Stadtwerke schreiben dazu „Aufgrund der besonderen Situation der Netzabdeckung der Mobilfunkbetreiber in Verbindung mit der hohen Anzahl der Ringlinien konnte im Bedienungsgebiet Konstanz keine Standardlösung umgesetzt werden, weshalb ein Testbetrieb erforderlich war. Mittlerweile hat sich leider herausgestellt, dass die Zuverlässigkeit gerade bei den zusätzlich installierten Hardware-Komponenten weit hinter den Erwartungen zurückbleibt.“ Will sagen: Weil die Busse mangels Netzabdeckung ihre Position nicht fortwährend melden können, hat man auf eine technisch aufwendige Sonderlösung gesetzt. Die nicht funktioniert.
Es geht voran
Nun wird umgerüstet, damit die Anzeigetafeln ihre Infos über die zentrale Datendrehscheibe der Nahverkehrsgesellschaft Baden-Württemberg beziehen können. Die weiß dann über die Roten Arnolds hinaus etwa auch, wann die Regiobuslinie 700 (Konstanz–Ravensburg) am Bahnhof abfährt.
Bis Jahresende sollen 17 neue Anzeigetafeln montiert werden, noch einmal 17 in 2025. Da die Fördergelder hierfür bereits vom Regierungspräsidium bewilligt wurden, darf man davon ausgehen, dass die digitalen Anzeiger tatsächlich kommen.
Vorwärts geht es endlich auch mit dem Abbau der mit Taggs und Graffitis beschmierten Ticketautomaten, die viele Haltestellen verunzieren. Sie sind schon lange außer Betrieb, denn es gibt keine Ersatzteile mehr. In den nächsten Tagen, so versichern einhellig die SWK-Chefetage wie das mit derlei Arbeiten dann betraute Fußvolk, werden die Metallkästen verschwinden. Und der verbleibende Betonsockel zu einer Sitzgelegenheit umgebaut.
Text: Ralph-Raymond Braun / Fotos: Ralph-Raymond Braun, Pit Wuhrer
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