Der amerikanische Schlagzeuger Kevin Sims spielt am Sonntag ein Programm mit Werken des 21. Jahrhunderts, die die vielfältigen Verbindungen zwischen Instrumenten, Stimme, Sprachen und alltäglichen Gegenständen erforschen.
Schlagzeuge begleiten den Menschen vermutlich – ähnlich wie die Flöten – bereits seit den Anfängen der Geschichte. Aus vielen menschlichen Handlungen und Begegnungen lassen sie sich kaum wegdenken: Beim Tanz geben sie den Rhythmus vor, auch Laien können sich mit ihnen in Trance trommeln, und beim Marsch aufs Schlachtfeld sorgten Trommeln früher dafür, dass auch der größte Feigling dem Schlachtfest im geordneten Marschschritt entgegentaumelte. Es gibt sie in den verschiedensten Ausprägungen in (fast?) allen Kulturen: Vom großartigen indonesischen Gamelan-Orchester bis zur grönländischen Trommel aus Walrossrippen und Eisbärenblase, keine Kultur ließ sich diese musikalische Entdeckung entgehen. Außerdem wecken sie in uns Gefühle, die beispielsweise eine Geige nicht hervorlocken kann.
Als Solisten der Kunstmusik sind Schlagzeuger*innen erst im 20. Jahrhundert so richtig entdeckt worden, es sei ausdrücklich an Edgard Varèses bahnbrechendes Werk „Ionisation“ für 13 Schlagzeuger*innen an 43 Instrumenten erinnert. Dieses Jahrhundertwerk, das demnächst seinen 100. Geburtstag feiert, nutzt die verschiedenen Ausprägungen des Schlagwerks von der plingenden Triangel über den schrappenden Güiro bis hin zur donnergrollenden Reibetrommel, bei deren Klang intuitiv verständlich wird, warum es in manchen Zusammenhängen heißt, die Trommel werde gerührt.
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Auch im Soloprogramm von Kevin Sims am Sonntag mit Stücken deutscher und amerikanischer Komponist*innen werden nicht nur klassische Schlaginstrumente wie Vibraphon, Trommeln, Holzblöcke etc. verwendet, sondern auch Dinge wie Eimer, trockene Blätter oder eine verstärkte Glühbirne(!). Hinter jedem Stück steht eine persönliche Zusammenarbeit, manche Werke wurden für Kevin Sims geschrieben und laden den Musiker ein, eine eigene Klangwelt zu erschaffen. Sie leben von einer anhaltenden Aufmerksamkeit, in welche Spieler*innen und Zuhörer*innen gleichzeitig eintreten.
Das Ergebnis ist Musik, die sehr beziehungsreich ist, gemessen an den Klängen, die Verwendung des Textes, die Entwicklung der Spielarten und sogar der Entdeckung neuer „Instrumente“.
In den Stücken von Derek Muro, Scott Wollschleger, Eva-Maria Houben, Chiyoko Szlavnics, Sarah Hennies und Leah Asher (und Texten von Clark Coolidge und Abby Minor) gibt es also so einiges zu entdecken.
Kevin Sims ist Perkussionist, Multiinstrumentalist, und Komponist und lebt in Aaronsburg, Pennsylvania, USA. Er studierte Schlagzeug an der Manhattan School of Music in New York und als DAAD-Stipendiat an der Musikhochschule Freiburg in Deutschland. Kevin war Gründungsmitglied des Ensembles für zeitgenössische Musik Red Light New Music in New York und der internationalen Percussion-Gruppe Ensemble XII. Zu seinen jüngsten Arbeiten gehören das Solo-Percussion-Projekt Yarrow Canon; das freie Improvisationsalbum There Will Always Be Instruments mit dem Spherule Trio (Patrick Shiroishi, Saxofone; Lucas Brode, Gitarre und Schraubenzieher); die multimedialen Dokumentationsprojekte Battle Hymn of the Public (veröffentlicht auf Orb Tapes) und Our Sense of the Real; eine Zusammenarbeit mit dem Komponisten Scott Wollschleger und der Dichterin Abby Minor an einem Percussion-Monodrama mit dem Titel We Have Taken and Eaten; die Gründung und Organisation von Open Music, einer Konzertreihe und Ensemble; und zusammen mit James Searfoss die Hälfte des Noise-Improvisationsduos Moth Bucket. Seit 2023 leitet er ein experimentelles Musikensemble – Other Arts Ensemble – an der Pennsylvania State University.
Das Konzert wird von HighNoon – Freunde Neuer Musik e.V. veranstaltet. High Noon Musik 2000+ ist seit 2010 eine feste Konzertreihe in Konstanz und hat es sich zur Aufgabe gesetzt, zeitgenössische Kammermusik in einem regelmäßig wiederkehrenden und ansprechenden Rahmen zu präsentieren. Darüber hinaus stellt das Format ein Experimentierfeld für professionelle Musiker*innen des Bodenseeraumes dar. Initiator ist der Schlagzeuger und Komponist Ralf Kleinehanding. Weitere Informationen: www.highnoonmusik.de
Wer: Kevin Sims, Schlagzeug/Perkussion
Wann: 5. Mai 2024, 12.00 Uhr
Wo: Studio der Südwestdeutschen Philharmonie Konstanz, Fischmarkt 2
Wofür: Eintritt 10 € / 6 € ermäßigt / frei für Kinder und Schüler*innen
Text: MM/red., Bild: Wikipedia
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