Diese Frage trieb vor rund zwei Wochen um die 400 Besucher:innen ins Bodenseeforum, wo die Stadt mit Vorträgen und Infoständen über die Wärmewende informierte. Gekommen war wohl ein repräsentativer Querschnitt durch die Konstanzer Hausbesitzerszene. Nicht jede:r fand Antwort, nicht alle konnten beruhigt nach Hause gehen.
Aufhorchen ließ die Eröffnungsrede von OB Uli Burchardt. Ab 2040, so wisse er seit wenigen Tagen, werde der überregionale Netzbetreiber Terranets BW kein Gas mehr nach Konstanz liefern. Aus die Maus! seemoz hat bei Terranets nachgefragt. Deren Antwort war dann doch etwas differenzierter. Ja, im Einklang mit den Klimazielen des Landes strebe man an, ab 2040 kein Erdgas mehr zu transportieren. Die Leitungen sollten schrittweise auf Wasserstoff umgestellt werden. Grundsätzlich sei das bisherige Gasnetz dafür geeignet, nur einzelne Komponenten müssten ausgetauscht werden.
Schaut man sich die Planung der Wasserstofftransportrouten jedoch näher an, ist der westliche Bodensee noch ein großer weißer Fleck. Was nur logisch ist, weil Wasserstoff als Erdgasersatz am dringendsten von der Stahlindustrie und Großchemie benötigt wird, die es am See nicht gibt. Und so schreibt Terranets dann auch: „Für die technische Umstellung der Ferngasleitung nach Konstanz liegt noch kein konkreter Zeitpunkt vor.“
Heizen mit Wasserstoff?
Natürlich hätten es die Netzbetreiber bis hinunter zu den Stadtwerken gerne, ihre Gasleitungen nicht völlig abschreiben oder gar rückbauen zu müssen, sondern künftig für den Wasserstofftransport nutzen zu können. Doch wird 2040 genügend grüner, also ohne fossile Energie erzeugter Wasserstoff zur Verfügung stehen, um damit auch Wohngebäude heizen zu können?
Das wär zu schön, um wahr zu sein. Auch Niklas Reichert, Wärmenetzplaner der Stadtwerke, glaubt nicht daran: „Wasserstoff wird es in Konstanz künftig nur in kleinen Mengen und zu hohen Preisen geben.“
Fernwärme für Ankerkunden und deren Nachbarn
Wer das Glück hat, im richtigen Viertel zu wohnen, kann sich zurücklehnen und auf den Anschluss an ein Fernwärmenetz der Stadtwerke warten. Dieses bringt dann heißes Wasser zum Heizen und für die Trinkwassererwärmung in die einzelnen Häuser. Ein Anschlusszwang bestehe nicht, so Lorenz Heublein vom städtischen Klimaamt, doch man darf erwarten, dass der Anschluss ans Fernwärmenetz deutlich billiger sei als eine eigene Wärmepumpe.
Am weitesten gediehen ist die Fernwärme-Planung rund um die Bodensee-Therme. „Im Gebiet rund um die Bodensee-Therme entfallen etwa 90 Prozent des Wärmebedarfs auf die Therme, die Kliniken Schmieder und das Parkstift Rosenau“, erklärt Gordon Appel, Bereichsleiter Energiedienstleistungen und künftiger Mitgeschäftsführer der Stadtwerke, in einer Medienmitteilung. „Dabei handelt es sich um sogenannte Ankerkunden, also Großabnehmer, mit denen wir in diesem Gebiet einen gemeinsamen Wärmeverbund schaffen möchten. Wir sprechen von einem Wärmebedarf von rund 18 Gigawattstunden pro Jahr.“
Natürlich würden die restlichen Bestandsgebäude von einem solchen Wärmenetz mitversorgt werden, „also auch private Haushalte.“ Als Energiequelle steht Wasser aus dem Bodensee im Fokus, das mit Hilfe von Großwärmepumpen für den Betrieb eines Wärmenetzes nutzbar gemacht werden kann. Sollte alles laufen wie gewünscht, könne der Wärmeverbund 2028 bis 2030 realisiert werden.
Energie aus der Kläranlage …
Als nächstes käme das Berchengebiet dran. „Wir können zum einen Wärme aus dem Abwasser der Kläranlage gewinnen, zum anderen voraussichtlich auch einen kleineren Teil aus industrieller Abwärme“, informiert Stadtwerkemitarbeiter Niklas Reichert. Das Klärwasser fließt nach Durchlaufen der Großwärmepumpe wie gehabt in den Seerhein, nur eben etwas kälter als bislang, was dem Rhein gerade im Sommer eher gut tue als schade.
Für ein Wärmenetz im Berchengebiet spreche außer der Nähe zur Kläranlage auch die hohe Wohndichte, also das Verhältnis von Bewohner:innen zur überbauten Fläche. „Wir können dort mit relativ kurzer Leitungslänge viel CO2 einsparen und bis zu 4000 Haushalte mit nachhaltiger Wärme versorgen.“
Der Wärmebedarf in dem Gebiet wird auf rund 65 Gigawattsunden (GWh) pro Jahr prognostiziert, rund zehn Prozent des gesamten Wärmebedarfs in Konstanz. Etwa 12 Kilometer an Trassen dürften dafür einer ersten Einschätzung zufolge notwendig sein. Der Aufbau des Wärmeverbunds könne bei optimalem Verlauf 2029 beginnen.
… und aus der Müllverbrennung
Altstadt und das Paradies sollen mit Wärme aus dem See und der neuen, noch zu errichtenden Kehrrichtverbrennungsanlage (KVA) Weinfelden versorgt werden. Die KVA soll 2032 den Betrieb aufnehmen und dann über eine 17 Kilometer lange Leitung ihre Abwärme bis nach Kreuzlingen und Konstanz liefern – seemoz berichtete.
Die von der KVA vermutlich günstig verfügbare, weil im Prozess sowieso entstehende Wärme und die Kooperation mit Kreuzlingen mag den Ausschlag für ein linksrheinisches Wärmenetz gegeben haben, obwohl das Verlegen der Wärmeleitungen in den engen Gassen dort deutlich mehr als die rechtsrheinisch kalkulierten 1000 Euro pro Meter kosten wird.
Auch gibt es in der Altstadt und teilweise auch im Paradies viele schlecht isolierte Altbauten auf Grundstücken mit wenig Platz für die alternativ zur Fernwärme denkbaren Hochleistungs-Luftwärmepumpen. Außen vor bleibt indes das äußere Paradies westlich der Europastraße. Hier mochten die Wärmenetzplaner wohl das Etikett „alternativlos“ nicht mehr vergeben und muten den Hausbesitzer:innen individuelle Lösungen mit Luft- oder Erdwärmepumpen zu.
Auch Petershausen und Dingelsdorf dürfen hoffen
Hoffnung auf den Anschluss an ein Wärmenetz irgendwann in zehn bis fünfzehn Jahren können sich auch die Anwohner:innen rund um das Krankenhaus und in Petershausen West machen, nämlich dem Gebiet zwischen Bahnlinie. und Seerhein bis hin zur Oberlohnstraße im Westen. Auch hier soll die Wärme aus dem Seerhein gewonnen werden.
Schneller wird es in Dingelsdorf und Wallhausen gehen, wo die Firma solarcomplex unabhängig von den Stadtwerken ein Wärmenetz aufbaut und sogar schon einen Standort für das künftige Seekraftwerk gefunden hat. Mehr zum aktuellen Stand siehe hier.
Kein totes Kapital für den Hafner
In Litzelstetten dagegen wird es nichts mit der Seewärme. Eine Weile war im Gespräch, den neuen Stadtteil Hafner über eine Leitung von Litzelstetten her mit Seewärme zu versorgen, wovon dann eben auch Litzelstetten profitiert hätte. Davon sind die Planer inzwischen wieder abgerückt. Unsichere Genehmigungslage für die Wärmepumpe im Wasserschutzgebiet, kein Seegrundstück im Besitz der Stadt, auch über die Leitungsführung müsse man mit privaten Grundeigentümer:innen pokern – so lauten ihre Argumente.
Ausschlaggebend dürfte hingegen sein, dass die Stadtwerke in Litzelstetten mit geringer Bereitschaft zum Anschluss an ein Wärmenetz rechnen. Zudem müsste das neue Seekraftwerk von Anfang an auf die Maximalgröße des Stadtteils Hafner ausgelegt werden. Doch wer weiß schon, ob und wann dort auch der letzte Bauabschnitt realisiert wird? Bis dahin wäre ein Teil des Seekraftwerks totes Kapital.
Ad acta gelegt wurde für den Hafner auch die ganz zu Anfang angedachte Versorgung mit Erdwärme, einer in Deutschland gegenüber der Schweiz eher seltenen und teureren Wärmequelle. Fast tausend Sonden hätte es gebraucht, errechneten die Experten: Sonden, die sich dicht an dicht womöglich untereinander die Erdwärme streitig gemacht hätten – ein Projekt vergleichbarer Größe gebe es nirgendwo. Bleibt zu ergänzen, dass die in Betonröhren geführten Erdsonden nicht auf ewig Wärme liefern, aber wohl für immer im Boden bleiben würden.
Heizungstechnik aus dem kalten Norden
So setzen Experten und Politik für den Hafner inzwischen auf drei gigantische Luftwärmepumpen von bis zu 9 Gigawatt Jahresleistung, je eine für jeden Bauabschnitt. Die Stadt schreibt uns dazu: „Beispielprojekte vergleichbarer Größenordnung gibt es z.B. in Dänemark in Braedstrup und Felding. Mit dem Betreiber der Anlage in Felding war das Forschungsprojekt Hafner_KliEn im Austausch. Deren Wärmepumpen können das ganze Jahr über betrieben zu werden und müssen darüber hinaus noch höhere Vorlauftemperaturen liefern bei geringeren Durchschnittstemperaturen als hier in Süddeutschland.“ Den für die Wärmepumpen benötigten Strom soll die im Quartier installierte Photovoltaik bringen, wobei man an kalten und düsteren Wintertagen wohl auch auf mit fossilen Brennstoffen erzeugte Elektrizität wird zurückgreifen müssen.
Wärmepumpen – alte Technik neu entdeckt
Wärmepumpen, sozusagen rückwärts laufende Kühlschränke, die nicht aus Wärme Kälte, sondern mithilfe von Strom aus Kälte Wärme produzieren, sind keine neue Technik. Eine der ersten großen Seewasser-Wärmepumpen ging 1938 im Zürcher Rathaus in Betrieb. Eigentlich hatte man den bis dahin mit Einzelöfen in den Amtsstuben beheizten Bau auf eine zentrale Kohleheizung umstellen wollen. Doch das Rathaus steht mitten in der Limmat und hat keinen Platz für einen Kohlenkeller.
Überhaupt war die Schweiz, arm an Reserven fossiler Energieträger, aber dank Wasserkraft reich an der für die Wärmepumpen nötigen Elektrizität, und hier speziell Zürich ein Pionier in Sachen Seewasser-Wärmepumpe. Als nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs jedoch Kohle, Erdöl und später auch Erdgas billig aus dem Ausland eingekauft werden konnten, geriet diese Technik in Vergessenheit.
Viele Förderprogramme – wer blickt noch durch?
Die Stadtwerke rechnen für ihre Wärmenetze und die zugehörigen Kraftwerke mit Kosten von rund einer halben Milliarde Euro. Das sind bislang aber nur grobe Schätzungen. 40 Prozent der Kosten, in Einzelfällen gar die Hälfte, übernimmt der Bund. Aktuell gibt es mindestens sieben verschiedene Förderprogramme von KFW und BAFA – ohne auf das Einwerben von Fördermitteln spezialisierte Mitarbeiter:innen geht da nichts mehr. Förderfähig sind auch Hausanschluss und Wärmetauscher, welche die Abnehmer:innen der Fernwärme ja gesondert bezahlen müssen.
Am Montag folgt der zweite Teil dieses Beitrags über die Wärme- und Stromnetzplanungen der Stadt und der Stadtwerke Konstanz.
Text: Ralph-Raymond Braun / Fotos: Ralph-Raymond Braun und Pit Wuhrer
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