Die Proteste konservativer Bauern halten an. Dabei haben sie – anders als etwa die Klimaschützer:innen – fast alles erreicht, was sie forderten. Nur in einer Sache bleiben sie merkwürdig ruhig: Der geplanten Liberalisierung der Gentechnik. Was diese alles verändert (auch an unserem Essen), berichtet kommenden Montag die Biobäuerin Barbara Endraß.
Die Hoffnungen waren groß, als der technische Fortschritt auch die Landwirtschaft erreichte. „Grüne Revolution“ nannte man die Entwicklung, die in den sechziger Jahren zuerst die Lebensmittelproduktion im globalen Norden umkrempelte, dann im Süden. Mit weniger Aufwand (und Beschäftigten) die Erträge steigern – so lautete das Ziel.
Doch herausgekommen ist etwas ganz anderes. Mit dem zunehmenden Einsatz von Chemie, von Pestiziden, Kunstdünger oder Wachstumsbeschleunigern auch für Tiere wuchs der Investitionszwang. Die Bäuer:innen brauchten mehr Geld für Geräte, Chemikalien, Ställe; wer keins hatte, verschuldete sich oder gab auf. Immer mehr landwirtschaftliche Betriebe verschwanden, das „Bauernsterben“ – so der Titel eines lesenswerten Buchs – beschleunigte sich: Gab es in den 1950er Jahren in Westdeutschland noch 1,4 Millionen Höfe, waren es im ganzen Land 2023 noch etwa 250.000.
Ähnliche Folgen auch in südlichen Ländern: Dort schuften immer mehr Kleinbäuer:innen am Rande der Existenz. Internationale Agrarkonzerne verkaufen gentechnisch verändertes Saatgut und bieten die dazu passenden Pestizide an; eine wachsende Agroindustrie rodet Wälder, vertreibt die indigene Bevölkerung und zerstört die Lebensgrundlagen. Und das alles im Namen von Wachstum, Ernährungssicherheit – und Profit.
Krieg gegen die Natur?
Kaputte Böden, verseuchtes Wasser, schrumpfende Artenvielfalt, gequälte Tiere – und es geht gerade so weiter. Denn nun muss auch noch der Klimawandel für den nächsten Fortschritt herhalten. Um angesichts zunehmender Hitze und Dürreperioden bestehen zu können, brauche es unbedingt dem Einsatz „neuer genomischer Techniken“ (NGT). So argumentieren jedenfalls die großen Bauernverbände, die Industrie, die Wissenschaft – und auch die Politik.
Und so schwärmen fast alle von den Möglichkeiten des technischen Wandels. Mit ihrer Hilfe – beispielsweise der „Genschere“ CRISPR/Cas – lasse sich die Erbsubstanz von Pflanzen problemlos verändern, der Ertrag steigern, der Verbrauch von Pestiziden verringern. Zudem würden die Pflanzen widerstandsfähiger gegen die Folgen der Klimaerhitzung.
Nun plant die EU eine neue Verordnung, die den bisherigen Schutz vor dem unkontrollierten Einsatz gentechnisch veränderter Pflanzen weitgehend aufhebt. Sollte sie durchkommen, können sogenannte NGT-Pflanzen überall eingesetzt werden. Die bislang geltenden Kontroll- und Haftungsregeln würden wegfallen, ebenso die bisherigen Sicherheitsprüfungen, die Kennzeichnungspflicht, die Anbauregeln.
Überlebt die Biolandwirtschaft?
Damit aber wäre eine gentechnikfreie Landwirtschaft massiv gefährdet. Dieser „totale Freibrief für Konzerne“ (so die Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft in einer Stellungnahme) trifft jedoch nicht nur nachhaltig produzierende Bäuer:innen – sondern uns alle. Das jetzt noch in der EU geltende Vorsorgeprinzip wäre ausgehebelt.
Was kommt da auf uns zu? Wer leidet am meisten unter den geplanten Änderungen? Was ist noch wie zu verhindern? Darüber (und noch viel mehr) informiert die Agraringenieurin Barbara Endraß, die bei Wangen im Allgäu einen Biohof betreibt und in der AbL aktiv ist. Ihr Thema: „Die neue Gentech-Offensive – ihre Folgen für die Landwirtschaft. Und dein Essen.“
Zur Veranstaltung am Montag, 8. April, 19 Uhr laden ein: das Konstanzer Bündnis für gerechten Welthandel, die VHS Landkreis Konstanz und der Bildungsverein seemoz e.v. Ort: Astoria-Saal, VHS Konstanz, Katzgasse 7. Der Eintritt ist frei.
Text: Pit Wuhrer | Fotos oben (Erntemaschinen bis zum Horizont): Pixabay; unten (Barbara Endraß): Pit Wuhrer
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