Die Hochschulen von Konstanz und Kreuzlingen bauen gemeinsam einen solarbetriebenen Fahrradanhänger. Ziel ist es, mit Menschen ins Gespräch zu kommen, die aus eigenem Antrieb eher selten mit Wissenschaft und Hochschulen in Berührung kommen.
„Und warum benötigt der Hänger Sensoren?“ Mir wollte das nicht in den Kopf. Einen Fahrradanhänger hatte ich mir bislang sehr einfach vorgestellt – irgendeine Art Kiste auf Rädern mit einer Deichsel, die man an sein Rad koppeln kann, um dann Kinder, Kegel oder Käse zu transportieren. Doch Michael Fröhlich, Professor für connected car services1 an der HTWG, lächelte und schüttelte den Kopf. „Der Hänger wird schwer. Es ist also sinnvoll, ihn mit einem Elektromotor zu versehen.“ „Aha, das ist also ein eigenes Fahrzeug?“ „Ja, ganz genau. Den ziehst Du nicht, der fährt hinter Dir her. Und wenn Du nun in eine Kurve fährst, dann sollte der Hänger das merken.“ „Warum?“ „Weil er Dich andernfalls aus der Kurve herausschiebt.“ Aha. Sensoren also, die verhindern, dass ich aus der Kurve fliege oder auch beim Herunterradeln vom Gießberg vom eigenen Hänger überrollt werde.
Begonnen hatte das Projekt mit einer Überlegung im Team Transfer Lehre der Universität Konstanz. Vor Corona hatten wir eine Vielzahl an Veranstaltungstypen ausprobiert, die die Kommunikation zwischen Universität und Stadt im Bereich Transfer Lehre verbessern sollten. Es gab Vortragsreihen und Beratungen an städtischen Orten, ein Transfercafé im Theaterfoyer, ein Speed-Dating im Klimperkasten. Nun fragte sich, welche dieser Veranstaltungen sich als so erfolgreich erwiesen hatten, dass wir sie fortsetzen wollten.
Das Ergebnis war ein wenig ernüchternd: anstelle des einen Erfolgsmodells musste man stetig neue Ideen entwickeln, um Menschen immer wieder und immer wieder neu zu adressieren. Das klappte dann mal besser, mal schlechter.
Müsste man nicht dauerhaft irgendwo präsent sein? Gemeinsam mit dem Wissenschaftsverbund Bodensee wurde die Entwicklung eines Kiosks in der Stadt erwogen: ein Ort, an den man hinkommen konnte, um einen Kaffee zu trinken und sich über neue Entwicklungen an den Hochschulen zu informieren. Aber wollten wir einen Kiosk betreiben? Mit all dem Aufwand, den eine Immobilie nötig macht? Und war ein Kiosk niedrigschwellig genug? Würden sich tatsächlich alle gemeint fühlen oder präferierte man durch Gestaltung und Verzehrangebot, auch ohne es zu wollen, doch wieder nur eine bestimmte Gruppe oder Blase – schlimmstenfalls diejenigen, die man gar nicht mehr überzeugen musste?
Du musst nur die Laufrichtung ändern
Irgendwann entstand der Gedanke, dass vielleicht die Bewegungsrichtung falsch herum gedacht war. Vielleicht wäre es effektiver, dorthin zu gehen, wo ohnehin Menschen sind: in Fußgängerzonen, auf Marktplätze, in Parks. Vielleicht wäre es zielführender, Menschen niedrigschwellig bei Veranstaltungen zu erreichen, die sie ohnehin besuchen: beim Feuerwehr- oder Gemeindefest etwa.
Wenn man das wollte, musste man mobil sein.
Als Fahrzeug kam von vornherein nur das Fahrrad infrage und ein erster Blick in die Do-it-yourself-Szene des Fahrradanhängerbaus ließ uns die Augen überfließen und den Mund offenstehen: da wurden ganze tiny houses angehängt, ausklappbare Küchen, fahrbare Ladengeschäfte, kleine Theaterbühnen. Der Vielfalt der Inhalte entsprach eine Vielfalt der Formen und verbauten Materialien. Vielfach waren auch ganze Bauanleitungen für kein oder sehr kleines Geld öffentlich zugänglich.
Mit Michael Fröhlich war dann auch der richtige Partner an der HTWG gefunden. Er hatte bereits mit Studierenden einen solarbetriebenen Fahrradanhänger gebaut, dessen Ziel die Stromversorgung studentischer Parties sein sollte – genügend Saft für Musik, Licht und Bierkühlung und das zu einem Preis, der von Studierenden zahlbar sein sollte. Nur 500 Euro kostet der Hänger, den wir bei einem ersten Kick-off-Treffen im Labor von Michael Fröhlich bewundern durften. Außerdem hatte er gleich noch eine gute Idee: es sollten Studierende sein, die unter seiner Leitung, den Hänger konstruierten. Das überzeugte uns inhaltlich und vom Prozess her.
Mobil über die Grenze hinaus
Eine mobile Werkstatt, einen ans Fahrrad anhängbaren Ausstellungs- und Beratungsraum zu bauen und an der Schweizer Grenze halt zu machen, erschien völlig unlogisch. Also holten wir die PH Thurgau ins Boot – Christian Teichmann setzte sich für das Projekt ein und gewann Alex Bürgisser und Simon Litschi als Mitarbeiter mit den richtigen Vorerfahrungen. Bürgisser war schon einmal an der Konstruktion eines Radmodells beteiligt, Litschi hatte Erfahrungen mit dem Modell einer Stadt, die in Workshops durch Schülerinnen und Schüler nachhaltig umgestaltet werden sollte.
Aus der Universität Konstanz beteiligte sich das Forum Konstanz mit Theresa Bauer als Vertreterin. Das Forum ist als neues Kreativ- und Begegnungszentrum der Universität geplant: es soll ein Tor zur zivilgesellschaftlichen Öffentlichkeit sein und ein zentraler Ort für kreative Labors und Ateliers, nutzbar nicht nur von Universitätsangehörigen, sondern, wie das bereits realisierte FabLab, auch von Bürgerinnen und Bürgern der Stadt Konstanz, ein Angebot, das schon jetzt gut angenommen wird.
Geldgeber wurde der Wissenschaftsverbund Bodensee, der seine Programme inzwischen ganz auf Interaktionen zwischen Hochschulen und Zivilgesellschaft umgestellt und zugespitzt hat und damit einen Beitrag zur Verbesserung der gesellschaftlichen Wirksamkeit der akademischen Landschaft am Bodensee leistet.
Straßenzugelassenes Gefährt
Die Werkstätten der Universität wurden in den Bau des Rades einbezogen. Dadurch ist eine hohe Professionalität der Umsetzung dieses Verkehrsmittels gesichert – schließlich soll der Hänger ja straßentauglich sein und auch die notwendigen Zulassungen erhalten. Einmal wöchentlich trifft sich nun York-Friedrich Schnorr von Carolsfeld, der von Michael Fröhlich für Konstruktion und Projektmanagement eingestellte Student der HTWG, mit Vertretern der Wissenschaftlichen Werkstätten der Universität, allein das schon ist ein Moment der sehr guten und engen Zusammenarbeit zwischen den Hochschulen.
Alex Bürgisser und Simon Litschi haben erste Nutzungskonzepte für den Einsatz des Rades an Schulen erstellt. Während die ursprüngliche Idee des TransferRades sich ganz auf die Vermittlung von an anderer Stelle durchgeführten Transferaktivitäten bezog, erweiterten die Mitarbeiter der PH Thurgau diese Idee auf Workshops, die selbst Transfer zwischen Wissenschaft und Zivilgesellschaft leisten.
Gestalterisch begleitet Hannah Schienle, ebenfalls HTWG Konstanz, die Entwicklung des Rades. Technische Konstruktion, didaktisch-kommunikative Einsatzszenarien und Design sind eng aufeinander bezogen. Die Ideen entstehen gemeinsam, so dass am Schluss ein Ergebnis steht, bei dem Form und Funktion aus einem Guss sind.
Es wird jetzt darauf ankommen, den Prototyp des Rades fertigzustellen und im Einsatz zu testen. Bis das Rad im regulären Leihbetrieb der Hochschulen von Konstanz und Kreuzlingen auftaucht, wird wohl noch ein weiteres Jahr ins Land gehen. Allerdings werden während des Testbetriebes im Laufe dieses Jahres doch schon viele Menschen das neue Verkehrs- und Kommunikationsmittel kennenlernen können. Auf diese Begegnungen und das Feedback von außen freuen wir uns schon sehr.
Text: Albert Kümmel-Schnur, Abbildungen: 1. Legomodell: Die Arbeit begann mit einem Legomodell des zu bauenden Anhängers, um eine plastische Vorstellung zu bekommen. Modellbau und Foto: York-Friedrich Schnorr von Carolsfeld. 2. Konstruktionszeichnung: die Zeichnung zeigt den Fahrradanhänger mit aufgeklappter Projektionsfläche. Zeichnung: York-Friedrich Schnorr von Carolsfeld. 3. Computergraphische Simulation: Auf dem jetzigen Stand der Entwicklung kann man sich den Einsatz des Transferrades etwa so vorstellen. Computergraphik: Hannah Schienle.
Anmerkung: 1 Unter „connected car services“ muss man sich alles vorstellen, was ein Auto mit seiner Umgebung verknüpft: also mit dem Internet etwa oder mit geosensitiven Leitsystemen.
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