Symbolbild Konstanz Stadtführung Fasnacht Narr © MTK, Leo Leister

Wolkenkuckucksheim oder Zukunftsgarant?

Symbolbild Konstanz Stadtführung Fasnacht Narr © MTK, Leo Leister
Symbolbild: Alte Rheinbrücke und Seestraße © MTK / Leo Leister

Smart Green City (SGC) weht in letzter Zeit ein eisiger Wind entgegen: Wolkenschieberei, kein Gegenwert fürs viele Geld, so denken mittlerweile manche Gemeinderät*innen und Bürger*innen. Deshalb findet am Donnerstag ab 9.00 Uhr eine öffentliche Sitzung mehrerer Ausschüsse des Gemeinderates statt, auf der die angedachten Projekte vorgestellt und beraten werden sollen. Hier eine Übersicht.

FGL-Stadtrat Till Seiler stellt auf seemoz kritische Fragen zu Smart Green City, einem der derzeitigen Vorzeigeprojekte der Verwaltungsspitze (hier sein Beitrag). Aber worum geht es dabei überhaupt?

Was ist Smart Green City?

Auf die Frage, was SGC denn überhaupt sei und bewirken wolle, gibt es recht allgemein gehaltene Antworten. Die Idee ist, dass Städte unter bestimmten Bedingungen (relativ hohe) Zuschüsse vom Bund erhalten, um durch Digitalisierung in allen möglichen Bereichen moderner, klimafreundlicher, bürgernäher usw. zu werden.

In einer Erklärung der Stadt Konstanz vom 21.9.2023 wird das so zusammengefasst: „Das Förderprogramm des Bundesministeriums für Wohnen, Stadtentwicklung und Bauwesen (BMWSB) ‚Modellprojekte Smart Cities‘ verbindet die Themenfelder Stadtentwicklung und Digitalisierung. Mit der Finanzierung werden Kommunen gefördert, die integrierte Stadtentwicklung mit den drei Dimensionen der Nachhaltigkeit (Ökologie und Soziales) und den neuen Chancen der Digitalisierung verbinden. Das Bundesministerium fördert insgesamt 73 Smart City Modellkommunen, die seit 2019 in drei Staffeln ausgewählt wurden.“

Diese Ziele einer integrierten Stadtentwicklung werden vor Ort auf einzelne lokale Projekte heruntergebrochen, die die Lebensqualität in den beteiligten Kommunen heben sollen: „Als Smart Green City hat sich Konstanz die folgende Vision gesetzt: Konstanz wird mit Hilfe intelligenter Technologien eine digitale und nachhaltige Stadt. Wir fördern Lebensqualität sowie Teilhabe und werden gleichzeitig den Ressourcenverbrauch minimieren.“[1]

Der Gemeinderat hat in seiner Sitzung am 19.12.2023 die Mittel für diese Projekte in die Haushaltspläne der nächsten drei Jahre eingestellt, aber mit einem Sperrvermerk versehen. „Der Sperrvermerk sollte dazu dienen, die Mittel einerseits bereitzustellen, andererseits aber auch sicherzustellen, dass die Projekte in den zuständigen Fachausschüssen nochmals beraten werden.“ Die Fachausschüsse, die diese Woche gemeinsam beraten, können dem Gemeinderat empfehlen, Sperrvermerke aufzuheben, wenn sie Projekte für sinnvoll halten. Beschließt der Gemeinderat am 25. Januar diese Aufhebung für einzelne oder alle Projekte, werden diese Projekte umgesetzt.

Wie der Bund als Zuschussgeber reagieren wird, wenn mehrere dieser von ihm bereits genehmigten Projekte abgelehnt werden, ist nicht klar. Fördert er dann nur diese Projekte, oder dreht er den Geldhahn ganz zu? Das steht wohl noch in den Sternen.

Um welche Projekte geht es?

In der gemeinsamen Sitzung des Haupt-, Finanz- und Klimaausschusses, des Technischen und Umweltausschusses, des Technischen Betriebsausschusses, des Kulturausschusses und des Bildungsausschusses werden am Donnerstag die folgenden Einzelprojekte beraten, die ja auch viel städtisches Geld kosten.[2] (Einige Projekte wurden bereits gestrichen, im Folgenden finden Sie nur jene Projekte, die derzeit noch aktuell sind, daher ist deren Nummerierung nicht durchgängig.)

Projekt Nr. 1: Klimadatenplattform, Kosten 1.222.000 Euro

Es geht um eine städtische Datenplattform mit dem Fokus auf Klima- und Umweltdaten. Die Plattform zielt darauf ab, vorhandene Daten im Stadtgebiet zusammenzuführen und zusätzliche Daten zu erfassen. Es geht etwa um Wetter, Umwelt und Feinstaub. Ziel ist es, „die Vulnerabilität von Konstanz gegenüber den Folgewirkungen des Klimawandels mithilfe einer verbesserten Datenlage zu verringern“.

Projekt Nr. 2: Wasserqualitätsbiomonitoring und schlaue Badestellen, Kosten 416.400 Euro

Man will eine umfassende Messung der Wasserqualität an Konstanzer Badestellen vornehmen. Ein Biomonitor für Wasserqualität beruht auf dem Prinzip von ‚Vorkostern‘ wie z.B. Bachflohkrebsen, deren Reaktionen auf Veränderungen in Messkammern beobachtet werden. Es sollen weitere Umweltparameter wie z.B. Temperatur, Strömung, UV-Index an den frequentierten Badestellen erfasst werden.

Projekt Nr. 3: Energiemonitoring im Quartier, Kosten 794.600 Euro

Es geht um die Energieversorgung von städtischen Quartieren. Das Ziel ist es, ein Simulationstool samt geeigneter Visualisierung für die optimale Energieversorgung in städtischen Quartieren zu entwickeln. Das Simulationstool stellt einen Netzplan dar, der leicht bedienbar, digital und interaktiv ist und Szenarien der Netzplanung in einem Quartier durchspielen und deren Auswirkungen auf die gesellschaftlichen Gesamtkosten darstellen kann.

Projekt Nr. 5: Solar in der Innenstadt, Kosten 610.000 Euro

Es sollen neue Lösungen für den Solarausbau in Altstadt- und Bestandsquartieren getestet werden. Dazu zählen u.a. die Weiterentwicklung eines Solarkatasters um eine Wirtschaftlichkeitsberechnung, das Erstellen eines digitalen Zwillings, mit dem BürgerInnen den Ertrag ihrer potenziellen Solaranlage simulieren können, sowie die Förderung von Balkonkraftwerken in einer „Konstanz-Version“.

Projekt Nr. 6: Smarte LED-Straßenbeleuchtung Europabrücke, Kosten 170.000 Euro

Ziel ist die Optimierung der Straßenbeleuchtung. Die derzeitigen Natriumdampf-Hochdrucklampen sollen durch LED-Leuchten ersetzt werden. Des Weiteren soll eine Radar-Sensorik installiert werden, welche das Verkehrsaufkommen sowie die Reflexion der Asphaltdecke bspw. bei Regen messen kann, so dass die Beleuchtungsintensität automatisch gesteuert und der Energieverbrauch optimiert werden können.

Projekt Nr. 7: Ökonomisches Assistenzsystem für die Bodenseeschifffahrt, Kosten 656.000 Euro

Das An- und Ablegemanöver von Schiffen soll mit Hilfe KI-assistierter Komponenten auf dem vollelektrischen Schiff MS Mainau optimiert werden. Da sich KI-Algorithmen häufig wie eine Black-Box verhalten, d.h. die Entscheidungsgrundlagen für den Menschen verborgen bleiben, soll dieser Black-Box-Charakter der KI aufgebrochen werden, indem Entscheidungsmechanismen offengelegt und visuell zugänglich gemacht werden.

Projekt Nr. 8: Nachhaltige Stadt-Logistik auf der letzten Meile, Kosten 844.000 Euro

Ziel ist eine optimierte Paketzustellung der Kurier-, Express- und Paketdienstleister sowie eine Verbesserung der HandwerkerInnen-Verkehre in der Innenstadt. Außerdem geht es um die Plattformanbindung zur nachhaltigen Warenanlieferung des innerstädtischen Einzelhandels an die Endkunden innerhalb von Konstanz und Kreuzlingen (CH). Es sollen digital erfassbare Lieferzonen mit Reservierungsmöglichkeit über eine Open Source-Applikation eingerichtet werden.

Projekt Nr. 9: Umwelt- und Verkehrssensorik mit reisezeitbasierter CO2-Ermittlung, Kosten 360.000 Euro

Dabei soll eine kontinuierliche Erfassung qualifizierter Echtzeit-Umweltdaten und Reisezeitmessungen mittels stationärer Sensoren durchgeführt werden. Die Reisezeitmessungen sollen in CO2-Ausstoß umgerechnet und idealerweise mittels digitaler Verkehrsanzeigetafeln transparent gezeigt werden. Außerdem sollen moderne Verkehrszählungssysteme auf der Teststrecke Hauptzoll Kreuzlingen bis Lago Shopping-Center über Bodanstraße und Europastraße erprobt werden.

Projekt Nr. 12: Inklusive Routenplanung im digitalen Zwilling, Kosten 202.000 Euro

Es geht um die behindertengerechte Routenplanung mit zusätzlichen Informationen etwa zu temporären Hindernissen oder zu der Bodenbeschaffenheit in der Innenstadt wie z.B. Kopfsteinpflaster. Menschen mit eingeschränkter Mobilität können dann die Routen vorab digital „abfahren“, um eventuelle Problemstellen zu identifizieren.

Projekt Nr. 13: Prädiktive KI-Ampelschaltung, Kosten 414.650 Euro

Ziel ist die Verbesserung des Zusammenspiels von FußgängerInnen, RadfahrerInnen und AutofahrerInnen an Kreuzungen, indem ein digitales System FußgängerInnen und RadfahrerInnen erfasst, deren künftigen Weg voraussagt und die Ampeln nach dem aktuellen Bedarf schaltet, um Wartezeiten zu vermindern. Man kann damit z.B. auch bei Regen den Fahrrädern die Vorfahrt geben.

Projekt Nr. 14: Niedrigemissionszone in der Innenstadt, Kosten 100.000 Euro

Das Projekt dient der Entwicklung und Umsetzung innovativer Komponenten für das digitale Verkehrsmanagementsystem, mit der Perspektive auf eine Null- bzw. Niedrigemissionszone in der linksrheinischen Altstadt. Ein digitales Verkehrsmanagementsystem kann nicht nur Parksuchverkehre und Staus zu vermeiden helfen, sondern Anreize zum Umstieg auf E-Mobilität setzen, indem informiert wird, wie viele E-Parkplätze und wie viel Verbrenner-Parkplätze noch verfügbar sind.

Projekt Nr. 15: Innenstadt von morgen, Kosten 850.000 Euro

Anpassung an den Klimawandel mittels Aufwertung bestehender Grünräume (Laube) und einer Umgestaltung von öffentlichen Stadtplätzen, wodurch die Erlebqualität der Innenstadt gesteigert und mehr konsumfreier Aufenthalt im Sinne einer inklusiven Stadtgesellschaft ermöglicht werden soll. Aufbrechen der räumlichen Barriere (Bahngleise) zwischen Altstadtkern und Bodenseeufer/Hafen für eine stärkere Nutzung der Seelage als Erholungsraum und die Etablierung neuer Innenstadtnutzungen.

Projekt Nr. 16: Schlaue (Schul-)Gärten, Kosten 105.000 Euro

Auf einem oder mehreren Schulhöfen sollen an Altbaumstandorten Bodenfeuchte-Sensoren angebracht werden, mit denen den SchülerInnen spielerisch die Gießnotwendigkeit ihrer Schulbäume veranschaulicht wird, um zum Gießen einzuladen. Diese Daten werden mit anderen Klimadaten vernetzt.

Projekt Nr. 17: Schädlingsbekämpfung im öffentlichen Raum, Kosten 272.000 Euro

Es soll eine digitale Anwendung zur verbesserten Koordination der ober- und unterirdischen Rattenbekämpfung entwickelt werden. Begleitet wird das Projekt mit einer Kampagne: Weniger Abfall bedeutet weniger Ratten im öffentlichen Raum.

Projekt Nr. 18: Reallabor, Kosten 250.000 Euro

Die Hussenstraße 13 „bildet den realen Ort, um Prozesse, Projektergebnisse und Erkenntnisse von Smart Green City und der gesamten Stadt in Ausstellungen, Workshops und Demonstrationen zu präsentieren, zu diskutieren und somit real sichtbar zu machen. Dabei werden niedrigschwellige Angebote angeboten, um auch weniger digital affine Milieus zu erreichen und im Sinne einer digital-inklusiven, smarten Stadtgesellschaft zu aktivieren.“

Projekt Nr. 19: Digitalisierung erlebbar machen, Kosten 730.000 Euro

Es soll ein breites Angebotsprogramm für unterschiedliche Zielgruppen kreiert werden, um die Mitwirkung und die gemeinsame Gestaltung an Zukunftsthemen und Projekten zu ermöglichen. Zum Erlebbarmachen der Digitalisierung, sind folgende Formate angedacht: Hackathons zu Klima- und Mobilitätsdaten; Ausstellung zu digitalen Unterstützungsmöglichkeiten im Alter für daheim im Kontext des Handlungsprogrammes Pflege & mehr; Workshops zu Anwendungsfällen im Rahmen des digitalen Zwillings und der Klimadatenplattform; Arbeitstreffen mit AkteurInnen zur Entwicklung von NutzerInnen- und zielgruppengerechten Designs für digitale Werkzeuge und Apps sowie zur Reflektion der Smart Green City-Projekte.

Projekt Nr. 21: Konstanzer BürgerInnen-Panel, Kosten 275.000 Euro

Hierbei handelt es sich um ein Instrument zur BürgerInnenbeteiligung. Ein für die Konstanzer Bevölkerung repräsentativ besetztes Panel gibt per Webanwendung Einschätzungen und Meinungen zu konkreten Vorhaben, Fragestellungen und Planungen der Stadtverwaltung ab. Damit entsteht ein Meinungsbild, das die Arbeit der Stadtverwaltung sowie die Entscheidungsfindung des Gemeinderats unterstützen soll.

Projekt Nr. 22: KonstanzCard, Kosten 1.000.000 Euro

Das Projekt „“ bezieht sich auf eine physische und digitale Karte für Konstanz. Sie soll eine Vielzahl von bisher einzeln bestehenden Karten für Bus, Fähre, Bäder, Schifffahrt, E-Mobility, Kultur, Freizeitbranche ersetzen und die Registrierungen zu den einzelnen Bereichen in einer Plattform vereinen. Sie besteht aus einem Kundenportal, einer Vertriebsstrecke und der KonstanzCard in physischer Form als RFID-Karte und oder als Wallet.

Projekt Nr. 23: Kulturplattform, Kosten 250.000 Euro

Sämtliche (kulturellen) Veranstaltungen und Angebote in Konstanz und Kreuzlingen sollen in einer Webanwendung auffindbar und in einem zweiten Schritt buchbar gemacht werden. GastgeberInnen können zudem durch Filter personalisierte Empfehlungen für ihre Gäste erstellen und per Link bzw. QR-Code weitergeben.

Text: O. Pugliese

Anmerkungen
[1] Die komplette Mitteilung findet sich hier.
[2] Die Sitzungsunterlagen finden Sie hier.

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